+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Freitag, 30. Mai 2003, 2:00 Uhr

Wieder schwere Vorwürfe gegen Stadtwerke !

Wie lange ist Hallwachs noch tragbar ?

Olaf Harning | Die "Norderstedter Zeitung" (NZ), Regionalbeilage des Abendblattes, hatte sich bereits im vergangenen Jahr überraschend dem Enthüllungsjournalismus zugewandt, als das zuvor eher unpolitische Blatt den als "geheim" eingestuften Prüfungsbericht (RPA-Bericht) für das Jahr 2000 en Detail veröffentlichte. Damit brachte die Zeitung unter Chefredakteur Günther Hormann einen Stein ins Rollen, der bis heute nicht zum Stillstand gekommen ist.
Als eine Folge der mutigen Berichterstattung nahm schließlich die Kieler Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, die im November 2002 schließlich in einer Großrazzia mit fast 100 PolizeibeamtInnen ihren vorläufigen Höhepunkt fanden. Bei den Stadtwerken und in zahlreichen Wohn- und Büroräumen "befreundeter" Geschäftspartner beschlagnahmten die BeamtInnen kiloweise Akten. Während die Ermittlungen in Kiel laut Oberstaatsanwalt Uwe Wick immer noch andauern, wurde der Staatsanwaltschaft jetzt auch der Prüfungsbericht für das Jahr 2001 übergeben.
Darin führt das Rechnungsprüfungsamt wiederum schwere, möglicherweise gesetzeswidrige Vergehen an. Neben einem Geflecht undurchsichtiger "Aufwandsentschädigungen", "Zulagen" und ähnlichen Leistungen für MitarbeiterInnen der Stadtwerke, geht es dabei finanziell mitunter auch deftig zur Sache: Laut Norderstedter Zeitung sollen die Stadtwerke trotz früherer Beanstandungen erhebliches Engagement bei ihrer Tochtergesellschaft "wilhelm.tel" gezeigt haben. So seien von der Telefongesellschaft verursachte Kosten "nicht korrekt weiterberechnet" und stolze 54 MitarbeiterInnen eingestellt worden, die tatsächlich überwiegend für wilhelm.tel tätig waren - zu Lasten Norderstedter Strom-, Gas- und Wasserkunden, versteht sich.
Mit 77.000 Mark war das städtische Unternehmen auch erneut bei der Bewirtung überaus großzügig. Das erstaunt erst recht, wenn bei den "Arbeitsessen" häufig die "Geschäftspartner" fehlten, die Stadtwerke-MitarbeiterInnen also laut Norderstedter Zeitung in "ihrem Stammlokal unter sich" blieben.
Noch teurer war demnach das finanzielle Engagement des Unternehmens für den Fernsehsender "noa 4": Mehr als 2,5 Millionen Mark sollen an das externe TV-Unternehmen geflossen sein, während ebenfalls zum wiederholten Mal Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergaben zu verzeichnen waren. Wie bereits in seinem Bericht für 2000, kritisierte das Rechnungsprüfungsamt auch diesmal wieder, dass bei geringen Besserungen "der Wettbewerb" von den Stadtwerken "nur unzureichend beachtet" worden sei.
Stadtwerke-Chef Volker Hallwachs scheint derweil weiterhin seine privaten Hobbies mit der Politik des städtischen Unternehmens zu verquicken: Während Norderstedter Vereine, die sich eher dem Breitensport verpflichtet sehen, mit lediglich 500 Mark "gefördert" wurden, sollen an die damalige Oberliga-Mannschaft des 1. SC Norderstedt mehr als 400.000 DM geflossen sein. Dabei erwähnenswert: Hallwachs hatte vor einigen Jahren höchstpersönlich Ambitionen auf den Vorsitz beim SCN. Weniger verwunderlich die Vergünstigungen, die man sich regelmäßig gönnte: Stadtwerke und Arriba-Schwimmbad buchten für über 70.000 Mark VIP-Plätze in der AOL-Arena. Wer am Ende dort gesessen hat, konnte laut Norderstedter Zeitung bislang nicht geklärt werden.
Nach all diesen Geschäftsgebahren scheinen die Stadtwerke mittlerweile sogar Probleme mit der Liquidität zu haben. Laut RPA-Bericht konnten mehrere Zahlungen nicht mehr termingerecht geleistet werden, so stundete Bürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) dem Unternehmen Abschlagszahlungen auf Gewinn und Abwassergebühren in Höhe von fast 5 Millionen Mark - mithin Geld, das dem Norderstedter Kommunalhaushalt durchaus fehlen dürfte. Das Rechnungsprüfungsamt: "Die Frage nach der Zahlungsfähigkeit der Stadtwerke stellt sich in diesem Zusammenhang".
Unter dem Strich dürfte die drängenste Frage jetzt sein, warum eine Unternehmensleitung, die bereits im Jahre 2000 offenbar nicht in der Lage war, die Stadtwerke seriös und womöglich sogar legal zu führen, auch heute noch fest im Sattel sitzt. Insbesondere Bürgermeister Grote hatte sich bis zuletzt immer wieder schützend vor die Verantwortlichen der Skandale gestellt und auch die Norderstedter CDU-Fraktion äußerte - wenn überhaupt - nur sehr zögerlich Kritik an der Stadtwerke-Führung. Die von der Norderstedter Zeitung jetzt erneut aufgedeckten Unregelmäßigkeiten sollten ausreichen, um die offenbar überforderten Verantwortlichen abzulösen.
Bleibt nur die Ahnung, dass genau dies nicht passieren wird. In den vergangenen Tagen berichteten wir bereits mehrfach von den Versuchen der Norderstedter ChristdemokratInnen, die Stadtwerke im Schnellverfahren zu privatisieren. Möglicher Hintergrund: Präzise Prüfungen, wie sie städtische Betriebe über sich ergehen lassen müssen, finden bei Privatunternehmen schlicht nicht statt. Sollte die geplante Umwandlung der Stadtwerke in eine "Stadtwerke AG" also in Kürze erfolgen, könnten die Verantwortlichen künftig ihre sonderbaren Geschäftsgebahren in aller Ruhe fortsetzen.

Veröffentlicht in Kommunalpolitik mit den Schlagworten CDU, Hans-Joachim Grote, Norderstedt, Polizei, Stadtwerke