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Freitag, 6. März 2009, 18:30 Uhr

Verrückt nach Leben: Nacht vor Augen

Film über einen traumatisierten Afghanistan-Heimkehrer der Bundeswehr

Infoarchiv Norderstedt | Vom 5. bis zum 11. März gastiert das von einer Reihe sozialpsychiatrischer Einrichtungen sowie prominenten SchirmherrInnen organisierte, bundesweite Filmfestival Ausnahmezustand - Verrückt nach Leben in Norderstedt. Im Spectrum läuft in dieser Zeit eine Reihe von Filmen, die allesamt von Situationen handeln, in denen Menschen die Kontrolle über sich verlieren und/oder das Gefühl haben, "verrückt" zu werden.

Als der fünfundzwanzigjährige David nach seinem Bundeswehreinsatz in Afghanistan nach Hause kommt, ist er ein Held. Seine Freunde rufen ihn nun "Rocky Kabul". Davids Mutter findet, dass der Einsatz ihrem Sohn gut getan hat, weil er so erwachsen geworden ist und seine Freundin Kirsten überrascht ihn bei der Rückkehr mit einer neuen Wohnung. Sein schüchterner, achtjähriger Halbbruder Benny bewundert ihn ohnehin rückhaltlos. Nur David selbst kann nicht mehr in den Spiegel sehen. Denn er weiß, dass er alles andere als ein Held ist.

Er hat während eines Einsatzes in Afghanistan einen schwerwiegenden Fehler gemacht, aus Angst und Überforderung. Mit diesem Fehler muss er leben, aber er weiß nicht wie. Die Bundeswehr ist keine große Hilfe, sie vertuscht das Debakel lieber. Auch Familie und Freunde scheinen sich für die dunklen Seiten des Kriegseinsatzes nicht zu interessieren. Dabei ist David in Afghanistan ein anderer Mensch geworden. Einer, der nachts vor lauter Angst nicht schlafen kann und tagsüber zusammen zuckt, wenn es irgendwo raschelt. Einer, der seine Arbeit als Rettungssanitäter kaum mehr tun kann, weil er unter Flashbacks leidet. Einer, der gelernt hat, keine Schwäche zu zeigen. All das versucht David verzweifelt zu verdrängen. Aber mit der Angst wächst auch die Aggressivität. Er beginnt, mit Benny zu "trainieren". Geht es dabei anfangs nur darum, dem kleinen Bruder ein paar Fußballtricks zu verraten, so dehnt David sein Trainingsprogramm bald auf alle Lebensbereiche aus. Benny soll lernen sich zu wehren, er soll stark werden und seine Ängste besiegen. Doch die Mutproben, die sich David zu diesem Zweck ausdenkt, werden immer gefährlicher.

Brigitte Maria Bertele zeigt glaubwürdig, wie sich die große Politik in die kleinen Köpfe hineinfrisst, David als Zombie aus einem Krieg zurückkehrt, den niemand versteht. "Nacht vor Augen" behandelt ein sehr aktuelles Thema, das in den deutschen Medien bisher wenig beleuchtet wurde, obwohl es uns alle angeht: Was macht der Friedenseinsatz in Afghanistan aus einem jungen Mann, was macht der Krieg mit den Soldaten? Der Film beschreibt sehr realistisch und nüchtern ein Phänomen, das es nach allen Kriegen gibt: Die Sprachlosigkeit der Heimkehrer. Und das Desinteresse der Gesellschaft. Trotz gewachsener Sensibilität bei Vorgesetzten ist bei Soldaten die Angst vor Stigmatisierung und beruflichen Nachteilen, wenn sie psychische Probleme ansprechen, noch immer groß. Viele befürchten als Schwächling oder Weichei gesehen zu werden.

Freitag, 6. März 2009, 18:30 Uhr, Spectrum-Kino Norderstedt, Rathausallee 70, Norderstedt
Eintritt: 3 Euro
Veröffentlicht in Frieden