- Themen
- Alternative Zentren
- Arbeit & Kapital
- Behindertenpolitik / Assistenzbedürftige
- Bildung
- Energiepolitik
- Faschismus / Antifaschismus
- Flucht und Migration
- Frauen / Feminismus
- Frieden
- Geschichte
- Internationalismus
- Jugendpolitik
- Kindergärten & Kinderbetreuung
- Kommunalpolitik
- Kultur
- Landesgartenschau & Stadtpark
- Lesbisch/Schwules
- Medien
- Medizinische Versorgung & Gesundheit
- Polizei & Justiz
- Religion
- Repression / Antirepression
- Sonstige
- Soziales
- Sport
- Stadtentwicklung
- Umwelt
- Verkehr
- Artikel Altbestand
- Schlagworte
- Galerien
- Links
- Termine
- Über uns
+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +
Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.
Montag, 4. Oktober 2004, 2:00 Uhr
SPD Norderstedt für soziale Stadt?
Norderstedter Sonderweg?
der nestscheißer | Alternativen zur "Kahlschlag- und Größenwahnpolitik" der CDU sollen, aufgezeigt werden, verräterisch dabei ist allerdings die Formulierung, dass hiermit die Marschroute bis zur nächsten Kommunalwahl 2008 festgelegt werden soll. Heißt das etwa, dass sich die SPD (wie schon so oft) nach einer Regierungsübernahme nicht mehr an vorherige programmatische Grundsätze gebunden fühlt? Wir sind jedenfalls gespannt (und wachsam), was die ewige Umfallerpartei (seit der Zustimmung zu den Dampfersubventionen 1885*) in vier Jahren (falls es sie dann noch gibt) anrichten wird. Aber gehen wir zunächst auf das ein, was die lieben SozialdemokratInnen machen wollen:
"In Zeiten des Wandels und einschneidender, schmerzhafter Reformen werden wir Norderstedter Sozialdemokraten zusammen mit den Menschen vor Ort Antworten auf dringende Fragen entwickeln, auf die die Menschen in dieser Stadt zu Recht warten. Mit Informations-Angeboten und -Veranstaltungen wollen wir auf die berechtigten Sorgen der Menschen eingehen.", so tönt Landtagskandidat Heiner Köncke. Soll wohl heißen, dass dem Stimmv., ... äh ... den lieben BürgerInnen gegenüber (in orwellscher Manier?) kommuniziert werden soll, dass die Angriffe auf den Lebensstandard, die sozialen Errungenschaften der Lohnabhängigen notwendig seien, Ausdruck eines Sachzwanges sind, welchem mensch sich, zum Wohle des Standortes (wahlweise Norderstedt, Schleswig-Holstein oder Deutschland), der Volkswirtschaft, der Staatsfinanzen oder wem auch immer zu fügen hat. Oder meint der Herr Kandidat das anders? Wahrscheinlich nicht.
Da mensch auf der Bundesebene zur Zeit wenig punkten kann, begibt sich die SPD auf die kommunale Ebene und beglückt die Massen zunächst mit einem eingängigen Slogan: "Chancen für alle - Chancen für Norderstedt". Das klingt erst einmal schön und lokalpatriotisch, genauso wie die Formulierung, dass sich alle in Norderstedt wohlfühlen sollen. Auch greift die SPD die Forderung nach einer sozialen Stadt auf, alle NorderstedterInnen sollen u.a. ihre Wohngebiete als sicher und wohnlich empfinden. Auch diese Formulierung kann verschieden interpretiert werden: sollen die Wohngebiete so sein oder soll mensch denken, dass sie es sind? Und außerdem; die Forderung nach Sicherheit wurde in den vergangenen Jahren nicht nur von der SPD dahingehend ausgelegt, dass es hier nicht um den Schutz vor Armut, Umweltverschmutzung und ähnlichem geht, sondern um die Ausweitung der Kontrolle und Bespitzelung der Menschen (besonders betroffen sind hiervon Menschen, welche vom Gesetz oder dem "gesunden Volksempfinden" als "nichtdeutsch" angesehen werden). Wir sind gespannt.
