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Donnerstag, 11. Oktober 2012, 21:02 Uhr

Hamburg und sein eigentümlicher Umgang mit dem Öffentlichen Raum

Bitte nicht setzen!

Olaf Harning | Schon seit Jahren fällt (aus-)ruhebedürftigen HamburgerInnen auf, dass in der Hansestadt kaum ein Fleckchen zu finden ist, an dem man sich für ein paar Minuten bequem setzen und den Blick schweifen lassen kann. Das Hamburger Abendblatt ist diesem Phänomen einmal nachgegangen - mit einem erstaunlichen Ergebnis.

Bei seinen Recherchen nämlich stieß Redakteur Matthias Rebaschus auf eine Art "stille Übereinkunft" zwischen Städeplanern, Architekten und wohl auch Politik, keine bequemen Sitzgelegenheiten im Öffentlichen Raum anzubieten. Was sich in einer Touristik-Metropole zunächst anhört, wie die Mutter aller Planungsfehler, erfolgt bei näherem Hinsehen mit Bedacht: Einladende Örtchen im Freien, so der Gedanke, locken eben nicht nur Touristen, Gehbehinderte und die nette Hamburgerin von nebenan, sondern auch - ohjeh: Obdachlose, Randständige oder gar Trinker. Und weil das so gar nicht geht, kommt man in Hamburg eben nicht auf den Gedanken, deren Zahl durch sozialpolitische Prozesse gering zu halten, sondern ... eben keine einladenden Orte mehr zu schaffen. Konkret heißt das: Bänke mit Rückenlehne werden schon seit Jahren nicht mehr aufgestellt, ungeplante Sitzflächen mit metallischen Pyramiden oder sonstigen spitzen Figuren verbaut und selbst der HVV hat seine neuen Haltestellen absichtlich mit "Sitzgelegenheiten" ausgestattet, auf denen man nicht lange sitzen mag.

Einmal davon abgesehen, dass sich hier ein Menschenbild offenbart, das man im Jahre 2012 zivilisatorisch überwunden haben sollte, ist es natürlich hinreichend unintelligent, wegen des Ausschlusses einer verhältnismäßig kleinen Bevölkerungsgruppe die gesamte Stadt möglichst abweisend zu gestalten. Vor allem das ist wohl auch der Grund, warum im benachbarten Norderstedt mit dem Öffentlichen Raum grundlegend anders verfahren wird. Schon seit den 80er Jahren und insbesondere seit Planung und Bau des Stadtteils Norderstedt-Mitte bemüht man sich hier, Parks und Plätze möglichst einladend zu gestalten, viele bequeme Sitzgelegenheiten und vor allem: zahlreiche Spielplätze zu schaffen. Ebenfalls eine Art stillschweigende Vereinbarung, die nicht unwesentlich auf Jochen Ahl zurückgeht. Der war in Norderstedt über Jahrzehnte für Spielplätze und Grünzüge verantwortlich und in dieser Funktion stets bemüht, nicht abgeschottete, kleine Plätze zu schaffen, sondern den Öffentlichen Raum als "zusammenhängenden Erlebnisraum für Kinder zwischen 0 und 100 Jahren" zu gestalten. Selbst Baudezernent Thomas Bosse, sozusagen "zweiter Mann im Staate", agiert in diese Richtung und plant zur Zeit, entlang des nördlichen Teils der Ulzburger Straße zahlreiche zusätzliche Bänke aufzustellen und damit weitere Orte zum Verweilen zu schaffen. Mitten in der Stadt - und das mit Lehnen!