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Sonntag, 5. März 2000, 1:00 Uhr

Wieder Besuchsverbot für Glasmoorgruppe

Dr. Steinmann spricht deutsch - Mit offenem Visier gegen den Flüchtlingsrat

Olaf Harning | Während dieser Tage für eine diakonisch getragene, wenngleich im Grundsatz durchaus anstaltskritische Gruppe "ehrenamtlicher Mitarbeiter" von Dühring und Anstaltsseelsorgerin Fanny Dethloff-Schimmer der Weg geebnet wird, bemühen sich die Verantwortlichen, den BesucherInnen von Hamburger Flüchtlingsrat und Glasmoorgruppe nach und nach die Arbeit im Knast unmöglich zu machen. Nach der seit einigen Wochen wieder aufgenommenen Verleugnung von Häftlingen ("der ist nicht da", "den haben wir nicht", "der ist weg", u.s.w.) und der stetig eskalierenden Schikanierung der Flüchtlingsrats-Mitglieder durch das Anstaltspersonal, deckte die Anstaltsleitung schließlich am 9. März ihre Karten auf:

"Hochachtungsvoll" verhängte JVA-Leiter Dr. Steinmann das erste Besuchsverbot seit rund sechs Jahren und begründet das mit dem angeblichen Ausspruch "Sind die alle blöd, oder nur dumm hier", den der betroffene Wolfgang M. während eines Besuches getätigt haben soll. Nachdem man sich von der unfreiwilligen Komik dieser Begründung einigermaßen erholt hat, bleibt das Lachen jedoch im Halse stecken. Genau dieser Satz - ist er nun gefallen, oder nicht - soll laut Dr. Steinmann - die "hier tätigen Mitarbeiter" getroffen und provoziert haben und schließlich die "Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Abschiebungshaftbereich" gefährden.

Nicht gefährdet sind anscheinend Sicherheit und Ordnung, wenn die zuletzt wiedeer aggressiv auftretenden Schließer mehr und mehr schikanös gegenüber BesucherInnen auftreten, Familienbesuche behindern oder - wie erst kürzlich geschehen - anwaltliche Betreuung von Gefangenen erst nach Intervention von Frank Dühring höchstpersönlich zulassen.

Wie "freundlich" die versammelte Schließerschaft der JVA Glasmoor überdies ist, kann man nicht zuletzt einem Schreiben des smarten Leiters von Haus 3 entnehmen, das Wolfgang M. rund zwei Wochen vor seinem unbefristeten Hausverbot erreichte. Darin regt Dühring unter anderem so interessant an, "vor Besuchsdurchführung, die freundlichen Bediensteten des Haus III zu fragen, ob der Abschiebungsgefangene Besuche durch Angehörige erhält". Außerdem wird M. noch in diesem Brief darum gebeten "positiven Einfluss auf Ihre Begleiterinen" (Fehler im Original) zu nehmen, die "hier tätigen Beamten durch abfällige Bemerkungen (...) zu provozieren" versuchen würden. Eine Woche später dann bemerkt Steinmann in der Begründung des Besuchsverbotes, der Vorfall (das obige Zitat) gewinne an Bedeutung, weil M. bereits mit dem Schreiben von Dühring darum gebeten worden sei, für eine korrekte Besuchsdurchführung zu sorgen.

Dass M. in genau diesem Schreiben allerdings als aus Sicht Dührings scheinbar seriösester Anprechpartner des Flüchtlingsrates darum gebeten wurde, die Korrektheit der Besuche anderer herbeizuführen, interessiert den JVA-Chef wenig, geht es hier schließlich um Schikane, nicht um Realität. Wie die Justizbehörde bei seiner Amtseinführung noch so frenetisch der Presse meldete, ist Dr. Steinmann zwar nach übereinstimmenden Berichten tatsächlich befähigt, fließend chinesisch zu sprechen, in Glasmoor hingegen äußert und verhält er sich vornehmlich deutsch. Ordentlich, sauber und gründlich, wie es sich gehört.

Mit Wolfgang M. trifft seit dem 9. März 2001 nun das insgesamt achte Mitglied antirassistischer Gruppen ein unbefristetes Hausverbot für den Bereich der JVA Glasmoor. Weitere werden folgen.

Veröffentlicht in Flucht und Migration