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Dienstag, 17. Januar 2012, 21:45 Uhr

Hamburger Versorgungsamt bietet Beratung und Entschädigung

Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder

Infoarchiv Norderstedt | Aus einem Bundesfonds in Höhe von 120 Millionen Euro sollen ehemalige Heimkinder entschädigt werden, die zwischen 1949 und 1975 in einem staatlichen Kinderheim untergebracht- und dort Misshandlungen ausgesetzt waren. In Hamburg können sich Betroffene seit dem 2. Januar an das städtische Versorgungsamt wenden.

Damit setzt die Sozialbehörde die Ergebnisse eines "Runden Tisches" zum Thema "Heimerziehung" um, der vor einigen Monaten in Berlin tagte. Die Entschädigungen sollen vor allem Sachleistungen wie etwa Therapiekosten umfassen, um Folgeschäden von Misshandlungen wie Essenszwang, Isolation, sexuelle Übergriffe, Redeverbot oder Schläge zu mildern. Außerdem ist der Ausgleich von Rentenausfällen sowie die Entschädigung erzwungener Arbeit in den Heimen möglich.

Zwischen 1949 und 1975 lebten in Deutschland etwa 800.000 Kinder über mehr oder weniger lange Zeiträume in Heimen. Während bundesweit 70 bis 80 Prozent dieser Heimkinder in kirchlichen Einrichtungen untergebracht waren, betraf das in Hamburg und Schleswig-Holstein "nur" 30-40% der Heimkinder - hier wurden die meisten Einrichtungen staatlich organisiert. Da Kindererziehung bis in die 70er Jahre hinein auch in den Familien verbreitet mit körperlicher Züchtigung und seelischer Grausamkeit einherging und das Personal der Kinderheime meist miserabel bezahlt und hoffnungslos unterbesetzt war, gehörten nicht selten drakonische Strafen und Demütigungen zum "Erziehungsstil" der Einrichtungen. Tausende Kinder wurden in den Heimen traumatisiert und für das Leben "gezeichnet". Auch im ehemaligen Kinderheim Hamburg-Langenhorn soll es in den 60er und 70er Jahren zu Übergriffen gekommen sein, das Gebäude wurde später als Flüchtlingsunterkunft genutzt und erst kürzlich in komfortable Mietwohnungen umgewandelt. Es liegt heute in der neu angelegten Straße Bärenhof.

In der Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder im Versorgungsamt Hamburg, im 10. Stock der Adolph-Schönfelder-Straße 5, können sich Betroffene nun beraten lassen und bis zum 31. Dezember 2014 Anträge auf Entschädigung stellen. Spechzeiten sind Montag und Donnerstag von 8-16 Uhr sowie nach Vereinbarung. Telefonisch ist die Beratungsstelle unter 040 - 428 637 171, bzw. - 7166, per Mail unter heimkinder@basfi.hamburg.de erreichbar.

 

4 Kommentare zu diesem Artikel

04.02.2012, 14:33 Uhr AnonymousEntschädigung? Wo?

In Ihrem Beitrag schreiben Sie von „Entschädigungen“ für ehemalige Heimkinder in Westdeutschland. Ich bin ganz baff und erschrocken, weil mir diese Kenntnisse gar nicht vorliegen. Ich bin stets davon ausgegangen, dass die westdeutschen Heimopfer keine Entschädigungen erhalten. Wurde Ihnen vielleicht ein geheimes Papier des „Runden Tisches Heimerziehung“ oder des Bundestages zugesteckt? Hat Frau Ministerin von der Leyen, die sich 2008 kategorisch gegen eine Entschädigung ausgesprochen hat (https://www.taz.de/!28571/) eine Kehrtwendung vollzogen und entschädigt nun über geheime Kanäle? Selbstverständlich müssen Sie uns Ihre Informanten nicht nennen. Dennoch ist es für die Opfer von Gewalt und Terror in den Heimen wichtig, von Ihnen bzw. dem Beitragsautor zu erfahren, auf welche Wege sie diese Entschädigung erhalten, wo sie diese abholen können. Wir sehen Ihrer Antwort mit Spannung entgegen.
Oder bezieht sich der Autor gar auf den Abschlussbericht des „Runden Tisches Heimerziehung“ (RTH)? Dann hat er sehr schludrig recherchiert. Auf Seite 32, Punkt „2. Forderung der ehemaligen Heimkinder“ müsste er gelesen haben, wie sich die Opfer eine „Entschädigung“ vorstellen: Neben der Rehabilitierung und Einrichtung von Stützpunkten für Heimopfer wünschen sie sich als Entschädigung eine materielle Anerkennung in Form von Lohnersatzzahlungen UND Schmerzensgeld. Seit Jahren fordern sie in diesem Zusammenhang eine Opferrente von 300 Euro monatlich oder eine einmalige Ausgleichszahlung (S. 33 links). In Kapitel 3 müsste er gelesen haben, dass diese Forderungen mit windigen Argumenten abgeschmettert wurden. Prof. Dr. Manfred Kappeler, Sozialwissenschaftler, der in Ihrem Sender zur Thematik oft zu Wort kam, hat diese Betrügereien analysiert. Darum lehnt die Mehrheit der Heimopfer die Empfehlungen des RTH in Bausch und Bogen ab. Sehen Sie hierzu die durchgeführten Abstimmungen des „Vereins ehemaliger Heimkinder“ und des Pfarrers i.R. Dierk Schäfer.

