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Mittwoch, 8. Juli 2015, 16:18 Uhr

Verneigung vor Wolfgang Erdmann

IG Metall, DKP und Jungheinrich-Belegschaft trauern um langjährigen Betriebsrat

Transparente: "Wir sind Jungheinrich, aber ohne uns ist Jungheinrich nichts".

"... aber ohne uns ist Jungheinrich nichts!" - Tarifaktion im Norderstedter Jungheinrich-Werk, 90er Jahre (Foto: privat).

Infoarchiv Norderstedt | Zuletzt ging es ganz schnell: Am 3. Juli ist der langjährige Jungheinrich-Betriebsrat und IG Metall-Gewerkschafter Wolfgang Erdmann einer schweren Krebserkrankung erlegen. In den 90er und 2000er Jahren hatte er die Tarifpolitik beim Gabelstapler-Hersteller maßgeblich mitbestimmt.

Mann mit Brille und Bart, in Hemd und roter Krawatte vor seinem Schreibtisch.

Wolfgang Erdmann (✝), Foto: BR

Kaum ein Konflikt in der Metallbranche, in der Erdmann und die Jungheinrich-Belegschaft nicht an vorderstedter Front agiert-, kaum ein Thema, das Betriebsrat und Vertrauensleute im Unternehmen nicht lautstark mitdiskutiert hätten. Als Betriebsrat im Friedrichsgaber Werk, als Mitglied des Gesamtbetriebsrats und schließlich als Konzernbetriebsratsvorsitzender hatte Erdmann entscheidenden Anteil an der Kampfbereitschaft der Jungheinrich-Belegschaft, setzte mit präzisen Analysen und Hintergrundtexten zudem immer wieder inhaltliche Akzente.

"Mit ihm haben wir einen vorbildlichen und immer gut vorbereiteten Kämpfer für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten verloren", reagiert der amtierende Betriebsrat geschockt auf den Verlust. Mit Aushängen hat er in den Jungheinrich-Niederlassungen über den Tod seines ehemaligen Vorsitzenden informiert, schreibt im Namen der Belegschaft: "Sein Engagement war zwischen privat und dienstlich oft nicht zu trennen. Wir sagen Danke und verneigen uns vor seinem Lebenswerk."

Jungheinrich Norderstedt

 

Mit seinen heute rund 1000 Beschäftigten gehört das Jungheinrich-Werk in der Norderstedter Lawaetzstraße zu einem der größten Arbeitgeber der Stadt. Während die Belegschaft in Tarifkonflikten über Jahrzehnte wie eine Wand hinter den Forderungen der IG Metall stand, und noch heute als kämpferisch gilt, zeigte auch der Betriebsrat regelmäßig "Zähne": Wenn man beispielsweise mit Arbeitsplatzabbau oder Billigverlagerungen konfrontiert war, gegen die im Betriebsverfassungsgesetz kein Kraut gewachsen ist, machte das Gremium kurzerhand Nebenkriegsschauplätze auf, verweigerte beispielsweise die Zustimmung zu Überstunden. Auf diese Weise konnten immer wieder Einschnitte abgemildert oder ganz verhindert werden.

 

Auch über die betrieblichen Themen hinaus waren die Metaller aktiv: Als Neonazis Anfang der 90er Jahre in Norderstedt Flüchtlingsunterkünfte attackierten, waren es neben jugendlichen AntifaschistInnen vor allem die Mitglieder des IG Metall-Vertrauensleutekörpers bei Jungheinrich, die sich Nächte lang schützend vor die Unterkünfte stellten. Einziger Unterschied: Statt abgebrochener Besenstiele trugen sie jene Maulschlüssel bei sich, mit denen sie tagsüber noch Gabelstapler montiert hatten.

Werner Rauch, Betriebsrat des Jungheinrich-Werks in Moosbach/Bayern erinnert dabei auch an die außerbetrieblichen Aktivitäten Erdmanns: "In seiner Freizeit war er in vielen Organisationen und Initiativen aktiv. Die Militarisierung der Gesellschaft war ihm ein Dorn im Auge, deshalb war er ein unermüdlicher Friedensaktivist".

Tatsächlich engagierte sich Erdmann neben seiner betrieblichen Arbeit zeitlebens in der Friedens- und Ostermarschbewegung, fühlte sich politisch in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zu Hause, für die er ebenfalls Funktionen übernahm. Auch die trauert jetzt um einen "liebenswerten und klugen Genossen", der die besondere Gabe verkörpert habe, "auch komplizierte Sachverhalte allgemeinverständlich zu vermitteln." Und der inzwischen nicht nur personell schwächelnde Ortsverband der Partei fügt hinzu: "Wir sind stolz darauf, dass wir an seiner Seite in der DKP kämpfen durften."

Lesetipp: Im September 2010 führte Karl-Helmut Lechner für das Infoarchiv ein längeres Interview mit Wolfgang Erdmann.

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten DKP, IG Metall, Jungheinrich, Wolfgang Erdmann