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Mittwoch, 8. Juni 2011, 19:01 Uhr
Sünwoldt macht Ernst
Kaltenkirchens Ex-Bürgermeister tritt trotz seiner deutlichen Abwahl erneut zu Wahlen an
ram. | Ein "guter Verlierer" zu sein, gilt nicht ohne Grund als hohe Kunst, Kaltenkirchens Ex-Bürgermeister Stefan Sünwoldt (SPD) jedoch scheint daran wenig Gefallen zu finden: Wenige Wochen nach seiner deutlichen Abwahl aus dem Amt hat er mittlerweile mit dem Wahlkampf für seinen nächsten Anlauf in Richtung Bürgermeisterstuhl begonnen. Diplomatischer ist er dabei nicht geworden.
Am 8. Mai, so dachte man als fassungsloser Beobachter der kommunalpolitischen Auseinandersetzungen in Kaltenkirchen, am 8. Mai ist die Sache entschieden. An diesem Tag nämlich hatten die BürgerInnen der Kleinstadt das Wort und über das politische Schicksal von Bürgermeister Stefan Sünwoldt zu befinden (wir berichteten mehrfach). Sie taten das bekanntlich relativ deutlich und wiesen den streitbaren Sozialdemokraten mit rund 65% der Stimmen aus dem Rathaus.
Doch zuende ist die Geschicht damit wohl noch nicht: Wie so oft in den letzten Monaten will Sünwoldt nun erst recht zahlreiche UnterstützerInnen gewonnen- und Aufforderungen erhalten haben, die ihn zum Durchhalten animierten - und wer kann da schon "Nein" sagen? Der abgewählte Bürgermeister jedenfalls nicht und so hat er in den letzten Tagen nicht nur entschieden, allen Ernstes zu den wegen seiner eigenen Abwahl notwendig gewordenen Bürgermeisterwahlen am 6. November 2011 erneut anzutreten, sondern auch gleich mit dem dazu passenden Wahlkampf begonnen. Und wie: Das gegen ihn gerichtete Abwahlverfahren, ließ Sünwoldt das Hamburger Wochenblatt wissen, sei "niedrigstes Niveau" gewesen und verstoße "gegen jegliche gute Sitte". Auf ihn, klagt der Ex-Verwaltungschef weiter, sei von Kommunalpolitikern "eingeprügelt worden", die damit ihr eigenes politisches Überleben sichern wollten. Als "tiefstes Mittelalter" bewerte er dies, konkret als "Modell des öffentlichen Prangers (...), Prinzip des Ausgrenzens und Ächtens Andersdenkender und Andershandelnder". Mit seiner Kandidatur, so Sünwoldt weiter, wolle er dagegen einen Kontrapunkt setzen. "Wer will schon in einer Stadt leben", so der Sozialdemokrat weiter, "in der das Faustrecht und die Lynchjustiz die Oberhand gewinnen?" Immerhin, mag man da denken, warf er seiner politischen Gegnerschaft keinen Völkermord vor.
Viel Unterstützung dürfte Sünwoldt angesichts einer derart desolaten Realitätswahrnehmung allerdings nicht mehr erhalten und auch seine eigene Partei scheint mittlerweile auf Distanz gegangen zu sein: Zwar verteidigte SPD-Chef Eberhard Rönsch seinen Parteifreund vor dem 8. Mai noch engagiert gegen allzu harrsche Angriffe von CDU-Politikern wie Hauke von Essen, nach Ende des Abwahlverfahrens aber deutet sich ein "Nein" von Partei und Fraktion zur erneuten Kandidatur an. Begründet wird das Abrücken vor allem mit dem deutlichen Ergebnis des Urnenganges: Zwar hatten sich daran nur gut ein Drittel der insgesamt 15.777 wahlberechtigten KaltenkirchenerInnen beteiligt, die aber stimmten mit 64,8% überdeutlich für das "Tschüß" in Richtung Bürgermeister.
Ohnehin hat es eine solche Abwahl in Deutschland wohl noch nicht gegeben: Neben seinen beiden Haupt-Widersachern Kurt Barkowsky (CDU) und Eberhard Bohn (FDP), die schon lange keine Möglichkeit mehr ausgelassen hatten, den Verwaltungschef zu beschädigen, bildete sich im Abwahlverfahren fast schon so etwas, wie eine Bewegung gegen den Bürgermeister. So beschäftigten sich gleich mehrere Internet-Seiten einzig mit der Forderung nach einer Abwahl Sünwoldts, das Ergebnis am 8. Mai wurde wie eine Befreiung gefeiert und führte zu teils skurrilen Beiträgen. Und FDP-Politiker Torven Hartz ließ nach der Abwahl auf seiner Homepage wissen:
- "Es ist geschafft. Kaltenkirchen hat sich für den Neuanfang entschieden. Eine schwierige Zeit geht damit zu Ende - damit ist nun ein guter Moment gekommen, mich einmal ganz herzlich zu bedanken. Mein allererster Dank geht an meine Familie: An meine Lebensgefährtin Ragna, ohne deren Unterstützung ich das nicht hätte durchstehen können. An meine Eltern und meinen Großvater, die mich den aufrechten Gang gelehrt und mir meine Werte vermittelt haben. Ohne dieses Rüstzeug hätte ich die Last der vergangenen Wochen ganz sicher nicht tragen können."
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um die Dankesrede des US-Präsidenten oder den Gewinn des Eurovision-Songcontest, Hartz hatte sich lediglich ein wenig für die Abwahl des Bürgermeisters einer norddeutschen Kleinstadt eingesetzt. Andere gehen sogar noch ein Stück weiter: Glaubt man Gerüchten aus "Kaki", gibt es inzwischen mindestens ein Café, in dem Sünwoldt-BefürworterInnen nicht mehr bedient werden. Der Bürgermeister und seine Widersacher haben es wahrlich geschafft, die Stadt abgrundtief zu spalten.
Nun kann man sich über die überaus konservative Gesinnung Alteingesessener mokieren, die mit Sicherheit schon "von Natur aus" Probleme mit Sünwoldt hatten: Mit seiner liberalen Gesinnung, seiner polemischen Kritik gegen die NATO, wohl auch mit seiner nicht allzu deutschen Ehefrau - dennoch bleibt am Ende die Tatsache, dass ihn am 8. Mai die Mehrheit der Kaltenkirchenerinnen abgewählt hat - durchaus auch aus sachlichen Erwägungen, wie dem unglücklichen Händchen des Bürgermeisters in Sachen Bahnhofsviertel. Genau das aber scheint zum Abgewählten noch immer nicht recht durchgedrungen. In einer Art permanenter Kampfeshaltung glaubt Sünwoldt offenbar wirklich an seine Rückkehr ins Rathaus, wenn er es nur beständig genug versucht und bietet "allen Kräften in der Stadtvertretung" die Zusammenarbeit an ... freilich unmittelbar nachdem er sie mal wieder als VertreterInnen von "Lynchjustiz" und "Faustrecht" gebrandmarkt hat. Zeit darauf zu hoffen, dass sich ein guter Freund der Sache annimmt und dem Betroffenen sagt: "Lass gut sein, Stefan - es ist vorbei".