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Mittwoch, 14. September 2011, 0:15 Uhr

Stadtwerke-Prüfer im Interessenkonflikt?

Zweifel an geforderter Unabhängigkeit

Screenshot der DBC Infrastrukturberatung GmbH

Screenshot der DBC Infrastrukturberatung GmbH

Von Olaf Harning | Verhält sich der Pinneberger Wirtschaftsrat, der seit 2008 mit der Prüfung der Stadtwerke- und wilhelm.tel-Finanzen betraut ist, berufsständisch korrekt? Einiges spricht dafür, dass Junior-Chef Dr. Henrik Bremer mit der Gründung einer Consulting-Gesellschaft zur Verbreitung schneller Internet-Verbindungen die geforderte Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern arg strapaziert  hat. Sein Partner im Unternehmen: Der ehemalige Werksleiter der Norderstedter Stadtwerke, Volker Hallwachs.

Dass die Verbindungen zwischen dem Eigenbetrieb der Stadt Norderstedt und den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von Carl-Ulrich Bremer möglicherweise enger sind, als berufsständisch geduldet, war in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand von Mutmaßungen und Verdächtigungen. Ein Zufallsfund des Infoarchivs kann eine zumindest erhebliche Enge nun auch belegen: Bei Recherchen zur Geschichte des "Stadtwerke-Skandals" stießen wir auf die noch recht junge Dr. Bremer Consulting – Gesellschaft für Infrastrukturberatung mbH (im Folgenden "DBC GmbH"), eine Art Promotion-Unternehmen für Glasfaser-Verkabelung. Ansprechpartner der Gesellschaft sind: Ex-Stadtwerke-Chef Volker Hallwachs und Dr. Henrik Bremer, Sohn von Carl-Ulrich Bremer und einer der Geschäftsführer des Wirtschaftsrats. Gemeinsam bieten sie die Vision „Glasfaser für Alle“ und konkrete Leistungen zur Umsetzung, wie Machbarkeitsstudien, Finanzierungsberatung, die Durchführung von Informationsveranstaltungen zum Thema oder auch die Vorbereitung von Vergabeverfahren. Das alles, während der Wirtschaftsrat nicht nur die Stadtwerke selbst, sondern auch ihre „Töchter“, wie etwa wilhelm.tel oder die Stadtpark Norderstedt GmbH prüft. Und im Aufsichtsrat jener Stadtpark Norderstedt GmbH sitzt – Volker Hallwachs. Stellt sich nun die Frage, ob diese Verquickung verschiedener Aufgaben und Ämter nur ein wenig ungünstig ist, oder ob sie eben „Geschmäckle“ hat, den Ruch halblegaler Seilschaften.

Das klarste Statement zu dieser Frage kommt von Wolfgang Schmidt (SPD), Vorsitzender des politisch zuständigen Stadtwerkeausschusses. Er hält die Verbindung Hallwachs-Bremer vor allem deshalb für unbedenklich, weil mit der konkreten Prüfung der Eigenbetrieb-Finanzen nicht Vater oder Sohn Bremer, sondern Wirtschaftsrat-Mitarbeiter Hans-Christian Grimm betraut ist. Schmidt: „Dieser arbeitet zwar in der gleichen Sozietät, eben im Wirtschaftsrat, ist aber als vereidigter Wirtschaftsprüfer zur unabhängigen, gewissenhaften und eigenverantwortlichen Prüfung verpflichtet. Ihn mal eben so unter den Verdacht zu stellen, er könnte diese Pflichten verletzen, halte ich für unangebracht.“ Auch das Hallwachssche Engagement sieht Schmidt als unbedenklich an: Zwei Jahre nach Ausscheiden als Stadtwerke-Direx sei die Tätigkeit als Berater seine Privatangelegenheit. Unterstützt wird Schmidt von seinem Stellvertreter im Ausschuss – dem Christdemokraten Gert Leiteritz: Auch er hätte gegen die Nähe von Prüfer und Geprüftem nur dann Bedenken, wenn die Gesellschaften geschäftliche Verbindungen eingehen würden. Das, so Leiteritz, sei aber sehr unwahrscheinlich, da sich die Stadtwerke zur Zeit nicht weiter ausdehnen wollen.

