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Samstag, 29. November 2014, 10:37 Uhr

Doppeltes "Nein" aus Kiel

Zuständigkeitsgerangel behindert Entschärfung der Schleswig-Holstein-Straße

"Tempo 60"-Schild an der Schleswig-Holstein-Straße

Schon jetzt ist die Höchstgeschwindigkeit auf manchen Abschnitten der Schleswig-Holstein-Straße auf 60 km/h begrenzt. Geht es nach Stadtverwaltung und Bündnisgrünen, soll Tempo 60 künftig auf der gesamten Unfallstrecke gelten - bewehrt durch mehrere, fest installierte Radaranlagen (Foto: Infoarchiv)

Olaf Harning | Die Antwort aus Kiel ist deutlich: Keine Ampel! keine Verkehrsüberwachung für Norderstedt! Auch nach dem jüngsten Horror-Crash auf der Schleswig-Holstein-Straße sieht Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) keinen unmittelbaren Handlungsdruck. Und die zuständigen Behörden brauchen vor allem Eines: Ganz viel Zeit für Lösungen.

Windlichter vor einem Baum, nächtliche Straßenszene

Gedenken an Unfallopfer: Vor einem Baum am Schauplatz des jüngsten Unglücks haben Unbekannte drei Windlichter aufgestellt - vermutlich Angehörige der Opfer (Foto: Infoarchiv).

Sie wirken verloren, die drei Windlichter, die Angehörige der jüngsten Unfallopfer da vor einem Baum am Rande der Schleswig-Holstein-Straße aufgestellt haben. Nur wenige Meter entfernt war am 8. November ein 625 PS starker Sportwagen in den Gegenverkehr geraten und ungebremst mit einem Kleinwagen zusammengeprallt. Beide Fahrer starben.

Nun war das bekanntlich nicht der erste schwere Unfall auf der L 284 und nicht zum ersten Mal wird überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache vermutet. Auf einem nur etwa sechs Kilometer langen Teilstück zwischen dem Knoten Ochsenzoll und dem Gewerbegebiet Oststraße sind seit Oktober 2012 acht Menschen gestorben, selbst Kai Hädicke-Schories stellte deshalb nach dem jüngsten Crash fest, dass sich die Schleswig-Holstein-Straße zu einer Art regionaler Rennstrecke entwickelt hat: Für "Spritztouren mit schnellen Autos", so der Verkehrsexperte der Norderstedter Polizei, sei die freie Strecke hinter dem Ochsenzoll-Tunnel "geradezu ideal." Man könne nicht länger von der Hand weisen, dass hier Fahrer unterwegs seien, die mit ihren Wagen "etwas demonstrieren wollen." Bislang hatte sich Hädicke-Schories eher zurückhaltend geäußert, wenn über die Sicherheit auf der Nord-Süd-Trasse debattiert wurde.

Schwerer Unfall auch in Garstedt

 

Auch auf der Niendorfer Straße ist im November ein Mensch bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Etwa in Höhe der Tesa-Baustelle kam hier am 14. November ein 23jähriger mit seinem Mercedes von der Fahrbahn ab und prallte frontal auf einen entgegenkommenden Opel Zafira. Dessen 57jähriger Fahrer starb noch an der Unfallstelle, Fahrer und Beifahrerin des Mercedes wurden schwer verletzt. Die Unglücksursache blieb zwar zunächst unklar, allerdings wollen Zeugen gesehen haben, dass der Unfallfahrer zu schnell gefahren sei und dabei noch ein Mobiltelefon in der Hand gehalten habe.

Schon nach den letzten beiden Unfällen im Dezember und Februar war die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kieler Landtag, Eka von Kalben, nach Norderstedt geeilt und hatte zusammen mit örtlichen Parteifreunden Geschwindigkeitsbegrenzungen und eine zusätzliche Ampel an der Einmündung "Am Exerzierplatz" gefordert. Die befürwortet auch die Stadt Norderstedt, hat sogar schon entsprechende Haushaltsmittel bereitgestellt. Doch für Landesstraßen zuständig ist nun einmal Kiel und obwohl von Kalben inzwischen schon zum zweiten Mal gemeldet hat, der dortige Minister sei „willig, die Sache anzugehen", gibt es sieben Monate und einen Horrorcrash später noch immer keine Bewegung. Ganz im Gegenteil: Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) lässt dementieren: „Anders, als es in Medienberichten den Anschein erweckt“, so sein Sprecher Harald Haase, habe er „nie eine Ampel-Lösung zugesagt“. Es sei irritiert, dass von Kalben ständig etwas nach Norderstedt melde, was sie "in irgendwelchen Gesprächen gehört" habe. Auch eine Übertragung der Verkehrsüberwachung auf die Stadt Norderstedt lehnt Meyer nach wie vor ab. Die nämlich obliegt laut Zuständigkeitsverordnung des Landes dem Kreis Segeberg und seiner Polizeidirektion und wird laut Haase auch wahrgenommen.

Begrenzungspfahl mit Polizei-Absperrband am Unfallort, im Hintergrund ein LKW

Der Unfallort: Zwei Tage nach dem jüngsten Crash zeugte nur noch das Flatterband der Polizei davon, dass hier zwei Menschen gestorben sind (Foto: Infoarchiv).

Ob es allerdings ausreicht, was die ferne Kreisstadt bislang unternommen hat, scheint mehr als fraglich: „Selten“ antwortet beispielsweise Polizeisprecherin Silke Westphal, wenn man danach fragt, wie oft zuletzt an der Schleswig-Holstein-Straße „geblitzt“ wurde. Schließlich seien die Unfallursachen unterschiedlich gelagert und „über 90 Prozent der Autofahrer“ hielten sich an die Vorgaben. Viel mehr als Unfallanalysen und die „Prüfung der Fahrbahnbeschaffenheit“ haben Kreis und Polizei deshalb nicht unternommen.

Der Stadt Norderstedt ist das spätestens nach den Unfalltoten sieben und acht zu wenig: Trotz eines "Nein" des zuständigen Landesbetriebs Verkehr setzte Hans-Joachim Grote jetzt das Genehmigungsverfahren zum Bau der Ampel in Gang. Außerdem spricht sich der Oberbürgermeister für eine durchgängige Einführung von Tempo 60 und die Installation von vier bis fünf festen Radaranlagen aus. An ähnlichen Brennpunkten, so der Oberbürgermeister, habe man mit solchen Maßnahmen gute Erfahrungen gemacht.

Bleibt abzuwarten, ob die Signale in der Landeshauptstadt gehört werden. Minister Meyer jedenfalls dämpft Hoffnungen auf eine schnelle Lösung, auch wenn er die jüngste Unfallserie mit Sorge beobachte. Es komme jetzt darauf an, so der Minister, „mit kühlem Kopf die Ursache des jüngsten Unfalls zu analysieren und sich dann mit Experten zusammenzusetzen, um geeignete Maßnahmen zu finden.“ Außerdem will sich Meyer noch im Jahresverlauf selbst ein Bild von der Unfallstrecke machen.