Großzügige Angebote werden gegenüber Jugendlichen, SeniorInnen, MigrantInnen und Familien formuliert; Bildungs- Freizeit-, betreuungs- und Hilfsangebote werden genannt. Komisch, dass der SPD so etwas nicht in der Zeit eingefallen ist, als sie noch in Norderstedt am Ruder war. Oder haben die Grünen alles verhindert? Vor allem soll - PISA sei Dank - im Bildungsbereich investiert werden, das zukünftige Humankapital soll für den Standort gehegt und gepflegt werden, Eltern sollen Entlastung finden, damit sie einen der (entweder schon längst abgebauten oder mit einem Euro "entlohnten") Arbeitsplätze einnehmen können. Auch Ganztagsschulen haben es der SPD angetan, die SchülerInnen (welche sich dagegen noch nicht per Stimmzettel wehren können) sollen damit auch länger unter Kontrolle gehalten werden, deviantes Betragen (welches dem Ansehen des Standortes schadet) eingegrenzt werden. Ob die Landesregierung auch die für das Betreuungspersonal notwendigen Mittel locker macht? Werden wir wohl nach den Wahlen spüren.
Schließlich soll die ganze Chose unter "unserer" Beteiligung ablaufen, es reicht der Sozialdemokratie offenbar nicht aus, mit einer parlamentarischen Mehrheit Entscheidungen zu treffen, die mündigen BürgerInnen sollen daran teilnehmend und bejahend mitmachen, " ... das Verständnis und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger für eine der wichtigsten Weichenstellungen in unserer Stadt zu verbessern ..." wie es auf sozialdemokratisch heißt. Dafür will die SPD, jetzt wo ihr auf Bundes- und Landesebene die Felle beziehungsweise Mitglieder und WählerInnen davonschwimmen, " ... verstärkt auf die Menschen vor Ort zugehen, neue Kontakte zu Vereinen, Verbänden, Interessengruppen und Betrieben knüpfen und die Gliederungen der Partei öffnen damit wir den Puls der Basis spüren ..."; klingt nach massiver Personalnot. Immerhin: Anders als die CDU spricht die SPD mit den Opfern ihrer Politik und kommt damit dem allgemein verbreiteten Bedürfnis, beachtet zu werden, entgegen - Kürzungspolitik lässt sich so besser und lautloser über die Bühne bringen.
Über anderes schweigt mensch sich aus, über die im Zuge der "Reformen" herbeigeführte massive Verschlechterung der Lebensbedingungen breiter Bevölkerungskreise. Politik soll anders verkauft oder kommuniziert werden, von (außerparlamentarischem) Widerstand gegen Agenda 2010, Hartz IV und Konsorten (was die Konsequenz der schönen Worte wäre), ist keine Rede. Schließlich ist die Norderstedter SPD Teil einer bundesweiten Vereinigung, beide Politikebenen zu trennen käme einer fast übermenschlich zu nennenden Abstraktionsleistung gleich. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele von SPD- und CDU-Politik betroffene Menschen nicht die neoliberalen Parteien des Kapitals sondern den außerparlamentarischen Widerstand wählen. Denn nur durch Druck von unten ist in der Lage, die neoliberale Umkrempelung der sozialen Sicherungssysteme zu stoppen, und wenn die Puste reicht, vielleicht eine andere Gesellschaft, jenseits von Unterdrückung und Ausbeutung, von Warenförmigkeit und Lohnarbeit zu erkämpfen - ganz früher wollte die SPD das auch einmal, bis sie sich - immer wieder und wieder - entschied, den Standort Deutschland für das im Sinne kapitalistischer Profitrealisierung auf Vordermann zu bringen.
* Vgl.: Kurt Brandis: Der Anfang vom Ende der Sozialdemokratie. Die SPD bis zum Fall des Sozialistengesetzes. Berlin 1975, S. 58-62 (verfasst 1927).