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Mittwoch, 1. März 2006, 1:00 Uhr
Ruhe vor dem Streik
Warum in Norderstedt noch der Müll abgeholt wird
Von Olaf Harning | In mehreren Bundesländern fordern die Arbeitgeber für Landesbedienstete und kommunale Beschäftigte deftige Zugeständnisse: So soll die Arbeitszeit von derzeit 38,5 Stunden auf 40 - in Schleswig-Holstein sogar 41 Stunden - angehoben werden, unentgeltlich versteht sich. Darüber hinaus will man Urlaubstage streichen und das Weihnachtsgeld abschaffen. Dabei geht es nicht nur um die individuellen Folgen: Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di rechnet alleine für das nördlichste Bundesland mit einem Abbau von 4.000 Stellen durch eine solche Arbeitszeitverlängerung - zuzüglich den 2.500 Stellen, die Kiel ohnehin schon streichen will. Damit ist auch schon geklärt, wer den heftigen Arbeitskampf heraufbeschwor, der sich zur Zeit bundesweit entfaltet: Die öffentlichen Arbeitgeber. Bereits 2005 hatten sich die Länder im Zuge einer "Prozessvereinbarung" zur Vereinheitlichung der verschiedenen Tarifverträge geweigert, den gemeinsam ausgehandelten Tarifvertrag Arbeitszeit zu unterschreiben - schon das ein Akt der Konfrontation.
Bislang waren dabei nur die Arbeitgeberverbände Baden-Würtembergs und Hessens so mutig, auch die kommunalen Tarifwerke zu kündigen und so die Zahl der Streikwilligen deutlich zu erhöhen, dazu kommen die Beschäftigten der Stadtstaaten. Ansonsten befinden sich derzeit ausschließlich Landesbeschäftigte, also beispielsweise ArbeiterInnen und Angestellte von Straßenmeistereien, Forstbetriebe, Naturschutzbehörden, Katasterämter u.s.w. im Ausstand. Hintergrund dieser kommunalen Stillhaltetaktik ist der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad in Städten und Gemeinden, der die "Arbeitgeber" hier vorerst vor Kampfmaßnahmen abschreckt. Man will offenbar zunächst die Landesbeschäftigten in die Knie zwingen, die Senkungen anschließend kampflos auf die Kommunen übertragen.
Auch die kommunalen Arbeitgeber in Schleswig-Holstein warten deshalb einfach ab. Von Streik ist vor diesem Hintergrund auch im Norderstedter Rathaus nur wenig zu spüren, das bestätigt auf Nachfrage die ver.di-Vertrauensfrau Marion Junker: "Die KollegInnen verfolgen den Arbeitskampf zwar aufmerksam, weil er sie unmittelbar betrifft." Junker, die auch Bundesfachbereichs-Vorsitzende der ver.di-Branche "Gemeinden" ist, befürchtet angesichts der Politik der öffentlichen Arbeitgeber nicht nur Arbeitsplatzverluste, sondern auch das beinahe völlige Herausdrängen der Jugend aus den Rathäusern und städtischen Gewerbehöfen: "Wo werden denn noch Auszubildende fest angestellt, wenn wir mit unbezahlter Mehrarbeit Arbeitsplätze abbauen?". "Außerdem", so Junker weiter, "ist zu beachten, ob nicht wieder einmal überproportional Frauen von den Folgen dieser Tarifforderungen betroffen sein werden."
Bundesweit beteiligten sich am vergangenen Freitag rund 40.000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes am Ausstand, Schwerpunkte waren Baden-Würtemberg, Hessen und Hamburg. Alleine in der Hansestadt erschienen an diesem Tag mehr als 6.000 Männer und Frauen nicht zum Dienst, überwiegend betroffen: Die Müllabfuhr, die Stadtentwässerung und auch Krankenhäuser. So haben am letzten Mittwoch auch MitarbeiterInnen des Klinikum Nord in Langenhorn vorübergehend die Arbeit niedergelegt, wo sich bereits am 12. Januar über 400 Beschäftigte an einer Warnstreikaktion gegen Lohnkürzungen von bis zu 700 Euro/Monat (für eine Krankenschwester) durch Klinikbetreiber Asklepios beteiligt hatten.
Weitere Informationen gibt es unter anderem hier, hier, und auch bei der Gegenseite.
Ist die Erde eine Scheibe? Wie man beim Hamburger Abendblatt die Welt sieht: