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Sonntag, 1. Juni 2014, 12:54 Uhr

"Er hat sich für Quickborn erschießen lassen ..."

Wenn der Tod nicht genug ist: CDU und FDP lehnen Platzbenennung nach ermordetem Kommunisten ab

Stolperstein für Paul Warnecke, Aufschrift: "Von SA erschossen, 5.3.1933"

Der 2009 verlegte Stolperstein für Paul Warnecke (Foto: Infoarchiv)

Olaf Harning | Mit den Stimmen von CDU und FDP hat es die Ratsversammlung in Quickborn (Kreis Pinneberg) am Montagabend abgelehnt, einen städtischen Platz nach dem 1933 dort ermordeten Kommunisten Paul Warnecke zu benennen. Weil die Union bei ihrem Gegenantrag unachtsam vorging, heißt der nun streng genommen wieder "Horst-Wessel-Park".

Horst Wessel oder Paul Warneck

Horst Wessel, einfach: Birkenwäldchen oder Paul Warnecke? Um den Namen dieser Grünfläche entwickelte sich in Quickborn eine intensive Diskussion - mit skurrilem Zwischenergebnis (Foto: Infoarchiv)

Obwohl sich der örtliche Kulturausschuss zuvor ohne Gegenstimmen für den Namen Warnecke ausgesprochen hatte, setzte die CDU im Rat einen Gegenantrag durch, der lediglich die Installation einer Hinweistafel vorsieht und einen nie umgesetzten, früheren Beschluss des Gemeinderates zur Umbenennung aufhebt. Letzteres hat skurrile Folgen.

Der 19-jährige Paul Warnecke hatte sich in der Nacht zur Reichstagswahl vom 5. März 1933 an Patrouillen einer »Häuserschutzstaffel« beteiligt, um die Wohnungen der kommunistischen Gemeindevertreter Julius Stubbe und Johannes Schwank vor Angriffen der SA zu schützen. Um Repressalien vorzubeugen, war die Gruppe unbewaffnet, als sie in einer Grünanlage nahe des Wohnhauses der Familie Stubbe gegen 2.30 Uhr auf eine Streife der Nationalsozialisten traf. Gleich mehrere Schüsse wurden auf die flüchtenden Kommunisten abgegeben, Warnecke dabei tödlich getroffen. Während die Landjäger anstatt des SA-Schützen Gustav Jeske nun KPD-Mann Stubbe festnahmen, meldete Landrat Johann Justus Duvigneau am nächsten Morgen an den Regierungspräsidenten: »Die Ruhe und Sicherheit in Quickborn ist wieder hergestellt.« Den Ort des Mordes benannte man wenig später nach Horst Wessel.

Initiative auf Spurensuche

 

Im Jahre 2007 gründeten eine Reihe geschichtsinteressierter Bürger die Initiative Selbstbewusstes Quickborn, nachdem die örtliche Volkshochschule eine Vortragsreihe zur NS-Geschichte des Ortes mit der Begründung abgelehnt hatte, es gebe dafür zu wenig Interesse. In der Folge organisierte man die Vorträge einfach selber und musste die Veranstaltung wegen des großen Zuspruchs am Ende ein zweites Mal auflegen.

 

Inzwischen arbeitet die etwa zehnköpfige Gruppe parallel an mehreren Projekten: Während im Quickborner Himmelmoor mit dem Henri-Golstein-Haus ein Ort von Zwangsarbeit wieder sichtbar gemacht wird und ein Stolperstein-Projekt an die Nazi-Opfer der Stadt erinnert, bemüht man sich mit dem Online-Portal Spurensuche Pinneberg, die NS-Geschichte der gesamten Region in mahnender Erinnerung zu halten. Forderungen, wie die Benennung des "Birkenwäldchens" nach Paul Warnecke, sind eine Art Nebenstrang dieser Arbeit.

 

Die ISQ setzt sich zum Teil aus kommunalpolitisch Aktiven, wie Jens-Olaf Nuckel (SPD) und Sabine Schäfer-Maniezki (Grüne) zusammen, aber auch aus politisch bisher unbeleckten Interessierten. "Prominentestes" Mitglied ist Margarethe Degenhardt, Witwe des 2011 verstorbenen Liedermachers Franz Josef Degenhardt.

Nach Kriegsende begann in Quickborn zwar die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen, doch während die örtliche Hitler-Straße zügig umbenannt- und der Todesschütze zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde, ging ein anderer Beschluss des Gemeinderats offenbar unter: Einstimmig hatten sich dessen 19 Mitglieder, darunter acht Christdemokraten, am 23. April 1946 für die Umbenennung der Grünanlage in »Paul Warnecke-Platz« ausgesprochen. Doch außer der Demontage der alten Schilder geschah bis heute nichts. Für die geschichtspolitische Initiative Selbstbewusstes Quickborn (ISQ) Grund zum Handeln: Schon im Februar 2009 hatte die Gruppe einen Stolperstein für Warnecke verlegen lassen, seit einigen Monaten nun fordert sie die Umsetzung des einstigen Beschlusses - unterstützt von der SPD, den Grünen und auch Bürgermeister Thomas Köppl (CDU): »Die Arbeit der Initiative schätze ich sehr«, sagte er dem Infoarchiv im Vorfeld der Abstimmung, das gelte auch »ausdrücklich für den Antrag zur Umbenennung«.

Allein: Seine eigene Partei sieht das anders. So sprach sich die CDU zwar für eine Hinweistafel zum Gedenken an Warnecke aus. Für einen Straßennamen aber, erläutert Fraktionschef Klaus H. Hensel, erwarte die CDU, dass die Person »etwas Positives für die Gemeinschaft geleistet hat«. Und das sei bei dem 19-jährigen Warnecke doch noch »ein bisschen wenig« gewesen. Außerdem fragt sich die Union, warum denn der Beschluss des Jahres 1946 nicht umgesetzt wurde: »Dafür wird es einen Grund gegeben haben«, vermutet Hensel. Argumente, die Köppl ratlos zurücklassen: »Warnecke hat sich für Quickborn erschießen lassen«, sagt er, es gebe Dinge, die müsse man einfach nicht diskutieren. Auch der Historiker Jörg Penning, auf dessen Forschungsarbeit sich die ISQ und ihre Projekte wesentlich stützen, kann Hensel nicht folgen: »Das ist bitter«, kommentierte er unmittelbar nach der Ratssitzung am Montag die gescheiterte Namensgebung, und: »Dass Warnecke dem NS-Staat etwas entgegengesetzt hat, dass er versuchte, Andere vor Übergriffen zu schützen, das müsste doch eigentlich Leistung genug sein.«

Beendet ist die Diskussion mit der Abstimmung also nicht. Erst recht nicht, weil die Christdemokraten mit der Aufhebung des Beschlusses von 1946 versehentlich auch den davor gültigen Namen reaktiviert haben dürften. Streng genommen heißt der Platz jetzt wieder »Horst-Wessel-Park«.