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Donnerstag, 19. Juli 2001, 2:00 Uhr

"Weil der Bürgermeister es so will"

oder: Vom Verschwinden einer Ausstellung

Infoarchiv Norderstedt | Am Tag nach der Eröffnung wollte eine interessierte Norderstedterin die Ausstellung besuchen, mußte jedoch erstaunt feststellen, daß diese verschwunden war. Daraufhin informierte sie die Verasnstalterinnen der Ausstellung. Es stellte sich heraus, daß die Stellwände mit den von KünstlerInnen entworfenen Plakaten in den buchstäblich hintersten Winkel des Rathauses, in die Räume der Volkshochschule im 3. Stock, verbracht worden waren. Nach einem zähen Gerangel um Informationen, in dem den Veranstalterinnen von verschiedenen Verwaltungskräften als Begründung zunächst nur "Weil der Bürgermeister es so will!" genannt wurde, lieferte die Stadt im Laufe des Tages gleich zwei einander widersprechende Erklärungen für die Verbannung der Ausstellung aus dem Blickfeld der RathausbesucherInnen.

Die erste Version wurde von Herr Evers, zuständig für Stadtmanagement und Öffentlichkeitsarbeit, noch am Mittag des gleichen Tages mitgeteilt: Es sei grundsätzlich nicht möglich - behauptete er - im FORUM des Rathauses politische Ausstellungen zu zeigen. Bürgermeister Grote habe als Verwaltungsleiter das Hausrecht und stütze sich mit dieser Anordnung auf die Nutzungsordnung des Rathausforums. Es handele sich also um keine politische, sondern eine ausdrücklich verwaltungsrechtliche Entscheidung. Die genaue Klausel der Nutzungsordnung, um die es ging, konnte Herr Evers jedoch nicht benennen (was auch nicht möglich ist, da eine Klausel, die politische Ausstellungen im Rathausforum verbietet, gar nicht existiert).

Als die Veranstalterinnen ihn darauf hinwiesen, daß es durchaus schon politische Ausstellungen im FORUM gegeben habe, erwiderte er, daß diese dann wohl übersehen worden seien.

Fakt ist jedoch, daß schon bei der Anmeldung die politische Aussage deutlich wurde und die schriftliche Genehmigung ausdrücklich für den Bereich der Rathauspassage erteilt wurde. Gerade weil ersichtlich war, daß es sich um eine politische Austellung handelt, informierte sich die zuständige Verwaltungskraft noch einmal telefonisch über den Hintergrund der Ausstellung, besichtigte diese während des Aufbaus am Montag morgen und fand keinen Grund zur Beanstandung, da die Ausstellung nicht gegen die Nutzungsordnung des Rathausforums verstoße.

Herr Evers war sichtlich damit überfordert, diese Widersprüche zu erklären.

Am späten Nachmittag erhielten die Veranstalterinnen dann die zweite, offizielle Begründung von Herrn Evers. Die Ausstellung, gab er bekannt, könne nicht im Eingangsbereich des Rathauses stattfinden, da sie die Interessen der Stadt Norderstedt beeinträchtige. Auf die Frage der Veranstalterinnen von der Fantifa Norderstedt, inwieweit denn die Interessen der Stadt durch eine solche Ausstellung beeinträchtigt würden, antwortete Evers ganz unbedarft, es handele sich bei der Lufthansa um einen wichtigen Kooperationspartner der Stadt Norderstedt. Der Feststellung, es sei also eine politisch-wirtschaftliche Entscheidung getroffen worden, stimmte Evers mit einem knappen "genau" zu und fuhr dann fort, die Lufthansa AG sei ein bedeutender Gewerbesteuerzahler, Arbeitsplätze hingen von ihr ab. Es gehe um dass Wohl der Bürger der Stadt. Das Entscheidungsgremium, zu dem neben Bürgermeister Grote (CDU) auch SPD-Stellvertreter Freter und Volkshochschul-Chef Werner Hutterer (auch Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen Volkshochschulen) zählten, habe sich am gleichen Tag nochmals zusammengesetzt und will sich die Entscheidung nicht leicht gemacht haben.

Rechtlich bezog sich das Gremium nun auf eine Klausel in der Nutzungsordnung des FORUMS, welche besagt, daß "eine Veranstaltung abgelehnt oder gekündigt werden kann, wenn die Interessen des FORUM durch die Veranstaltung beeinträchtigt werden können." Auf die Bemerkung, dies sei doch ein Widerspruch, da der neue Stellplatz der Ausstellung in den Räumen der VHS ebenfalls zum FORUM gehöre, antwortete Evers: "Das ist ein Widerspruch, ganz klar."

Der Balanceakt der Stadt Norderstedt, einerseits als Marionette des Lufthannsakonzerns zu funktionieren und andererseits nicht mit den Ausstellungsveranstalterinnen vertragsbrüchig zu werden, um eine unliebsame Öffentlichkeit zu vermeiden, indem sie keine klare Kündigung aussprachen, die Plakatstellwände jedoch in das Stille Kämmerlein verlegten und die Nutzungsgebühr erließen, wird nicht gelingen.

Auch wenn es der kapitalistischen Logik entspricht, dass wirtschaftliche Interessen maßgebend sind und wie in diesem Fall vor das Recht auf freie und kritische Meinungsäußerung gestellt werden , grenzt es an Unverschämtheit oder Dummheit, dies so offen zuzugeben.

Während die Lufthansa als Reiseunternehmen noch immer den Prestigeverlust fürchtet, wenn, wie auf der letzten Aktionärsversammlung, ihre Rolle als Handlanger der oftmals tödlichen Abschiebepolitik öffentlich thematisiert wird, scheint`s, dass Grote und Co. sich von keinem

Imageschaden bedroht sehen, wenn sie sich freiwillig zum Kasper eben dieses Großkonzerns machen.

Wir fordern die sofortige Rückverlegung der Ausstellung an ihren vertraglich zugesicherten Standort !

Wir lassen uns den Mund nicht verbieten und werden weiterhin klare Position beziehen gegen die rassistische Asylpolitik und menschenverachtende Abschiebepraxis. Zu deren Handlanger macht sich nicht nur die Lufthansa AG, sondern ebenso die Stadt Norderstedt, die ihre Unterschrift unter die Nutzungsverträge des Abschiebegefängnis Glasmoor auf dem Gelände der gleichnamigen Hamburger Justizvollzugsanstalt setzt. Ebendort befinden sich derzeit 12 Flüchtlinge im Hungerstreik, um auf ihre verzweifelte Situation aufmerksam zu machen.

SOLIDARITÄT MIT DEN SICH IM HUNGERSTREIK BEFINDENDEN GEFANGENEN DES ABSCHIEBEKNAST GLASMOOR!

BLEIBERECHT FÜR ALLE !

KEIN MENSCH IST ILLEGAL!

Veröffentlicht in Faschismus/Antifaschismus mit den Schlagworten Antifa, CDU, Norderstedt, Schleswig-Holstein, Schule, SPD