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Samstag, 17. Januar 2004, 1:00 Uhr

Verzweiflungstat gegen das Arbeitsamt

Kürzungsopfer nach Drohanrufen festgenommen

Olaf Harning | "Der Countdown läuft. Freitag liegt das Arbeitsamt in Trümmern !" Mit diesen Worten soll ein 59 Jahre alter Quickborner mehrfach telefonisch MitarbeiterInnen des Norderstedter Arbeitsamtes bedroht haben, nachdem ihm das Arbeitslosengeld gekürzt worden war.
Immer häufiger enthalten SachbearbeiterInnen der umstrittenen Behörde den Betroffenen die ihnen zustehenden Mittel vor. Nicht selten wird dabei unsauber gearbeitet: Die Arbeitsämter greifen zu Lügen und Unterstellungen, um an den Ärmsten zu sparen.
Beispiel Bau: Regelmässig "vermitteln" Arbeitsämter Maurer oder Zimmerleute in Jobs, die nicht nur untertariflich, sondern gar unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns bezahlt werden. Wenn die Betroffenen daraufhin völlig zu Recht die angebotene, illegal entlohnte Arbeit ablehnen, kürzen ihnen dieselben Ämter die zustehenden Leistungen, weil sie eine angeblich "zumutbare Arbeit" abgelehnt hätten. Ein fast schon kriminelles Vorgehen genau der Behörde, die gerne mal Dutzende Millionen für Imagekampagnen oder Sanierungsarbeiten der Chef-Etage aus dem Fenster wirft. Gleichzeitig weigert sich die Bundesanstalt für Arbeit in aller Regel, nachweislich illegal operierende Dumpinglohnbetriebe vom Markt zu nehmen, wie u.a. am Beispiel des sogenannten "Berliner Bogens", einem Bauprojekt in der Hansestadt nachzuweisen ist.
Unsauber auch die Zusammenarbeit mit sogenannten "privaten Arbeitsvermittlern": Hier entpuppen sich die Vermittler nicht selten als unlautere Geschäftemacher, die nach einem Blick in die Bild-Zeitung und einem Telefonat das Vermittlerhonorar kassieren. In einem Fall aus dem letzten Jahr wurde beispielweise ein Gärtner aus Hamburg zu einer Firma geschickt, die ihm gar nicht erst irgendeinen Lohn zahlen wollte.
Das "Hamburger Abendblatt" berichtete in seiner Wochenendausgabe von solchen Vorwürfen gegen das Arbeitsamt der Hansestadt: Während das Beispiel einer Firma dokumentiert wird, die nach Monaten immer noch Zuschüsse für einen Beschäftigten erhält, der bereits Monate nicht mehr für den Betrieb arbeitet, berichtet eine junge Frau von der Kürzung ihres Arbeitslosengeldes um 1050 Euro - die Hartz-Gesetze lassen grüßen. Angeblich hatte sie sich nicht rechtzeitig arbeitlos gemeldet. Nur weil die Betroffene ihr Besucherkarte aufbewahrt hatte, konnte sie das Unrecht beweisen.
Übrigens: Auch in Norderstedt arbeitet das Arbeitsamt mit einer sogenannten "Personal Service Agentur" (PSA) zusammen, in diesem Fall mit der Firma "Mikro-Partner". Nach Inkrafttreten der Hartz-Gesetze I und II sind Arbeitslose schon ab dem ersten Monat ihrer Arbeitslosigkeit gezwungen, bei einer solchen Zeitarbeits- und damit Ausbeuter-Firma zu arbeiten, und zwar zu fast jeder Bedingung. Insbesondere ältere Arbeitnehmer sind von den Einschnitten betroffen, sie rutschen künftig nach spätestens 18 Monaten in das sogenannte "Arbeitslosengeld II" auf Sozialhilfeniveau und müssen im Zweifelsfall zudem ihren mühsam erarbeiteten Besitz verkaufen, weil sie nur noch wenige tausend Euro besitzen "dürfen", um anspruchsberechtigt zu bleiben.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, dass sich nicht nur ein Gedemütigter bei seinen SachbearbeiterInnen rächen will. Die Arbeitsämter sollten sich auf den Zorn der Bestohlenen vorbereiten.

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten Norderstedt