+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Montag, 26. Juli 2004, 2:00 Uhr

Henstedt-Ulzburg beseitigt Wildwuchs

Die Obrigkeit lässt Hecken schneiden

der nestscheißer | Die Gartenzwerge waren aufgerufen, für das Gemeinwohl (welches von niemandem besser als vom Gutsherren verkörpert wurde) zu Heckenschere, Hacke und Sense zu greifen. Freilich sollten sie diese Gerätschaften nicht wie damals anno 1523 dazu benutzen, um dem Gutsherren an den Pelz zu wollen. Nein, fröhlich sollten sie ans Werk gehen, um die Hecken wieder zu der Kastenform zurecht zu stutzen, welche der Gutsherr (und wie dieser zu glauben meinte, auch sein treues Volk) so sehr liebte. Ein altes Pergament wedelnd fügte der gütige Herr noch an, dass sie laut Fronordnung ohnehin dazu verpflichtet seien, im Rahmen ihrer Abgaben diese Arbeit zu machen. An seine Zustimmung zu der Fronordnung konnte sich kein Gartenzwerg mehr erinnern, seitdem anno 1525 der Gutsherr die grünberockten Söldlinge auf den Gutshof gerufen hatte, als die Wichtel mit ihren Sensen, Schubkarren und Gieskannen drohend klappernd dorthin gezogen waren, interessierte sich auch kaum einer noch dafür, was rechtens war und was nicht.

Nicht das der Gartenzwerg nicht zuweilen einmal murrte, beim Bier am Stammtisch oder wenn der Weizenkorn auf der Kirchweih wieder einmal reichlich geflossen war, dann kamen auch schon einmal Klagen auf. Schnell erinnerten sich aber alle, dass der Gutsherr soviel Gutes für sie tat. Er gab ihnen an Festtagen einen Schnaps zu trinken, vertrat ihre Interessen (welche und gegenüber wem hatten die Zwerge längst vergessen) und, was am wichtigsten war, er beschützte sie vor den Krokodilen, welche in dem Fluss lebten, der in der Nähe des Gutshofes vorbeifloss. Seitdem der Gutsherr regierte (niemand erinnerte sich, dass es einmal anders war) hatte es kein Krokodil gewagt, die Ländereien des Guts zu betreten, die gefährlichen Tiere waren, so sagte der Gutsherr, auf Grund seiner Macht und Stärke so verängstigt, dass sie es nicht einmal wagten, aus dem dunklen Wasser des Flusses aufzutauchen. Die Zwerge wiederum hielten sich an das Gebot ihres Herren, sich nicht dem Flusse zu nähern (oder gar zu durchschwimmen), um die Krokodile nicht aufzuschrecken.
Gerne erinnerte sich jeder Gartenzwerg auch an die prächtigen Zeremonien, welche zwar nicht verstanden wurden aber sehr ansehnlich waren: die Blaskapelle, welche einmal jedes Jahr im Herbst zwischen einigen alten Steinen spielte oder wenn im Frühjahr die Verwalter anderer Gutsherren in ihren prächtigen Uniformen durch Henstedt-Ulzburg geführt wurden, um zu lernen, wie ein Gut effektiv und weise von einer strengen aber führsorgenden Obrigkeit verwaltet wird. Schön ist es hier, denkt sich ein Jeder.

Nachdem der Gutsherr seine Proklamation verlesen hatte lächelte er zufrieden. Und kurz darauf drang das Klappern von Heckenscheren an sein Ohr. Der Untertan hatte begonnen sich an die Arbeit zu machen, Brennnesseln wurden herausgerissen, die eben noch unförmigen Hecken begannen wieder die vertraute Kastenform anzunehmen. „Morgen braucht ihr für mich nicht arbeiten!“ rief der Gutsherr zufrieden. Die Zwerge lächelten ebenfalls zufrieden, als sie die gute Nachricht vernahmen. Morgen ist übrigens Sonntag.

Inspiriert durch einen Artikel aus der Norderstedter Zeitung vom 26.07.04

Veröffentlicht in Kommunalpolitik mit den Schlagworten Henstedt-Ulzburg, Norderstedt