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Sonntag, 30. Juni 2013, 23:48 Uhr

Als auf der Siemershöh die Dämme brachen

In den 60er Jahren klopfte Langenhorn an die Tür zum Profi-Fußball

Gruppenbild der 60er-Jahre-Fußballer, Juni 2013

Die Langenhorner Fußballer der 60er Jahre. Hintere Reihe, zweiter von rechts: SCALA-Vize Fred Menkhoff (Foto: Sport-Mikrofon)

Olaf Harning | Noch 2007 sprach man mit Blick auf Hamburgs Norden von "fußballerischer Bedeutungslosigkeit", jetzt hat Hamburgs höchste Spielklasse sie wieder, die Kicker aus "L.A.". Grund genug, auf die ruhmreiche Vergangenheit des TSV Langenhorn zurückzublicken.


Eine Spielszene Anfang der 1960er Jahre: Hans-Werner Steen köpft, links Helmut Wiedemann, rechts Manfred Ladewig. Man beachte die prall gefüllten Ränge ... (Foto: Privatsammlung Ladewig)

Es war eine illustre Gruppe, die sich da Mitte Juni zu ihrem Jahrestreffen auf dem Langenhorner Sportplatz Siemershöh zusammenfand. Hatten die rund 20 Männer doch in den 60er Jahren jene Mannschaft gebildet, die den TSV Langenhorn zuerst in die höchste Hamburger Spielklasse - und dann sogar in Richtung Regionalliga schoss.

Begonnen hatte das Abenteuer in der Saison 1960/61 mit dem Aufstieg in die Amateurliga Hamburg, vergleichbar mit der heutigen Oberliga. Zwar war der Verein schon 1950 einmal in Hamburgs höchste Spielklasse aufgerückt, damals jedoch gleich wieder abgestiegen. Der zweite Anlauf verlief bedeutend erfolgreicher: Schon in ihrer ersten Saison erreichte die junge Mannschaft einen hervorragenden zweiten Platz. Auch das anschließende Entscheidungsspiel gegen den punktgleichen TSV Uetersen, vor 7.000 Zuschauern auf neutralem Platz ausgetragen, verlor sie nur knapp mit 0:1. Und damit nicht genug: 1965 qualifizierte sich Langenhorn als Tabellendritter für die Deutsche Amateurmeisterschaft, 1967 als Vizemeister erstmals für die Aufstiegsrunde zur Regionalliga - damals die höchste Spielklasse unterhalb der jungen Bundesliga. Nachdem das Team um Torhüter Rudolf Wiedemann, Verteidiger Peter Stock, „Läufer“ Holger Steeg und Spielmacher Martin Stäcker noch am siebten Spieltag mit 4:10 Punkten den drittletzten Rang bekleidet hatte, gelang ihr eine sagenhafte Aufholjagd, an deren Ende der zweite Tabellenplatz stand.

Ausschnitt aus dem Hamburger Abendblatt

Der Hamburger Meister 68/69 wird gefeiert: Auszug aus dem Hamburger Abendblatt (Scan: Sport-Mikrofon)

Fred Menkhoff (79), heute „Vize“ im Verein, war damals Liga-Obmann der "Schwarz-Weißen", sagte dem Hamburger Abendblatt vor Beginn der Relegation: „Die Vorbereitungen für einen eventuellen Aufstieg sind getroffen. Der Verein ist finanziell gesund.“ Zur Vorbereitung der Aufstiegsspiele wurden an der Siemershöh die Zuschaueraufgänge erneuert, sogar die Installation von Sitzplätzen war angedacht. Den Umzug in ein größeres Stadion lehnte Menkhoff hingegen ab, man setzte auf den „Platzvorteil“. Genützt hat das wenig: Nach einer 1:3-Auftaktniederlage bei Phönix Lübeck schossen Rainer Maas und Holger Steeg den TSV zwar vor 3.000 Fans zu einem 2:1 gegen den 1. FC Wolfsburg, anschließend aber verspielte das Team von Trainer Günther Rutz jede Aufstiegschance. Ähnlich verliefen auch zwei weitere Anläufe Richtung Regionalliga, obwohl sich der TSV 1969 und 1970 als bis dato einziger Club zweimal in Folge die Hamburger Meisterschaft gesichert hatte. So etwa 1969 durch ein 6:1 im letzten Saisonspiel der inzwischen zur „Landesliga“ umbenannten Spielklasse beim ebenfalls aufstiegswilligen VfL Pinneberg. Das Hamburger Abendblatt schwärmte tags darauf: „Die Mannschaft spielte sich in der zweiten Halbzeit in eine überragende Form“. Spätestens jetzt war der Verein auch für namhafte Spieler wie Rolf Gronau interessant, der 1968 von den Grashoppers Zürich zurück nach Hamburg geholt wurde. Dorthin war er zuvor vom SC Victoria gewechselt.

Die Abschlusstabelle der "Landesliga" 1968/69

Die Abschlusstabelle der "Landesliga" 1968/69 (Abendblatt)

Auch im Pokal war der TSV Langenhorn nun erfolgreich und zog 1968 als einziger Amateurverein in die erste Hauptrunde des DFB-Pokals ein. Obwohl man hier das Kunststück fertigbrachte, sich ausgerechnet den benachbarten Regionalligisten SC Sperber zulosen zu lassen (unterschiedliche Lostöpfe waren noch unbekannt) - das Spiel am 5. Januar 1969 ging als „großer Tag für Langenhorn“ in die Annalen ein. 3.500 Fans wollten das jetzt von Herbert Kühl (heute Ehrenpräsident bei Concordia) trainierte Team sehen, Menkhoff beklagte sogar Ausschreitungen: „Viele Zuschauer sind umsonst auf den Platz gekommen, weil sie mit Gewalt die Tore aufgebrochen haben.“ Sportlich siegte letztlich die Routine und Langenhorn musste nach einem knappen 1:2 mit ansehen, wie Sperber in Runde zwei der amtierende Deutsche Meister aus Nürnberg zugelost wurde. Den "Raubvögeln" gelang übrigens in Alsterdorf ein gefeiertes 0:0, erst das nach einem Unentschieden damals übliche Entscheidungsspiel in Nürnberg brachte schließlich ein standesgemäßes 7:0 für den Meister.

Saisonstart

 

Bereits am letzten Juli-Wochenende starten die Langenhorner Kicker mit einem Pokalspiel beim drei Klassen tiefer spielenden Walddörfer SV in die Saison 2013/14. Am 4. August wird´s aber auch in der Oberliga ernst, wenn SCALA an der Siemershöh Mitaufsteiger SV Blankenese empfängt. Spielbeginn ist 14 Uhr.

Was von dieser Zeit bleibt, sind viele Erinnerungen und eine Gegenwart, die hoffen lässt. Nachdem der Verein, jetzt als SC Alstertal-Langenhorn, 2002 bis in die Kreisliga abgestürzt war, gelang den Verantwortlichen der mühsame Wiederaufbau – und im Mai 2013 der fast märchenhafte Aufstieg in die Oberliga Hamburg. Noch in der Winterpause hatte der junge Trainer Oliver Kral (32) bei großem Rückstand zur Spitze Platz vier als Ziel ausgegeben, schaffte dann aber am vorletzten Spieltag den Sprung auf den zweiten Rang. Auch beim Jahrestreffen der 60er-Jahre –Kicker war das ein lebhaft diskutiertes Thema.

 

Der Artikel wurde vergangene Woche zunächst im "Sport-Mikrofon" veröffentlicht - in einer leicht gekürten Fassung.