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Dienstag, 24. Juli 2012, 22:08 Uhr

Bundesverfassungsgericht verwirft Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes

111 Euro für die Teilhabe

Infoarchiv Norderstedt | Dieses Urteil war überfällig: Am 18. Juli ist die bisherige Fassung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) vor dem Bundesverfassungsgericht in Bausch und Bogen durchgefallen. Folge: Alleine im Kreis Segeberg erhalten 465 Flüchtlinge jetzt jährlich 320.000 Euro mehr.

Bisher regelte das AsylbLG, dass Asylbewerber nach ihrer ersten Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung für einen Zeitraum von vier Jahren lediglich Leistungen erhielten, die rund 40 Prozent unterhalb des Existenzminimums lagen - und das neben einem faktischen Arbeitsverbot und der erst 2011 gelockerten Residenzpflicht. Die Betroffenen waren deshalb mehr oder weniger gezwungen, ihre Tage innerhalb oder in der Nähe ihrer Unterkunft zu verbringen - sprich: dort herumzulungern. Die Teilnahme am öffentlichen Leben war ihnen aufgrund des fehlenden Geldes und des Arbeitsverbots fast unmöglich, die Residenzpflicht verhinderte oft sogar die Teilnahme an Sprachkursen.

Kein Wunder, dass der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein über das Urteil hocherfreut ist: „Wir begrüßen den Beschluss aus Karlsruhe, dass die Summe der Leistungen angehoben werden muss“, so Sprecherin Andrea Dallek. „Perspektivisch fordern wir aber die Aufhebung des AsylbLG, denn zu einem menschenwürdigen Leben gehört nicht nur eine entsprechende Summe Geld, sondern auch die Selbstbestimmung, wofür es ausgegeben wird.“ Und Mona Golla von der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für MigrantInnen in Schleswig-Holstein ergänzt: „Wenn zusätzlich die ausländerrechtlichen Arbeitsverbote für Flüchtlinge aufgehoben werden, würden die Sozialkassen entlastet. Dann könnten die Betroffenen sich selbst versorgen und müssten weder Asylbewerberleistungen noch Arbeitslosengeld II zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragen.

Auch Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders (GALiN) begrüßt das Urteil. Dass ein allein lebender, erwachsener Asylbewerber künftig 336 statt bisher 225 Euro im Monat erhält, ist für sie ein Schritt zur Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben. Erst die mögliche Aufhebung des Arbeitsverbotes jedoch würde ihrer Meinung nach bewirken, dass die Betroffenen nicht neben der übrigen Gesellschaft "herleben". Übrigens: Flüchtlinge, gegen deren Bescheid noch Rechtsmittel laufen, können die erhöhten Leistungen rückwirkend ab Anfang 2011 einklagen.