Die Rückseite der Norderstedter Stadtwerke

Die Rückseite der Norderstedter Stadtwerke (Foto: Infoarchiv)

Auch die Stadtwerke selbst betrachten die aufkeimende Unruhe ob der vermeintlichen Seilschaft eher mit Verwunderung und sehen in dem gemeinsamen Engagement von Bremer und Hallwachs kein Problem – obwohl die DBC GmbH zumindest theoretisch im „selben Teich fischt“. Erstens, so Werkleiter Jens Seedorff, habe man die Überlegung, selber in Sachen Glasfaserkabel beratend tätig zu werden, ad acta gelegt – geschäftliche Überschneidungen zwischen den Stadtwerken und der DBC GmbH gebe es also nicht. Außerdem werde die Ausschreibung der Wirtschaftsprüfung mittlerweile nicht mehr von dem städtischen Eigenbetrieb selbst, sondern vom Amt für Finanzen in der Stadtverwaltung durchgeführt. Seedorff weiter: „Wenn Herr Hallwachs in seinem beruflichen Leben erworbenes Know –How in Beratungsleistung umwandelt und in Sachen Glasfaserkabel tätig wird, sehe ich darin kein Problem“. Der ehemalige Stadtwerke-Chef sei vom Unternehmen unabhängig, darauf habe man bei seinem Ausscheiden Wert gelegt.

Nicht so gelassen bleibt FDP-Politiker Heino Dittmayer: Er hält es „für unverantwortlich, diese Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit dieser Prüfung zu beauftragen.Dittmayer sieht die Gefahr eines „Interessenkonfliktes“ und wundert sich, warum Volker Hallwachs selbst nicht längst die Reißleine gezogen- und angeregt hat, die Prüfung der Stadtwerke „einem anderen Unternehmen anzuvertrauen“. Auch die Partei DIE LINKE und die GALiN halten von der Verquickung der Gesellschaften nicht viel. So befürchtet LINKEN-Fraktionschef Miro Berbig einen „Wissenstransfer“, denn „Herr Dr. Bremer und Volker Hallwachs bewegen sich sicher in einem Bereich, in der eine klare Trennung von Kenntnissen über die Stadtwerke Norderstedt inklusive ihres Glasfasernetzes und der Beratung anderer Firmen und Kommunen in eben diesem Unternehmenssegment schwer vorzunehmen ist.“ Er plädiert für eine schnelle Klärung dieses Interessenkonflikts und gegebenenfalls für den Wechsel des Wirtschaftsprüfers. Ähnlich die GALiN-Fraktionsvorsitzende Maren Plaschnick, die unmittelbar nach dem Gespräch mit dem Infoarchiv eine Anfrage an den Norderstedter Hauptausschuss richtete. Darin fragt sie unter anderem: „Wie ist sichergestellt, dass die DBC Infrastruktur GmbH bzw. ihre annoncierten Kooperationspartner Wirtschaftsrat GmbH und BremerGrimmHeller (bgh partner) die Wirtschaftsdaten der städtischen Unternehmen der Stadt Norderstedt/ Stadtwerke nicht für eigene unternehmerische Zwecke nutzen?

Doch auch von politisch-moralischen Problemen abgesehen könnte die DBC GmbH unter Druck geraten: Wirtschaftsprüfer unterliegen nämlich einer teils recht rigiden Berufsordnung, die ihnen andere Betätigungen als eben die Wirtschaftsprüfung größtenteils untersagt. So ist ihnen nach §43a WiPrO unter anderem verboten, „eine gewerbliche Tätigkeit“ auszuüben, um Interessenkonflikte von vornherein auszuschließen. Unter solche „gewerbliche Tätigkeiten“ fiele im Normalfall auch die Position des Geschäftsführers einer Consulting-Gesellschaft, wie die in Berlin ansässige Wirtschaftsprüferkammer dem Infoarchiv bestätigte. Und die DBC GmbH wird tatsächlich von Dr. Henrik Bremer geführt. Ob dem nun ein Verstoß gegen die Berufsordnung oder eine mögliche Ausnahmegenehmigung zugrunde liegt, darüber wollte die Kammer keine Auskunft erteilen. Und auch Bremer selbst war am Dienstag aus terminlichen Gründen für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.