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Sonntag, 26. September 2004, 2:00 Uhr

Klassenkampf statt Volkstumspropaganda!

Der Sozialdemagogie und dem verkürzten Antikapitalismus der Nazis entgegentreten!

der nestscheißer | Ob, und inwieweit dies stimmt, ist fraglich. Jedoch sind derartige Reaktionen nicht ungewöhnlich, betrachtet mensch die Wahlergebnisse im Saarland, Sachsen und Brandenburg und die Akzeptanz, welche faschistische Kräfte angefangen von der Buergerrechtsbewegung Solidaritaet/BueSO, über Schillpartei-Abspaltungen, die NPD und bis hin zu den sogenannten Freien Nationalisten, zu welchen auch der Holsteiner Widerstand zählt, auf einigen Montagsdemos entgegengebracht wird. Derartige Kräfte intensivieren ihre Aktivitäten im sozialpolitischen Bereich und gewinnen damit offenbar mehr Anklang, als mit den Themen, welche eher, wie Geschichtsrevisionismus und NS-Heldengedenken, zur eigenen Identitätsbefestigung dienen . Dabei sollte für unsereins klar sein: Die FaschistInnen sind nicht auf einmal "linker" geworden, sie haben sich nur ein anderes Mäntelchen umgehängt, um ihre menschenverachtenden Inhalte besser unter das "Volk" bringen zu können.

Dies ist auch deutlich an dem im Kreis Segeberg verteilten, mit Arbeit und Brot statt Har(t)zer Kaese! betitelten Flugblatt erkennbar, obwohl einige Passagen fast so wirken, als seien sie einem linken Flugblatt entnommen. Da werden die Folgen von ALG II benannt, wie in einem linksgewerkschaftlichen Flugblatt auf die tariflohndrückenden Auswirkung der 1-Euro-Löhne hingewiesen und sogar die Profiteure dieser Politik als Kapital bezeichnet. Stutzig sollten einen allerdings sofort die eingeforderten Konsequenzen und auch einige Vokabeln wie blutendes Volk und deutsche Arbeiter machen. Gefordert werden neben einem gesetzlichen Mindestlohn und der Wiedereinführung der Vermögenssteuer ein antikapitalistischer Volksstaat, der sich nach den natuerlichen Beduerfnissen und Belangen seines Volkes richtet, eine nationale Volkswirtschaft und die sofortige Ausgliederung der auslaendischen Arbeitskraefte aus der deutschen Sozialversicherung und Abschiebung von Auslaendern, die laenger als drei Monate arbeitslos sind. Übersetzt bedeutet dies: Rassismus und die Errichtung eines am Vorbild des Dritten Reiches orientierten, organizistisch gegliederten, faschistischen Staates.

Mit dem Antikapitalismus der faschistischen Organisationen ist es in aller Regel nicht sonderlich weit her. Zum einen richtet sich diese verkürzte Kritik am Kapitalismus in aller Regel nur gegen oberflächliche, in der Zirkulationssphäre verortete Erscheinungen wie Zinsen und Preisbildung, nicht gegen die grundlegenden Elemente kapitalistischer Verhältnisse als solcher - verallgemeinerte Warenproduktion, Lohnarbeit, Privateigentum an Produktionsmitteln, etc. - einem natürlich-organischen und deutschen, schaffendem Kapital wird ein internationales, unnatürlich-wurzelloses und jüdisches raffendes Kapital als abzulehnend gegenüber gestellt. Selbst der sogenannte "linke Flügel" des Nationalsozialismus um Otto Strasser wollte der Bourgeoisie 51% ihres Eigentums an Produktionsmitteln belassen. Nebenbei ist diese rechte "Kapitalismuskritik" in aller Regel stark personalisierend ausgerichtet; anstatt den Kapitalismus als ein gesellschaftliches Verhältnis zu begreifen, wird "der Kapitalist" als raffgieriges und blutsaugendes Etwas dargestellt - an in der Bevölkerung vorhandene antisemitische Stereotypen anknüpfend. Zum zweiten empfielt es sich, ein Blick darauf zu werfen, was aus dem "Antikapitalismus" des Faschismus wurde, wenn er an die Macht gekommen war. Faschistische Organisationen kamen bisher immer im Bündnis mit den gesellschaftlichen Eliten aus Bourgeoisie und Staatsapparat an die Macht - gegen die gemeinsamen GegnerInnen, nämlich die Linke und die ArbeiterInnenbewegung. Nach 1922 in Italien und nach 1933 zerschlugen die neuen Machthaber die Gewerkschaften vollständig und sanierten somit die Profitraten der Konzerne, die betrieblich wieder als Herr im Hause handeln konnten. Dem von den Rechten vor ihrem Machtantritt umschmeichelten Mittelstand ging es in aller Regel nicht besser sondern schlechter und konnten sich höchstens an enteignetem jüdischen Besitz oder im Zuge des von Nazideutschland angezettelten Zweiten Weltkrieges schadlos halten. Die ArbeiterInnen mußten (und wollten teilweise leider auch) sich, ihrer betrieblichen und gesellschaftlichen Interessenvertretungen, den Gewerkschaften und ArbeiterInnenparteien, beraubt, im Rahmen des organizistischen Staatsaufbaus und des Führerprinzips den Interessen von Staatsführung und Bourgeoisie unterordnen.

