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Sonntag, 17. Juni 2007, 2:00 Uhr

Streik am Bau

Warnstreikaktionen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen, Security-Mitarbeiter greift Streikposten an

Ampel auf Rot: Das ehemalige DAG-Haus am Johannes-Brahms-Platz (jetzt im Besitz von ver.di) wird durch den Baustreik letztmalig Austragungsort einer Tarifauseinandersetzung.

Ampel auf Rot: Das ehemalige DAG-Haus am Johannes-Brahms-Platz (jetzt im Besitz von ver.di) wird durch den Baustreik letztmalig Austragungsort einer Tarifauseinandersetzung.

Info Archiv Norderstedt |  Genau vor fünf Jahren, am 17. Juni 2002, prallten am Bau Arbeitgeber und Gewerkschaft zuletzt aufeinander. Damals brauchten die Arbeitgeber Tage, um überhaupt zu realisieren, was sie da losgetreten hatten: Die IG BAU konnte den schließlich sieben Tage währenden, bundesweiten Flächenstreik mit täglich bis zu 60.000 Arbeitsniederlegungen weitgehend für sich entscheiden. Jetzt spielen zwei Arbeitgeberverbände erneut mit dem Feuer: Sowohl der Baugewerbeverband Schleswig-Holstein, als auch seine Schwesterorganisation in Niedersachsen haben bisher alles abgelehnt, was die Bauindustrie, das Gewerbe anderer Länder und die IG BAU ausgehandelt haben. Selbst Schlichter Wolfgang Clement (SPD) äußerte kürzlich, er könne nur noch "eingeschränkt nachvollziehen, was die zwei Verbände da machen." Aber auch die IG BAU steht vor einem Dilemma. Sie muss sich zumindest anfangs darauf beschränken, ausschließlich die kleineren Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu bestreiken, da die Verbände im übrigen Deutschland und auch ein Großteil der Bauindustriebetriebe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen nicht nur dem Tarifergebnis zugestimmt haben, sondern überwiegend auch die Zahlung der vereinbarten Tariferhöhungen präventiv und ohne Bedingungen vornimmt. Erst bei Scheitern der ersten Streikwelle werden wohl auch die Belegschaften dieser Betriebe - quasi ohne Rücksicht auf Verluste - in den Streik gerufen. Zunächst einmal aber stimmten bis zum Samstag 87,9 % der betroffenen Bauleute für einen Arbeitskampf, der nun wohl am Montag in Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit ersten Arbeitsniederlegungen beginnen wird. Vor diesem Hintergrund sprach das Info Archiv Mittwoch am Rande einer Warnstreikaktion mit dem ehrenamtlichen Mitglied der Streikleitung in Hamburg, Matthias Maurer. Maurer ist Zimmerermeister und Betriebsratsmitglied in der Hamburger Niederlassung des Industrie-Riesen Hochtief Constructions, also eigentlich nicht direkt vom aktuellen Tarifkonflikt betroffen. Dennoch beteiligten sich alleine Mittwoch rund Hamburger 20 Hochtief-Mitarbeiter aus Solidarität an Aktionen der IG BAU. Matthias Maurer war es übrigens auch, der am frühen Mittwoch-Morgen von einem Mitarbeiter des umstrittenen Kaltenkirchener Sicherheitsunternehmens Pütz Security tätlich angegriffen wurde, als der sich durch die Streikposten schubste und Maurer dabei an die Wäsche ging. Die insgesamt rund 60 Bauleute am Ort drängten den Tobenden schließlich vom Gelände ... Info Archiv: Herr Maurer, am Mittwoch ging es vor dem ehemaligen DAG-Haus recht robust zu, schildern Sie uns doch einmal, was da vorgefallen ist. Matthias Maurer: "Wir haben am Mittwoch ab 5.30 Uhr die Baustelle am Johannes-Brahms-Platz abgeriegelt und alle Eingänge mit Streikposten besetzt. Gegen 6 Uhr kam dann der Wachschützer und wollte auf die Baustelle. Nachdem wir ihm gesagt haben, dass das im Moment schwierig ist, wurde der Mann sofort handgreiflich. Erst zehn, elf Leute konnten ihn zur Vernunft bringen. Er ist dann auf die andere Straßenseite gegangen, wir haben die ankommenden Bauleute zum Warnstreik begrüßt." Info Archiv: Sie haben eine schwierige Ausgangslage für diesen Arbeitskampf. Nur zwei Landesverbände und hier nur das Baugewerbe lehnen das Tarifergebnis ab. Wie kann unter solchen Bedingungen überhaupt ein Arbeitskampf geführt werden? Matthias Maurer: "In vielen Betrieben, in denen wir einen guten Organisationsgrad haben, ist eine Riesenwut. Und deswegen kriegt man die Kollegen in diesen Betrieben jetzt überhaupt noch raus zu Aktionen. Wir haben aber versäumt, bestimmte Bereiche von prekären Arbeitsverhältnissen, weil sie eher klassisch, traditionell sind, nämlich viele kleine Handwerksfirmen, die auf dem Land ihren Sitz haben, aber meistens in die Ballungszentren zum Arbeiten kommen, da einen Organisationsgrad herzustellen. Wir haben es natürlich versucht bei der internationalen Arbeitswanderung, bei den Firmen aus Osteuropa, wir haben den Bereich Gebäudereinigung angegangen, aber es gibt eben Bereiche, die wir ganz selten ins Auge genommen haben. Und dazu gehört der klassische Handwerksbereich, der aber immer mehr prekär wird, weil er quasi gar nicht mehr aus eigener Auftragssituation wirkt, sondern Subunternehmer der großen Industriebetriebe ist. Und da haben wir jetzt einen zu geringen Organisationsgrad. Hier treffen zwei Welten aufeinander und Aufgabe der Zukunft muss jetzt sein, hier wieder einen Organisationsgrad hinzukriegen, dass auch ein aus sich selbst gehender Streik organisiert werden kann. Zur Zeit wird der Streik von außen da rein getragen, von den Unternehmen, wo eigentlich (...) gar kein Streik sein müsste." Info Archiv: Wie ist die Streiktaktik? Matthias Maurer: "Die Streiktaktik ist jetzt ? wenn auch von außen ? an diese Unternehmen, die jetzt diesen Tarifabschluss mauern, den Kampf ranzutragen und wir stellen natürlich fest, hier heute auch, dass die Kollegen der Firma Rehwiesel, von denen kaum einer organisiert ist, wirklich sich freiwillig an dieser Maßnahme beteiligen, die im Gegenteil zu Anderen, wie zum Beispiel dem Bauleiter, der (...) durchgesetzt hat, das Baugelände zu betreten, also auch nachdem wir das Tor freigeben mussten, vor dem Tor stehen bleiben und sich an der Streikaktion beteiligen." Info Archiv: Und gibt es schon weitere Eskalationsschritte, wenn die erste Warnstreikwelle keinen Erfolg bringt? Matthias Maurer: "Natürlich, es wird Eskalationsschritte geben müssen, der nächste (...) ist eben die Urabstimmung und danach auch wirklich den Streik in die Fläche reinzutragen, also sich besonders Kleinunternehmen rauszupicken, die von der Ablehnung betroffen sind und bei denen eine innere Streikbereitschaft da ist, auch die gibt es ja, und da mit dem Streik anzusetzen und das dann massiv zu unterstützen. Ich glaube ? ich weiß nicht, ob wir dazu kommen werden ? dass irgendwann auch eine bundesweite Urabstimmung stattfinden muss, wenn man auf diesem Weg nicht weiter kommt." Info Archiv: Das heißt auch die Bauindustrie, die eigentlich zugesagt hat, wird dann irgendwann einbezogen werden müssen? Matthias Maurer: "Das wird so sein, es gibt allerdings ein großes Problem, es gibt die Empfehlung der Bauindustrie ab 1. Juli zu zahlen, und nach den Anzeichen, die ich sehe: Die werden auch zahlen ab dem 1. Juli und daher sind wir in einer relativ schwierigen politischen Gemengelage.