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Freitag, 2. Dezember 2011, 12:24 Uhr

Baudezernent widerspricht ADFC und eigenem Betriebsamt

Weiter Streit um Winterdienst

Der Radweg an der Ochsenzoller Straße im Dezember 2010

Der Radweg an der Ochsenzoller Straße im Dezember 2010. Rechtlich betrachtet, hätten RadlerInnen hier auf die Straße ausweichen müssen.

Olaf Harning | Auch rund zwei Wochen nach der jüngsten Sitzung des Norderstedter Umweltausschusses hat sich die Aufregung um den dort abgelehnten Winterdienst auf den Haupt-Radrouten der Stadt noch nicht gelegt. Dabei hat sich die Debatte inzwischen auf Äußerungen von Baudezernent Thomas Bosse (parteilos) verlagert, der während der Stadtvertretersitzung am 22. November behauptete, dort würde bereits überwiegend Winterdienst geleistet.

Zwar sei auf den meisten Abschnitten der Hauptrouten nicht die Stadt räumpflichtig, dafür aber die AnwohnerInnen, so Bosse in seiner Antwort auf die Fragen von Norderstedts ADFC-Chef Rolf Jungbluth. Der hatte sich eigentlich an die Fraktionen in der Stadtvertretung gewandt und reagierte entsprechend überrascht auf die Stellungnahme Bosses - zumal sie inhaltlich offenbar falsch ist: Erst vor wenigen Wochen hatte das dem Baudezernenten unterstehende Betriebsamt der Stadt in einer Stellungnahme recht unzweideutig festgestellt, dass von den rund 91 Kilometern der Hauptrouten für Fahrräder gerade einmal 32 von der Stadt geräumt werden. Die AnwohnerInnen hingegen sind weder aktuell räumpflichtig, noch können sie zukünftig zum Winterdienst auf separaten Radwegen verpflichtet werden, das ist juristisch unmöglich. Dabei geht es dem ADFC, der alleine in Norderstedt immerhin fast 400 Mitglieder vertritt, insbesondere um die Kinder: Um sich rechtlich korrekt zu veralten, müssten sie bei Schnee nämlich - wie erwachsene RadlerInnen auch - auf der Straße fahren, oder ihr Rad auf den mehr oder weniger geräumten Gehwegen schieben. Werden RadfahrerInnen hingegen auf frei geräumten Bürgersteigen in einen Unfall verwickelt, sind sie mehr oder minder automatisch schuldig - zumindest im juristischen Sinne.

Rolf Jungbluth

Rolf Jungbluth

Doch nicht nur der ADFC ist verärgert, auch bei den PolitikerInnen von GALiN, SPD und LINKEN sowie zahlreichen BürgerInnen herrscht nach wie vor Unverständnis über die Entscheidung des Umweltausschusses. Zudem ist man vereinzelt über die ebenso engagierte wie inhaltlich falsche Stellungnahme des Baudezernenten irritiert. Die Position der FDP sorgt indes für Kopfschütteln: Die hat nämlich auch in der Stadtvertretung noch einmal betont, dass der abgelehnte Winterdienst ohnehin einen viel zu kleinen Teil des Radwegenetztes erfasst hätte. Da man aber die "große Lösung" nicht finanzieren könne, lehnen die Liberalen gleich jegliche Schneeräumung für die RadlerInnen ab - eine zumindest erklärungsbedürftige Logik.

In den letzten Tagen kam der allgemeine Ärger über das "Nein" zum Winterdienst derweil auch verstärkt in den Leserbrief-Spalten zum Ausdruck: Während Manche, wie NZ-Leser Peter Stüber feststellten, dass viele Menschen schlicht kein Auto besitzen und auf das Rad als Verkehrsmittel angewiesen sind, erinnerte Daniel Graf - ebenfalls in der Norderstedter Zeitung - daran, dass nicht nur RadlerInnen auf einen effektiven Räumdienst angewiesen sind: "Neben Radlern, Rollstuhlfahrern sind auch Kinderwagen ein Opfer, wenn die Wege nicht geräumt werden würden. So viel zum Thema umweltbewusste, familienfreundliche und behindertengerechte Stadt! Alle Daumen runter!" Graf schlägt deshalb vor, dass sich alle Stadtvertreter für zwei Tage in einen Rollstuhl setzen - unter anderem an einem Winterdienst auf Strecken ohne Räumdienst. Dirk Hendress unterstrich in seinem Beitrag hingegen die fehlende Räumpflicht der Anlieger: Die bestehe nun einmal nicht, daher würden sich CDU und FDP zu Untrecht auf die Straßenreinigungssatzung und ein vermeintliches Fehlverhalten von Anliegern berufen, gegen das lediglich vorgegangen werden müsse.

Vielleicht hat ja ADFC-Sprecher Jungbluth zumindest eine gangbare Übergangslösung gefunden - quasi eine Notlösung, bis sich auch Union und Liberale zum Radverkehr bekennen: Im Rahmen seiner Fragen an die Fraktionen der Stadtvertretung erinnerte er nämlich an die autonome Entscheidung des Oberbürgermeisters im Frühjahr 2010, wegen der anhaltend vereisten Straßen Asphaltfräsen einzusetzen. 96.000 Euro hat diese Aktion damals gekostet, und damit mehr als zweieinhalb mal so viel, wie der Winterdienst auf den Hauptradrouten insgesamt pro Jahr kosten würde. Eine solche Geste könnte Hans-Joachim Grote (CDU) natürlich theoretisch auch in Richtung der Radler dieser Stadt machen - und die Wege im Falle eines strengen Winters per Dekret räumen lassen.