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Dienstag, 6. Dezember 2005, 1:00 Uhr
Vorwürfe gegen den MDK
Rentenberater Pietrowski: "Verweigerung von Pflegeleistungen!"
Von Olaf Harning | Georg Pietrowski muss es eigentlich wissen: 42 Jahre arbeitete der 59jährige für die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), zuletzt als Leiter im Hilfsmittelbereich. Seit zehn Jahren ist er zudem als ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht tätig. Nach Eintritt in den Vorruhestand ließ Pietrowski sich vor einiger Zeit zum staatlich geprüften Berater und Prozessbevollmächtigten mit dem Schwerpunkt Pflegeversicherung weiterbilden, ein seltener - weil sehr spezialisierter - Bereich. Jetzt bietet er für rund 190 Euro ein ausführliches Beratungsgespräch inklusive eventuellem Widerspruchsverfahren an. Das Risiko für die Betroffenen scheint dabei gering: Wenn das Verfahren gewonnen wird, zahlt ohnehin die jeweilige Kranken- und Pflegekasse und Pietrowski hat bislang alle 30 Verfahren durchbekommen.
Dabei hat er sich oft, zuletzt wohl etwas zu oft, über den von den Kranken- und Pflegekassen eingesetzten Medizinischen Dienst geärgert und erhebt mittlerweile schwere Vorwürfe. Keinesfalls Zufall seien die vielen Fälle abgelehnter Anträge: "Die katastrophale Finanzsituation der Krankenkassen hat zu einer systematischen Verweigerung von Pflegegeldansprüchen geführt. Anders", so Pietrowski weiter, "kann ich es mir nicht erklären, warum die Gutachten zur Pflegebedürftigkeit derart krass vom tatsächlichen Bedarf abweichen". Seiner Ansicht nach hat die schlechte Begutachten der Bedürftigen nichts mit Versehen, besonderer Strenge oder Personalproblemen zu tun: "Dieses Vorgehen", so der 59jährige, "hat Struktur".
Skandalöse Beispiele kann er viele nennen. Da sind etwa die 16 Monate alten Zwillinge aus Norderstedt. Frühgeburten, deren Vater selbst die Pflegestufe 1 abgelehnt worden war. Ergebnis des von Pietrowski eingeleiteten Widerspruchsverfahrens: Pflegestufe 3 - rückwirkend für 10 Monate (!). In der Norderstedter Zeitung schilderte der Berater kürzlich den aktuellen Fall einer 76jährigen Henstedt-Ulzburgerin, die unter starker Osteoporose und starkem Asthma leidet. Sie ist bettlägerig und wird 24 Stunden am Tag über eine Nasenbrille mit Sauerstoff versorgt. Während der Ehemann tatsächlich über sieben Stunden täglich für seine Frau tätig ist, erkannte der MDK nur 181 Minuten Pflege täglich an. Georg Pietrowski hat auch diesen Fall jetzt vor das Sozialgericht gebracht.
Im Vorgehen kann der Rentenberater wenig Unterschiede zwischen den einzelnen Kassen ausmachen. Nach dem jeweiligen Gutachten des Medizinischen Dienstes übernehmen sie die Fälle und bearbeiten die Widersprüche. Ein wenig überraschend ist das schon, unterstellt man den meist beitragsgünstigeren Betriebskassen doch, im Ernstfall härter zu prüfen und weniger zu leisten. Mit Ausnahme der Barmer Unfall- und Pflegekasse, die in Sachen Pflegegeldleistungen einen ausgesprochen schlechten Ruf habe, könne er jedoch solcherlei Auffälligkeiten nicht bestätigen.
Konkret würden die MDK-Gutachter einerseits nicht genug nachhaken, oder nur pauschalisierte Anhaltspunkte anrechnen, kritisiert er. Auf der anderen Seite stehe aber auch das Problem der Angehörigen: Sie überschätzen sich oder verschweigen Teile ihrer Pflegeleistungen aufgrund von Schamgefühlen. Der Medizinische Dienst verteidigt sich: "Warum sollten wir das tun? Da würden wir uns als unabhängige Organisation überflüssig machen. Wir arbeiten für alle Kassen und nicht nach politischen Vorgaben", sagt Johannes Hoffmann, Leiter der Abteilung Pflegeversicherung beim MDK Schleswig-Holstein. Allerdings registriert auch er die steigende Tendenz bei den Widersprüchen: "Die Bereitschaft, sich zu wehren, ist groß", so Hoffmann in der Norderstedter Zeitung.
Georg Pietrowski bietet seine Dienste gegen eine Gebühr an, doch davon leben kann und will der Norderstedter nicht: "Mich ärgert diese Ungerechtigkeit, die gerade den alten Leuten zugemutet wird. Die haben Jahrzehnte gearbeitet und werden dann so behandelt", sagt er gegenüber dem Info Archiv. Aus diesem Ärger speist sich wohl auch der Nachdruck, mit dem der 59jährige seine Fälle verfolgt: Zuletzt beantragte er sogar eine Einstweilige Verfügung - und wie durch Zufall traf es die Barmer.
Wer mehr wissen will oder selber Hilfe benötigt, erreicht Georg Pietrowski unter seiner Homepage oder per Telefon: 040 - 5222209.
Georg Pietrowski (59): Ärger über die Behandlung älterer Menschen