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Freitag, 27. Juni 2003, 2:00 Uhr

CDU will "Säuberung" des öffentlichen Raumes

De-Gasperi-Passage: Die Penner sollen weg

Info Archiv | Das Ergebnis der Debatte stand eigentlich schon vor der Entscheidenden Abstimmung fest: Gegen die Stimmen von SPD, Bürgerpartei und Grün Alternativer Liste (GALiN) nutzte die Norderstedter CDU ihre absolute Mehrheit in der Stadtvertretung und beschloss mit den zwei Stimmen der FDP ihren zuvor gestellten Antrag. Demnach wird jetzt ein "Einziehungsverfahren nach § 8 des Straßen- und Wegegesetzes (StrWG)" in Gang gesetzt, um anschließend die öffentlichen Flächen der De-Gasperi-Passage zwischen der Karstadt-Filiale und der Glitzerwelt des Herold-Centers zu privatisieren. Dazu heißt es in dem CDU-Antrag: "Der Bürgermeister wird gebeten, nach einem erfolgreichen Abschluss des Einziehungsverfahrens die betreffenden, sich im Eigentum der Stadt Norderstedt befindlichen Flächen zu veräußern (...)".
Zwar fügten die ChristdemokratInnen diesem Antragstext noch an, dass sicherzustellen sei, dass auch künftig Stände politischer Parteien oder kulturelle Veranstaltungen dort unverändert stattfinden könnten - glauben tut dies indes kaum jemand.
So protestiert dann auch die GALiN energisch gegen die Pläne: "Die CDU betreibt schon seit mehr als 20 Jahren die Privatisierung dieser Flächen (...). Während in den 80er Jahren die politischen Gruppen und die Friedensinitiative störten, sind es heute die Menschen, die an der berühmten Säule ein Bier trinken und nach Auffassung von Karstadt und Co den Umsatz beeinträchtigen."
Tatsächlich hatte die CDU schon vor rund 20 Jahren Schritte eingeleitet, die politischen Gruppen das Aufbauen von Info-Ständen untersagte und dies mit feuerschutzrechtlichen Bedenken begründet. Warum die Stadt damals jedoch ebenfalls untersagte gewerbliche Stände duldete, konnte niemand so recht beantworten. In den 80er Jahren scheiterte der Versuch der ChristdemokratInnen schließlich an den massiven Protesten von Betroffenen, eine entsprechende Kampagne wurde unter anderem von der Bürgerinitiative Umweltschutz, dem Bund Westdeutscher Kommunisten, dem DGB, den Grünen, der DKP und der Liberalen Fraktion des Jürgen von Kaufmann unterstützt. In einem Flugblatt formulierten diese Gruppen damals: "Der Streit um diese Passage ist fast so alt, wie Norderstedt selbst. Nachdem hier in den 70er Jahren reges politisches Leben und Treiben herrschte, wurden Stände Ende des Jahrzehnts verboten und vor die Tür geschickt. Anfang der 80er Jahre wieder zugelassen, versuchten die privaten Hilfsscheriffs der ECE-Werbegemeinschaft des Herold-Centers ständig Druck auf Organisationen und kleine Straßenverkäufer zu machen, so z.B. gegen den DGB, als er zum September 1982 einen Stand zum Antikriegstag machte."
Heute scheint sich die CDU mit ihrer Forderung weitgehend unbemerkt durchzusetzen. Erst vor wenigen Monaten forderten Geschäftsleute des Herold-Centers (Info Archiv berichtete) energisch die Vertreibung der Obdachlosen aus "ihrem" Center. Was folgte, waren wochenlang empörte LeserInnenbriefe in der "Norderstedter Zeitung", die beinahe unisono das Aufenthaltsrecht der Betroffenen in der De-Gasperi-Passage forderten. SPD und GALiN, sogar die Bürgerpartei schlagen jetzt in eine ähnliche Kerbe. Anette Reinders von der Grün Alternativen Liste zur geplanten Vertreibung: "Die GALiN lehnt den Beschlussvorschlag der CDU in allen Punkten ab. Soziale Probleme lassen sich nicht mit dem Hausrecht lösen. "Eigentum verpflichtet" heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes. Im gleichen Artikel ist nachzulesen, dass Enteignungen nur zum Wohle der Allgemeinheit vorgenommen werden dürfen. Im Umkehrschluss könnte man zu der Erkenntnis kommen, dass Privatisierungen nicht einzelnen Geschäftsinteressen zu dienen haben, sondern ebenfalls das Wohl der Allgemeinheit berücksichtigen müssen."
Aber auch etwas anderes treibt Reinders um. Sie befürchtet, dass trotz der Versicherungen im CDU-Antrag künftig die Verbreitung kritischer Inhalte aus dem Center verdrängt werden könnte: "Nach dem Beschlussvorschlag der CDU soll sicher gestellt sein, dass die Flächen auch zukünftig von kulturellen Veranstaltungen, Ausstellungen oder politische Parteien genutzt werden können. Es fragt sich allerdings, wer das kontrolliert und ob nicht im Falle eines Falles kommerzielle Interessen den Vorrang haben werden. So kann man sich schlecht vorstellen, dass im Weihnachtsgeschäft die PDS eine Genehmigung für einen Infostand erhält, wenn gleichzeitig die Firma Karstadt einen Außenverkauf dort durchführen möchte." Eines dürfte aber nach Auffassung von Stadtvertreterin Anette Reinders sicher sein: die CDU wird zukünftig immer die besten Plätze bei der Standvergabe bekommen - schließlich muss Lobbyarbeit auch honoriert werden !

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Anette Reinders, CDU, FDP, GALiN, Norderstedt, SPD