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Donnerstag, 21. August 2003, 2:00 Uhr
Die Offene Jugendarbeit wird zerschlagen - der Protest formiert sich !
Stadtverwaltung und CDU Norderstedt: Jugendkulturcafé soll zum 1. September schließen
Olaf Harning | Und sowas geht schnell in Amtszeiten Bürgermeister Grotes: Während Parteifreund - und Skandal-Direktor der Stadtwerke - Volker Hallwachs fleißig städtische Gelder in VIP-Plätze der AOL-Arena investieren darf, folgt schon zum ersten September der erste Schlag gegen die Offene Jugendarbeit. Das überregional bekannte Jugendkulturcafé schließt - wenn auch zunächst nur im Bereich der Offenen Jugendarbeit. Dass die "Struktur" indes noch weit rabiater "angepasst" werden soll, wird unter anderem in folgendem Wortlaut des Verwaltungsantrages deutlich: "An anderer Stelle und bei weiterer Personalreduzierung werden die Leistungen der Jugendarbeit weiter konzentriert".
Konzentriert werden soll dabei allem Anschein nach nicht nur das Angebot an die Jugendlichen der "jungen, wachsenden Stadt" (Eigenwerbung), sondern auch das Personal. Während der Angriff auf sogenannte "freiwillige, soziale Leistungen" der Stadtverwaltung in Zeiten einer absoluten, christdemokratischen Mehrheit wohl kaum verwundern kann, sorgt die Vorgehensweise der Verantworlichen dann doch für kopfschüttelndes Aufsehen.
So wurde die Verwaltung erst Ende Mai dieses Jahres per Ausschuss-Beschluß aufgefordert, ein Konzept für die Neuordnung der Jugendarbeit auf Basis der angespannten Finanzlage der Kommune zu erarbeiten. Dieses Konzept jedoch, dem bundesweiten Kürzungs-Wahn entsprechend "Jugendarbeit 2010" genannt, soll dem "Ausschuss für junge Menschen" erst Anfang November vorgelegt werden, die Schließung des Kulturcafés Aurikelstieg erfolgt also in so etwas, wie einer sonnigen Laune der Verwaltung und ohne jeden konzeptionellen Unterbau.
"Macht nichts", mögen sich Bürgermeister Hans-Joachim Grote und seine emsige Verwaltung gedacht haben, denn für sie scheint das Ziel auch ohne nachgeschobenes Konzept lange klar. Schon seit April nämlich läuft in Norderstedt der schleichende Personalabbau in der Jugendarbeit. Am ersten jenen Monats und leider nicht als Aprilscherz ließ man zunächst die Stelle der "Regionalleitung Mitte" auslaufen, am 1. Juli folgte eine ErzieherInnenstelle in Glashütte, weitere 1,75 Stellen (Behördendeutsch) sind in Kürze vakant und werden nicht neu besetzt. In diesem Zusammenhang betrachtet, reiht sich die Schließung des JuKuCa also eher in einen laufenden Prozeß ein, der lediglich erst dieser Tage wirklich sichtbar wird.
Trotz der bedrückenden Geschwindigkeit, mit der die Schließung des Hauses vorangetrieben wird, hat sich bereits wenige Tage nach der zunächst maßgeblichen Jugendausschuss-Sitzung überraschend heftiger Widerstand formiert. Jugendliche BesucherInnen des JuKuCa malten Transparente und organisierten eine kleine Demonstration vor das Norderstedter Rathaus. Dort gerieten dann selbst recht erfahrene KommunalpolitikerInnen der CDU ins Schwimmen, als sie den Jugendlichen erklären wollten, warum die kommenden Schritte notwendig seien. Immer wieder argumentierten sie dabei auch mit der Halbwahrheit, dass man ja nicht über eine vollständige Schließung des Hauses entschieden hätte, sondern vielmehr die Musikarbeit im JuKuCa belassen würde. Zwei halbe- anstatt zweieinhalb Stellen sollen demnach ab dem 1. September für die Kontinuität der Musikarbeit sorgen. Dass eben jene - mittlerweile überregional bekannte - Arbeit allerdings kaum ohne die Offene Jugendarbeit überleben wird, ließen die DiskutantInnen lieber unerwähnt.
Von den Betroffenen indes ist bei aller Empörung niemand wirklich darüber verwundert, dass beim Streichkonzert der Verwaltung ausgerechnet das JuKuCa den schwersten Schlag abbekommt: Das Haus ist zahlreichen - vor allem konservativen - KommunalpolitikerInnen seit jeher ein Dorn im Auge und tauchte in nahezu jeder Diskussion um die Kosten der "freiwilligen" Jugendarbeit quasi automatisch als erste Möglichkeit der Einsparung auf.
Hintergrund hierfür ist einerseits die eher alternative Geschichte der Einrichtung, denn hier trafen sich in den frühen 90er Jahren nicht nur die Antifa Norderstedt oder AbschiebegegnerInnen, auch das Häuserplenum wurde in den Räumen des JuKuCa aus der Taufe gehoben und verließ die Einrichtung erst nach Besetzung und Durchsetzung des Sozialen Zentrums. Zudem bildet die intensive Musikarbeit der jetzigen "Besatzung" eine Besonderheit. Seit über 10 Jahren finden hier Konzerte junger, meist regionaler Bands statt, die sonst kaum Auftrittsmöglichkeiten in Norderstedt haben. Viele der heutigen Bandmitglieder machten ihre ersten musikalischen Schritte in den Räumen an der Ecke Ulzburger Straße / Aurikelstieg, die Bands speisten sich dabei nicht selten aus dem parallel laufenden offenen Betrieb der Einrichtung. Dass diese Form der Jugendarbeit nicht allzuviele AnhängerInnen bei den verstaubten Konservativen hat, liegt förmlich auf der Hand und die komfortable, absolute Mehrheit der CDU verschafft ihnen lang erhoffte Möglichkeiten.
Die erfreulich anwachsenden Proteste gegen die Zerschlagung der Jugendarbeit in Norderstedt haben bereits erste KommunalpolitikerInnen ins Wanken gebracht, andere sind in Erklärungsnot geraten. Jetzt dürfte es in den nächsten Wochen darauf ankommen, ob die Proteste anhalten und eher noch an Intensität zunehmen. Schon an der spontanen Demonstration von rund 40 Jugendlichen am 21. August vor dem Rathaus beteiligten sich auch einige ehemalige NutzerInnen, die Kunde von der Schließung hatte sich unter anderem auf dem diesjährigen Schall&Rauch-Festival wie ein Lauffeuer verbreitet. Es geht halt um die Wurst - und letztlich um weit mehr als das JuKuCa.