- Themen
- Alternative Zentren
- Arbeit & Kapital
- Behindertenpolitik / Assistenzbedürftige
- Bildung
- Energiepolitik
- Faschismus / Antifaschismus
- Flucht und Migration
- Frauen / Feminismus
- Frieden
- Geschichte
- Internationalismus
- Jugendpolitik
- Kindergärten & Kinderbetreuung
- Kommunalpolitik
- Kultur
- Landesgartenschau & Stadtpark
- Lesbisch/Schwules
- Medien
- Medizinische Versorgung & Gesundheit
- Polizei & Justiz
- Religion
- Repression / Antirepression
- Sonstige
- Soziales
- Sport
- Stadtentwicklung
- Umwelt
- Verkehr
- Artikel Altbestand
- Schlagworte
- Galerien
- Links
- Termine
- Über uns
+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +
Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.
Freitag, 11. Juli 2003, 2:00 Uhr
Making History
Die Geschichtswerkstätten in Hamburg vor dem Aus
der nestscheißer | Dabei soll der Kulturetat aufgestockt werden - um immerhin 15,9 Millionen Euro. Rein zufällig werden rund 15 Millionen Euro für ein in Gründung befindliches Marinemuseum bereitgestellt. Dessen Schirmherr ist der ehemalige BILD-Chef Peter Tamm. Rein zufällig war er dort seinerzeit auch Horakovas Vorgesetzter. Aber das ist nur ein Zufall. Weiterhin machen Gerüchte die Runde, daß eines der großen Hamburger Museen - rein zufällig das "Museum der Arbeit" - zur Disposition steht.
Die Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchive in Hamburg stehen für einen Blick auf die örtliche Geschichte, der das Leben der "einfachen" Menschen, deren Denken und Fühlen in den Mittelpunkt stellt. Einige Werkstätten, wie die Willi-Bredel-Gesellschaft (Ohlsdorf) und Galerie Morgenland (Eimsbüttel) haben darüber hinaus von einem gesellschaftskritischen und emanzipatorischen Standpunkt ausgehend wertvolle Arbeit zur Geschichte Hamburger Stadtteile vor dem und während des Nationalsozialismus geleistet und mit dafür gesorgt, daß Vieles nicht dem Vergessen anheimfällt.
Jenes Vergessen scheint für die Geschichtspolitik des Senats - nicht unbedingt als Strategie, sehr wohl aber als unbewußt kultivierte Gemütshaltung - konstitutiv zu sein. War da zunächst das Bestreben - weil es billiger ist - die lange geforderte Schließung des Knastes auf dem Gelände des KZ Neuengamme herauszuzögern, so konnte mensch vor einigen Wochen die mit dem Bekenntnis Horakovas zur Eventkultur korrespondierende Illumination des Bismarck-Denkmals am Hafen bestaunen. Die Politik Bismarcks - Repression gegen sozialistische, katholische und polnische "Reichsfeinde", drei Kriege, Beginn deutscher Kolonialpolitik - verschwand dabei hinter den Scheinwerfern, welche den häßlichen Klotz zum Leuchten brachten. Bisher gescheitert ist Horakova mit dem Bestreben, der politischen Konjunktur hinterher laufend, ein 11.September-Antiterrormuseum einzurichten. Beglückt wurde mit diesem Ansinnen das Harburger Helms-Museum, das sich in den vergangenen Jahren mit archäologischen Sonderausstellungen, welche auch gesellschaftliche Hintergründe von Funden beleuchteten, über die Fachwelt hinaus einen Namen gemacht hatte.
Diese Form von Geschichtspolitik kommt nicht aggressiv daher, sie vermeidet es auch, sich in größere inhaltliche Kontroversen mit ihren GegnerInnen zu verwickeln. Stattdessen werden oberflächlich unpolitische, spektakuläre Events veranstaltet, welche auf ihren eigenen Gegenstand entpolitisierend wirken. Eine weiteres angestrahltes Gebäude, die Ausstellung maritimer Artefakte - was soll den schon dabei sein? Etwas mehr wagt mensch sich aus der Reserve, wo Positionen, durch Debatten vorbereitet wurden und Teil des gesellschaftlichen Mainstreams sind - so in der Behandlung des 60jährigen Jubiläums des Bombardierung Hamburgs 1943. Hier scheinen inzwischen die meisten vergessen zu haben, daß die Bomben nicht aus heiterem Himmel fielen, sondern daß dem ein von Deutschland vom Zaun gebrochener Angriffs- und Vernichtungskrieg einschließlich der Bombardierungen von Gernika, Warschau, Rotterdam und Cventry vorausging.
Eine kritische, gerade die jüngere deutsche und hamburgische Geschichte unter die Lupe nehmende Arbeit ist also dringend von Nöten, die Geschichtswerkstätten sind dazu ein wichtiger Bereich, der erhalten werden muß. Den wie George Orwell schon sinngemäß sagte, beherrschen diejenigen die Gegenwart, welche über die Interpretation der Vergangenheit gebieten.