In Krisenzeiten wie den gegenwärtigen, wo die Krise auf Grund der dem Kapitalismus innewohnenden Bewegungsgesetze, dem Zwang über die Abschöpfung des von den ArbeiterInnen produzierten Mehrwert Profit zu realisieren oder pleite zu gehen, permanent wird, wo nur noch der Wandel permanent ist, suchen viele - ob Deklassierte oder die Deklassierung Fürchtende - nach Auswegen, viele hoffen auf dasjenige, was unwandelbar und ewig, was Sicherheit verheißend erscheint, und landen bei ideologischen Konstrukten wie der Nation, dem Volk. Gleichzeitig, die Freiheit, selber zum Subjekt zu werden fürchtend, knüpfen sie an vorhandenen reaktionäre Vorstellungen, dass ihre eigene "Entwurzellung" von angeblich "Wurzellosen", den "Agenten der Veränderung" hervorgerufen wird. Diese "Fremden" - seien es Jüdinnen und Juden, andere Nichtdeutsche, Linke, FeministInnen - gilt es, aus dem "Volkskörper" auszuscheiden, damit jeder dort wieder an seinem Platz der "ihm eigenen Bestimmung" nachkommen kann.

Mit derartigen antiemanzipatorischen Kräften kann es daher keinen gemeinsamen Kampf gegen Sozialabbau geben, faschistische und reaktionäre Kräfte gehören aus unseren Demos vertrieben, von Veranstaltungen ausgeschlossen - by any means necessary!. Gleichzeitig ist aber auch im eigenen Agieren eine abgrenzende Vorsicht geboten; dies gilt für eine personalisierende oder verkürzte Kapitalismuskritik wie auch für den Bezug auf die Kategorie Volk, so geschehen durch das Aufgreifen der Parole Wir sind das Volk!. Der Begriff Volk ist nicht unschuldig und meint hierzulande in aller Regel das deutsche Volk, dieser Begriff beinhaltet historisch eine hierarchisch gegliederte Gemeinschaft, in welche nur diejenigen hereingehören, welche deutscher Abstammung sind; die von den rassistischen Gesetzen der BRD oder nach gesundem Volksempfinden als nichtdeutsch angesehenen "ausländischen" KollegInnen und EinwohnerInnen bleiben hier außen vor. Der Kampf gegen Hartz IV und gegen alle anderen Angriffe auf die Lebensbedingungen der ArbeiterInnenklasse muß daher als Klassenkampf geführt werden - als gemeinsamer Kampf von allen, welche gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen um zu überleben. Auch spielt sich dieser Kampf im internationalen Maßstab ab, auch unsere KollegInnen auf der ganzen Welt sind von derartigen Maßnahmen gegen ihre Errungenschaften betroffen. Diejenigen, welche diesen Kampf anhand nationaler Grenzen spalten wollen, schwächen die Gegenwehr, stehen dabei objektiv auf der Seite des Kapitals und stellen eine tödliche Gefahr für diejenigen dar, welche als Nichtdeutsche definiert werden.

Nebenbei: wenn faschistische Ideologien, wenn Antisemitismus und Rassismus Ausdruck kapitalistischer Verhältnisse sind, dann ist das doch ein weiterer guter Grund, diese Zustände zu überwinden und für eine von kapitalistischer und patriarchaler Ausbeutung und Unterdrückung befreiten Gesellschaft zu kämpfen, wo nicht mehr die Profite sondern die Bedürfnisse aller im Mittelpunkt stehen.

Veröffentlicht in Faschismus/Antifaschismus mit den Schlagworten DIE LINKE, Gewerkschaften, NPD