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Mittwoch, 9. Mai 2007, 2:00 Uhr

"Schöner Schein..."

Interview mit der Elternvertreterin Katrin Schmieder über die neue Kitasatzung und ihre Folgen

Astrid Jodeit | Wer in den letzten Jahren aufmerksam die kommunalpolitischen Manöver in Sachen Kitabetreuung verfolgen durfte, wird in diesem Frühjahr ein Dejavu-Erlebnis haben: Schon wieder macht sich die CDU-Mehrheit im Ausschuß für junge Menschen für vermehrte Schließtage und für Notgruppen bei Betreuungsengpässen stark.

Schon Anfang 2004 wurden genau diese Punkte diskutiert. Die Finanzlage sei mau, hieß es, und so wurde dann mal eben das Jugendkulturcafe geschlossen und an den Kindern, befanden die Parteifreunde des Bürgermeisters, solle nun auch gespart werden. Das konnte abgewendet werden. Die Wahl stand unmittelbar bevor und irgendwie schien es dann doch unattraktiv, zu diesem Zeitpunkt den Zorn der Eltern auf sich zu lenken. 2007 dann das gleiche Spiel unter anderen Vorraussetzungen: Der Haushalt ist so gut wie lange nicht. Alles Tip-top. Die Norderstedter CDU beglückwünscht sich frenetisch und wirbt mit Babybodies mit dem Aufdruck "made in Norderstedt" für die familienfreundliche Stadt, und... beschließt 20 Schließtage in den Kinderbetreuungseinrichtungen und jenes Notgruppenkonzept, dem es schon 2004 an jeglicher pädagogischer Grundlage fehlte. Diesmal wird nicht mit Sparmaßnahmen argumentiert, wie denn auch, diesmal ist von Qualitätssicherung die Rede. Diese Argumentation versteht niemand so genau. Am wenigsten die betroffenen Kinder und Eltern (und schon gar nicht die Großeltern: die Senioren-Union Norderstedts protestiert massiv gegen die Beschlüsse der eigenen Partei, vielleicht auch, weil ihre Mitglieder befürchten, als Großeltern das Betreuungschaos mit auffangen zu müssen). Wir veröffentlichen im Folgenden ein Interview mit Katrin Schmieder, Elternvertreterin in der Kita Nomi1.

Info Archiv: Sie sind als Elternvertreterin in der Kita Nomi1 persönlich von den Beschlüssen zur Veränderung der städtischen Kita-Satzung betroffen, welche Neuerungen befürchten sie am allermeisten?

Katrin Schmieder: Im Kitabereich werde ich die Änderungen selbst wohl nicht mehr direkt miterleben. Mit einer Umsetzung des Beschlusspaketes Gebührenfreiheit plus Schließzeiten ist erst ab dem Kitajahr 2009/2010 ernsthaft zu rechnen. Sollten die Beschlüsse, wie bisher gefaßt ,jedoch auch auf die Schulhorte greifen, wofür es meines Erachtens keine Begründung gäbe und wozu wir mit den Entscheidungsträgern derzeit in intensiver Diskussion sind, dann beträfe mich eine Schulhortschließzeit noch etwa 4 Jahre. In den Genuß eines kostenlosen Kita-Jahres werde ich leider nicht kommen.

Info Archiv: In den Beschlüssen wird nicht zwischen Krippen- Elementar- und Hortkindern unterschieden. Die Schließzeiten wirken sich aber z.B. im Hort besonders drastisch aus, können sie das erläutern?

Katrin Schmieder: Nach Aussagen der Entscheidungsträger scheint die offizielle Haupintention des Beschlusses die Steigerung der Betreuungsqualität in der Kernzeit (außerhalb der Sommerferien) durch eine höhere Betreuungsdichte der entsprechenden Erzieherinnen zu sein. Dadurch soll dem höheren Bildungsauftrag, der Sprachförderung etc. nachgekommen werden. Diese Argumentation greift meines Erachtens überhaupt nicht auf die Hortbetreuung. Hier wäre eine getrennte Würdigung von Schließzeiten innerhalb der gemeinsamen Satzung zwingend notwendig (nicht in den Ferien !!!). Im Gegensatz zu Kita-Kindern fällt der größere Anteil an Bildungsarbeit genau in den Ferien an. Der Schulunterricht entfällt und die Kinder sind ganztägig im Hort. Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass Hortkinder innerhalb der Ferien etwa die Hälfte der Ferien eine Hortbetreuung in Anspruch nehmen. Selbst wenn es allen Eltern möglich wäre, in Schließzeiten Urlaub zu nehmen, würden in den verbleibenden Wochen fast alle Kinder gleichzeitig einer Betreuung bedürfen. Für einen solchen ganztägigen Ansturm reicht die vorhandene Personaldecke nicht aus, oft sind sogar die Räumlichkeiten für eine solche Masse nicht bemessen. Außerdem starten die Kinder extrem gestresst in das neue anspruchsvolle Schuljahr.

Info Archiv: Neben den Schließzeiten sind auch die Notunterbringungen in anderen Kitas ein Skandalpunkt in dem neuen Satzungsentwurf. Was befürchten sie für die Kinder?