21.01.2012, 6:05 Uhr Anonymous"Entschädigungfonds"

Mein Vorredner hat Recht: Egal wie oft es in den Medien behauptet wird: es wird keine Entschädigungen geben für ehemalige Heimkinder.

Eine Entschädigung ist nämlich eine geldwerte Leistung, dazu angetan, die Folgen von erlittenem Leid an Körper und Psyche zumindest annähernd auszugleichen. Bei einer Entschädigung wird NICHT nach dem aktuellen Einkommen der geschädigten Person gefragt, sondern nach dem Leid.

Für die Überlebenden deutscher Kinderheimhöllen wird es einen Rentenausgleich für den gestohlenen Lohn und die nicht bezahlten Sozialbeiträge geben.

Für die unter uns, die heute an oder unter der Armutsgrenze leben, soll es noch weitere "Hilfen" geben. Sachleistungen. Vom Kochbuch bis hin zum Stützstrumpf. Vom Bademantel für die Krankenkassenkur bis hin zur Hilfe bei der Aktenbeschaffung.

Für die, die über Hartz IV oder Grundsicherung liegen, gilt wahrscheinlich, dass dann wohl doch alles nicht so schlimm gewesen sein kann...

Für alle gilt: Ohne Unterschrift unter eine legal dubiose und eher sittenwidrige Verzichtserklärung geht gar nichts. Und Niedersachsen macht schon mal den Vorreiter bei einer weiteren Erklärung, die unterschrieben werden muss: da muss nämlich der Anlaufstelle eine weitgehende Schnüffelgenehmigung ausgestellt werden, um damit "bei behandelnden Ärzten, Behörden und Sozialleistungsträgern und gleichgestellten Stellen geführte(n) Unterlagen" abzugreifen. Und gleich noch eine Entbindung der Schweigepflicht des Arztes dazu.

Tja, die Transparenz, die dem Herrn Wulff und seinen Vasallen nicht abzutrotzen ist - hier wird sie ganz leicht beschafft. Ist ja auch eine andere Liga, ökonomisch gesehen.

18.01.2012, 14:25 Uhr Infoarchiv Norderstedt"Dritte Macht"

Hallo Anonymous!

Sie überschätzen die "dritte Macht", vor allem unsere. Das Infoarchiv ist ein ehrenamtliches Projekt, das bemüht ist, von Ungerechtigkeit und sozialer Ungleichheit Betroffene in den Mittelpunkt von Berichterstattung zu stellen. Daher war uns die Meldung über die "Entschädigung" ehemaliger Heimkinder wichtig, damit die Möglichkeiten vielen Betroffenen bekannt werden.

Konkret haben wir allerdings vor allem die Pressemeldung der Hamburger Sozialbehörde übernommen und die um ein paar Zahlen und die Information erweitert, dass es auch in Langenhorn ein (städtisches) Kinderheim gab. Dass Entschädigungen immer zu gering sind, um individuell ertragenes Leid zu "entschädigen", ist bittere Wahrheit. Das heißt aber nicht unbedingt, dass man die nun beschlossenen Hilfen nicht so benennen darf.

So oder so sind wir an Ihrer Meinung in dieser Frage sehr interessiert und zwar konkreter, als das in einer Kommentarspalte möglich ist. Deshalb bitten wir um eine Mail an die Adresse info@infoarchiv-norderstedt.org, wobei wir in jeder Form Vertraulichkeit zusichern.

Mit freundlichen Grüßen,

Olaf Harning

für die Redaktion

 

18.01.2012, 10:32 Uhr AnonymousEntschädigung für Heimkinder

Nicht umsonst spricht man von der dritten Macht der Medien.
Solange die Medien nicht ordentlich recherchieren, bevor sie veröffentlichen, haben die Medien ihre Berechtigung verloren.
Eine Entschädigung für missbrauchte Heimkinder wird es nicht geben und war von Anfang an so gewollt.
Siehe Stellungnahme in der ARD von der Von der Leyen.
Wenn sie einmal googlen bei Entschädigung werden sie erkennen was ich meine.
Ich bin aber der Meinung, dass sie genau wissen was ich meine, denn ich habe noch keinen dummen Journalisten getroffen