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Donnerstag, 2. Oktober 2003, 2:00 Uhr
wilhelm.tel statt Jugendzentren
Sozialkürzungen: "Zeit für liebgewonnene Gewohnheiten vorbei"
Olaf Harning | Ende September war die Katze aus dem Sack: Bürgermeister Hans Joachim Grote bestätigte der "Norderstedter Zeitung", dass das allenthalben hochgelobte Multimedia-Unternehmen "wilhelm.tel" erneut mehrere Millionen Euro Verlust eingefahren hat. Folge für die Stadt: Genau diese Mittel fließen zumindest nicht der finanziell gebeutelten Kommunalkasse zu, denn der Verlust der Stadtwerke-Tochter muss mit den Gewinnen eben jenes Mutterunternehmens ausgeglichen werden.
Auch deshalb unterschreitet der skandalträchtige städtische Betrieb unter Leitung von Volker Hallwachs erstmals die einst verbindlich festgelegte Mindestabgabe der Stadtwerke an die Kommune, die nicht unter 5,5 Millionen Euro sinken darf. In 2002 erwirtschaftete der Hallwachs-Betrieb jedoch nur noch einen Gewinn in Höhe von rund 700.000 Euro (2001: 3,4 Millionen), hinzu kommen etwa 4,2 Millionen Euro sogenannter Konzessionsabgaben. Zusammengenommen werden dieses Jahr also nur knapp 4,9 Millionen an den städtischen Haushalt weitergegeben.
Ganz von der Frage abgesehen, warum Hallwachs nach fast eineinhalb Jahren Stadtwerke-Skandal (Info Archiv berichtete) weiterhin das Zepter schwingen darf, erwirtschaftete wilhelm.tel damit bislang einen Verlust in Höhe von 10 Millionen Euro und ein Ende dieser Entwicklung ist bis dato nicht abzusehen. Während also die mächtigen Männer der Stadt nach wie vor ihren ganz individuellen Traum von Glasfaserkabeln und High-tech auf Kosten der Norderstedter BürgerInnen befriedigen, soll jetzt den sozialen Leistungen der Stadt aufgrund der kommunalen Finanznot der Garaus gemacht werden.
Und das klingt bei Rainer Schlichtkrull, Fraktionsvorsitzender der Norderstedter CDU im aktuellen "Heimatspiegel" so: "Die Zeit für liebgewonnene Gewohnheiten ist leider vorbei, die Stadt muss sich daran ausrichten, das auszugeben, was sie auch als Einnahme erwarten kann." Zu diesen liebgewonnenen Gewohnheiten zählt Schlichtkrull unter anderem "die Ausgaben für Kultur, Soziales, Stadtentwicklung und Umwelt".
Während genaue Zahlen nach der CDU-Klausurtagung noch nicht bekannt wurden, war bereits in der Vorwoche durchgesickert, dass unter anderem 18.700 Euro bei den Altenkreisen, 23.400 Euro bei der Familienberatung "Pro Familia" und 14.600 Euro bei der "Tagesaufenthaltsstätte (TAS)" am Herold-Center eingespart werden sollen. Letzteres sticht insbesondere deshalb ins Auge, weil erst kurz zuvor die Privatisierung der "De Gasperi Passage" in Angriff genommen wurde. Die ChristdemokratInnen handeln also mehr als konsequent: Zuerst werden Obdachlose und Alkoholiker aus dem einzigen öffentlichen Bereich des Konsumtempels Herold-Center vertrieben, anschließend die Hilfsangebote an selber Stelle gestrichen.
Derweil arbeitet die Stadtverwaltung weiterhin fieberhaft an der Demontage sogenannter "freiwilliger Leistungen" für die offene Jugendarbeit. Bereits am 5. November soll dem Ausschuss für junge Menschen das Konzept "Jugendarbeit 2010" vorgelegt werden - ein Titel der angesichts der AGENDA 2010 eigentlich alles sagt. Bereits im August dieses Jahres hatte die CDU in ihrem Antrag zur inzwischen erfolgten Schließung des Jugendkulturcafés Aurikelstieg die Richtung dieses Konzeptes klargestellt: "An anderer Stelle und bei weiterer Personalreduzierung werden die Leistungen der Jugendarbeit weiter konzentriert".
Immerhin: Da der wilhlem.tel - Irrsinn trotz Millionenverlust gesicherten Zeiten entgegensieht, können die Jugendlichen auch in Zukunft verdammt schnell im Internet surfen und innerhalb Norderstedts umsonst telefonieren. Ist vielleicht auch besser, als in Jugendfreizeitheimen soziale Leistungen der Stadt in Anspruch zu nehmen.