Katrin Schmieder: Die Notgruppen würden standortfremd und mit überwiegend dem Kind fremden Erzieherinnen die Kinder versorgen. Die Kinder werden aus den ihnen bekannten Gruppengefügen herausgerissen. Viele Kinder empfinden diese Umstellung als sehr stressig bis hin zur Verweigerung. Ein mühsam erworbenens Vertrauensverhältnis könnte zerstört werden. Nach einer solchen Erfahrung kann eine Reintegration sehr mühsam werden. Sollte an den Schulhortschließzeiten festgehalten werden, würden in den Notgruppen Kinder in den Altersgruppen von 0 bis ca. 10 Jahre gemeinsam betreut, oder besser verwahrt werden. Für die betroffenen Eltern, die in der Regel keine Alternative zu einer Notgruppe haben, wird eine psychische Seilakt-Nummer erwartet. Sie sollen ihr Kind für die Notgruppe motivieren, sind selbst total gestresst durch die zu erwartenden Konsequenzen und sind dadurch in ihrer Arbeitsleistung massiv eingeschränkt. Gegen eine Versorgung in Form von Kita-Notgruppen spricht ebenfalls, dass Schulkinder bis ca. 10 Jahre nicht adäquat und dem Bildungsauftrag entsprechend versorgt werden würden.

Info Archiv: Im Ausschuß für junge Menschen, in dem die Grundsatzentscheidung getroffen wurde, ist kein Fachmensch Entscheidungsträger. Haben sie als Elternvertreterin und betroffene Mutter den Eindruck, dass dieser Ausschuß die Situation von Kindern und ihren Eltern ernst nimmt?

Katrin Schmieder: Obwohl uns die Ausschussmitglieder bestätigen, dass Sie sich fachkompetent beraten lassen, kommen einem bei näherer Analyse des Beschlusses sehr schnell Zweifel daran. Die fehlenden Hintergrundinformationen haben dazu geführt, dass eine Reihe von Detailfragen falsch beschlossen wurden und in den folgenden Wochen erneut zur Beschlussvorlage gemacht werden müssen. Die mit Elternvertreterinnen geführten Vorabgespräche wurden innhaltlich weder nachvollzogen oder wahrgenommen sondern komplett ignoriert. Die sehr unterschiedlichen Lebenserwartungen und Ansprüche an die Familie haben sich seit der aktiven Elternzeit der meisten Ausschussmitglieder erheblich verändert. Eine gut situierte Großelterngeneration, die viele ihrer Erfahrungen heute aus den Lebensumständen Ihrer Enkel, Kinder und Schwiegerkinder ableitet, sollte die Stimmen der jetzigen Elterngeneration an der Basis intensiver wahrnehmen, die Kompetenzen dieser aufnehmen und gemeinsam eine Lösung anstreben. Den kleinen Anspruch an Unterstützung, den Eltern hier von der Stadt Norderstedt einfordern, ist nichts, gemessen an der Last, die alle Eltern heutzutage, und was Schließzeiten etc. angeht besonders berufstätige Eltern, zu Tragen haben. So lange das Verfahren noch nicht so weit fortgeschritten ist, haben Eltern und Betroffene im Rahmen der Ausschussarbeit oder Stadtvertreterversammlung, im direkten Weg mit dem Oberbürgermeister und vielen anderen Entscheidungsträgern die Möglichkeit, laut und deutlich auf die Misstände aufmerksam zu machen. Nicht zu letzt wird vor dem endgültigen "GO" auch noch die Komunalwahl anstehen, mal schauen wie die Bürgerinnen und Bürger mit ihren demokratischen Rechten umgehen. Sobald sich aus dem Beschluss dann eine Satzungsvorlage ergibt, haben die EternvertreterInnen erneut die Möglichkeit Ihre Argumente vorzutragen (Rechtsanspruch). Besonders kritisch sehe ich hier, dass hier nur ein Anhörungsrecht besteht. Wenn man die Argumente nicht aufnehmen will, dann kann man das gehörte weiterhin unberücksichtigt lassen.

Info Archiv: Was raten Sie den betroffenen Eltern?

Katrin Schmieder: Die Eltern sollten die Chance der erneuten Überarbeitung nutzen und direkten Kontakt mit den Entscheidungsträgern (Parteinen, Stadtvertreter, Oberbürgermeister etc.) und der Presse aufnehmen. Problematisch sehe ich dabei, dass die Kindergarteneltern von heute, erst im Hortalter ihrer Kinder mit den Konsequenzen konfrontiert werden. Die eigentlich Betroffenen werden die gerade geborenen Kinder und Ihre Eltern bzw. die zukünftigen Eltern sein. Die Politik versucht ihnen mit dem neuen Elterngeld und dem Ausbau von Krippenplätzen das Kinderkriegen schmackhaft zu machen. Schöner Schein! Wenn die Kinder dann tatsächlich da sind und die Eltern ihrem Beruf nachgehen wollen, wird ihnen durch Beschlüsse wie diese das Leben schwer gemacht.