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Sonntag, 6. November 2005, 1:00 Uhr

NPD Segeberg wieder da ...

... mit Wahlfälschung und absurden "Weltnetz"-Seiten

Info Archiv Norderstedt | Stütz-Unterschriften benötigt die NPD - wie andere Parteien auch - anläßlich der Teilnahme an Wahlen. Dass einer ihrer Aktivisten offenbar auf frischer Tat bei der Fälschung dieser Unterlagen erwischt wurde, wirft ein zutreffendes Bild auf das ohnehin kaum vorhandene Demokratieverständnis der Neofaschisten. Peter H. wurde letztlich zu 1000 Euro Geldbuße und einem halben Jahr Haft auf Bewährung verurteilt, dann war er durch mit der Geschichte. Jetzt ist er nach eigenen Angaben auf einer "Landesliste" der Grauen Panther - um "endlich anständige Parteiarbeit zu leisten". Na dann Prost, liebe Panther! Derart trostlos ist es indes seit Jahren um die aktiven Alt- und Neonazis der Region bestellt. Die Organisierung stockt, die personellen Resourcen gleichen einer Katastrophe, die wenigen Polit-Talente sind untereinander zerstritten.
Es war in den neunziger Jahren, als die Grundlagen für die regionale Schwäche von NPD und sogenannten "freien Nationalisten" gelegt wurden. Nach anfänglichen Mobilisierungserfolgen unter jungen Schlägerbanden bildeten sich - vor allem in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen - starke antifaschistische Bewegungen. Trotzdem sich immer wieder einmal Treffpunkte für Skins und andere Schläger herausbildeten (etwa der Bahnhof Hasloh, das "Trallala" in Henstedt-Ulzburg oder "Crazy" in Norderstedt-Harksheide), konnte sich die rechte Szene letztlich nur in wenigen ländlichen Bereichen und zeitweise in Bad Segeberg wirklich behaupten.
Entlang der Achse Hamburg-Kaltenkirchen gewann hingegen nach jeweils monatelangen Auseinandersetzungen die Antifa die Kontrolle über "die Straße". Zuletzt konnte etwa dazu beigetragen werden, dass das "Crazy" am Alten Kirchenweg schließen musste: Nachdem mehrfach größere Gruppen linker AktivistInnen unangemeldet vor und in der Kneipe erschienen war, verlor die Pinte ihren Ruf als "sicheren Treffpunkt" junger Nazis. Die Polizei wurde von solcherlei offensivem Vorgehen meist überrascht.
Nachdem zuletzt jahrelang keinerlei neonazistische Organisationsstruktur mehr im Raum Segeberg sichtbar war, zeigt der braune Mob seit einigen Monaten zumindest im Internet wieder Präsenz. Zunächst als "Holsteiner Widerstand" (offenbar ohne jede Basis), jetzt als NPD Segeberg nutzen die versprengten Kameraden ausgerechnet dieses zutiefst undeutsche Medium, nennen es intern jedoch folkloristisch "Weltnetz" ... natürlich, weil das "deutscher" klingt. Auf ihren "Weltnetz"-Seiten also behauptet die NPD im Kreis Segeberg mittlerweile, am 26. April einen "Kreisverband Segeberg-Neumünster" gegründet zu haben, der sich steigender Beliebtheit erfreue. Zuletzt am 3. November hat offensichtlich auch der Verfassungsschutz - verlässlich stümperhaft - Interesse an der erneuerten Struktur gezeigt: Nach Behauptung der NPD wurde Schatzmeister Wolfgang Schimmel, der Mitte 2000 vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen wurde, angerufen und um ein "Gespräch über die NPD" gebeten.
Unter den "aktuellen Meldungen" auf den NPD-"Heimatseiten" finden Interessierte derweil einen Artikel über den angeblichen "Niedergang der Linken" in Norderstedt und Umgebung. Wortreich verkünden die NationaldemokratInnen darin, das JuKuCa sei abgerissen worden, "ohne dass darauf nenneswerter Protest folgte", das Soziale Zentrum werde in Kürze folgen, und PDS wie Nadelstiche seien ja wohl am Ende, da ihre "Weltnetz"-Adressen nicht mehr funktionierten. Die örtlichen Neofaschisten bebachten also emsig ihre politischen Gegner, sind dabei jedoch auf die Auswertung des "Weltnetzes" als einzige Informationsquelle angewiesen. Gleichzeitig leben namhafte Führer und auch Führerinnen der "freien Kameradschaften" in Norderstedt und Umgebung, steuern von hier aus bundesweite Aktionen, nutzen die Region aber bislang ausschließlich als privaten Rückzugsraum.
Während die Beobachtung durch Nazis natürlich immer eine unangenehme Angelegenheit ist, weisen Auftritt und Publikationen von NPD wie kameradschaftlichen Strukturen in der Region darauf hin, dass lediglich eine Hand voll Neonazis ohne tauglichen Informationsstand und bar jeder kommunalpolitischen Kompetenz erhebliche Energie dafür aufwendet, ausschließlich virtuelle Strukturen aufrecht zu erhalten. Anlässlich der jüngsten Wahlkämpfe gelang der Organisation lediglich zur Landtagswahl überhaupt ein nennenswerter "Auftritt" mit Plakatierungen und Info-Ständen in Kaltenkirchen und Norderstedt. Allerdings hingen etwa die Plakate in Norderstedt meist nur wenige Stunden. Dutzende von Ihnen wurden oft binnen eines Tages selbst von hohen Laternenmasten entfernt. Die Neonazi-Szene im Kreis Segeberg ist nach wie vor weit davon entfernt, in irgendeiner Form auf gesellschaftliche Diskurse oder Entwicklungen im Kreis Segeberg Einfluss zu nehmen. Zur Wahlfälschung reicht es dagegen gerade noch.

Meldung nach Verfassen dieses Artikels: In der Nacht zum 5. November haben einige Neonazis das Soziale Zentrum attackiert. Sie stellten sich dabei allerdings so dumm an, dass nach dem Zerwerfen einer Scheibe mindestens zwei von ihnen umgehend von der Norderstedter Polizei festgenommen wurden. Andernfalls wäre ihnen aufgrund der zahlreich herbeigeeilten BesucherInnen des Zentrums wohl Schlimmeres widerfahren.