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Dienstag, 20. März 2007, 1:00 Uhr
SPD lud zur Diskussion über die moderne Schule - und stieß auf inhaltlichen Widerstand
Was professionell ministeriell begann, endete für Schleswig-Holsteins Bildungsministerin mit dem Rücken an der Wand
Von Hans-Georg (Felix)Becker | Gaby Kasten vom Elternbeirat der Realschule Garstedt packte gleich das wohl heißeste Eisen des Abends an: die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen zu sogenannten Regionalschulen. Sie wies darauf hin, dass schon jetzt keine individuelle Förderung der SchülerInnen aufgrund zu großer Klassen und zu wenig Lehrkräften möglich sei. Der darüber hinaus zu erwartende Mehraufwand z.B. für individuelle Lehrpläne bei der Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen sei dann schon gar nicht aufzufangen. Außerdem wehrte Gaby Kasten sich dagegen, Fördermaßnahmen und andere Unterrichtsangebote auf Eltern, SchülerInnen und private Anbieter zu verlagern.
Der Vorsitzende der Schülervertretung des Coppernicus-Gymnasiums Sören Katten brachte das Thema Profiloberstufe ins Gespräch und beklagte den schlechten Informationsfluss zu dieser Neuerung. Auch er ging davon aus, dass die SchülerInnenzahl in den Klassen grundsätzlich zu hoch sei und sprach sich vor allem in Bezug auf die geplanten Gemeinschaftsschulen für mehr LehrerInnenstellen aus.
Als letzter ergriff der Fraktionschef der Norderstedter SPD, Johannes Paustenbach, das Wort in der Eröffnungsrunde. Paustenbach, hauptberuflich Schulleiter an einer Hamburger Gesamtschule, warf der Norderstedter CDU unter Oberbürgermeister Grote eine zu abwartende Haltung bei der Umsetzung der geforderten Maßnahmen bei der Bildung von Regionalschulen vor. Er wies auf den dringenden Handlungsbedarf hin, da nur 6,7% der SchülerInnen nach dem Ende der Grundschule in die Hauptschule wechseln würden. Die Ministerin müsste ja leider auf die Koalition in Kiel Rücksicht nehmen, er als SPD-Mann würde lieber auf Regionalschulen zugunsten von Gemeinschaftsschulen verzichten.
Zu Beginn der Diskussionsrunde nahm Ministerin Erdsiek-Rave zuerst zu der Behauptung von Gaby Kasten, die Klassen seien zu groß, Stellung. Die Ministerin hatte nach eigenen Angaben nebenbei mal schnell ausgerechnet, dass in den Realschulen Norderstedts durchschnittlich 23 SchülerInnen säßen. Diese Aussage wurde mit vielen Unmutsbekundungen aus dem Plenum belegt. Außerdem, so die Ministerin weiter, sei der Umfang des Unterrichts in den letzten Jahren gestiegen und der Staat könne ja nun schließlich auch nicht alles machen. Nachdem diverse Eltern und Lehrkräfte in ihren Redebeiträgen auf die bereits schon jetzt vorhandenen Schwierigkeiten bei der Bewältigung der nötigen Differenzierung innerhalb der Klassen verwiesen und die zudem teilweise schlechten räumlichen Bedingungen in der Schule anprangerten, fiel die Laune der Ministerin ersichtlich ab. Als dann noch der Oberstufenleiter eines Norderstedter Gymnasiums in Hinblick auf die ministeriellen Statistikauslegung bemerkte, das man Statistiken ja in jede Richtung fälschen könne, forderte die Ministerin die Diskussionsteilnehmer auf, einen derartig agressiven Unterton zu unterlassen.
Die Forderung des Oberstufenleiters, unterstützend zu den - seiner Meinung nach - guten Ansätzen im Schulgesetz auch entsprechende Ressourcen zu Verfügung zu stellen, besserte die Laune von Ute Erdsiek-Rave nicht im Geringsten. Der Versuch des Moderators Heiner Köncke, seiner Parteifreundin zur Seite zu springen, misslang. Sein Vorschlag, doch nun endlich aufzuhören über Dinge wie z.B. Klassengrößen zu reden, und zum Thema der modernen Schule zurückzukehren, wurde mit dem Zwischenruf ?die Inhalte unserer Fragen müssen sie bitte schon uns überlassen? quittiert.
Zudem wurde dem Ortsvorsitzenden auch noch vorgehalten, dass die SPD bei der letzten öffentlichen Bildungsveranstaltung gar nicht erst vertreten gewesen sei. Nach dem kleinlauten Einräumen eines in Hinblick auf die Nichtteilnahme an dieser Veranstaltung "traumatischen Erlebnisses", überließ Köncke dann dem Plenum die Wahl der Gesprächsthemen. Nachdem Gaby Kasten erneut auf zuwenig Lehrerstunden hinwies und die unsichere Vertretungslage bei längeren Abwesenheiten von Lehrkräften bemängelte und die klare Frage aufwarf, wie denn unter diesen Umständen eine individuelle Förderung möglich sein soll, verlor die Ministerin vollends die Nerven. Unter ärgerlichem Kopfschütteln wies sie darauf hin, dass eine individuelle Förderung bei 25 Schülern sehr wohl möglich sei, dass das Land natürlich keine Lehrkräfte auf Vorrat habe und dass man aber nun wirklich genug über Klasssengrößen gesprochen habe.
Als ob der Fraktionschef der Norderstedter SPD, Johannes Paustenbach, dem Durchsetzungsvermögen seiner Parteifreundin nicht ganz vertraute, legte er gleich nach. Man solle doch jetzt über das neue Schulgesetz sprechen (was eigentlich den ganzen Abend über getan wurde, Anm. d. Redaktion), und das bei genügend Kreativität der Lehrkräfte individulelle Förderung möglich sei, habe eine Hamburger Gesamtschule durch den Gewinn des Deutschen Schulpreises bewiesen. Aber auch dieser Versuch, das Plenum zu reglementieren misslang.
Rainer Krenz, Leiter der Realschule Friedrichsgabe, befürchtete eine Absenkung des Niveaus bei der Schaffung von Regionalschulen. Diese Befürchtung untermauerte er damit, dass für die Regionalschule nur noch zweistündige Abschlussarbeiten vorgesehen seien, der Umfang der jetzigen Abschlussarbeiten aber wesentlich größer sei. Dies deute doch auf einen geplanten Qualitätsverlust hin. Die Ministerin Widersprach dieser Auffassung und wies ihrerseits darauf hin, dass die Regionalschulverordnung erst im August 2008 in Kraft treten würde und man jetzt erst dabei sei, Standards zu erarbeiten.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurden der Ministerin diverse Tatsachenberichte aus dem Schulalltag über zu große Klassen bzw. Kurse, schlechte räumliche Verhältnisse und zuwenig Lehrkräfte um die Ohren gehauen. Nachdem Frau Erdsiek-Rave nach einem Blick auf die Uhr von sich aus auf das vereinbarte Ende der Veranstaltung hingewiesen hatte, erlöste sie der Moderator durch die Schließung der RednerInnenliste. Rechtzeitig zum Schlusswort gelang es der Ministerin dann wieder -ganz Politprofi- in einen versöhnlichen Plauderton zu verfallen und entließ die TeilnehmerInnen der Veranstaltung nach Hause. Was blieb, war der Eindruck, dass die Kieler Landesregierung alles richtig macht, nur leider das falsche Volk hat.