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Mittwoch, 13. November 2013, 14:03 Uhr
Norderstedt sucht den "Kreisel-Versteher"
Kritik an Baudezernent Bosse
Eine der zahlreichen Sicherheitsrisiken des Kreisels: Hier müssten Radfahrer eigentlich absteigen. Das allerdings wissen die Wenigsten und der VwV der StVo widerspricht es auch, den Radverkehr über Zebrastreifen abzuwickeln. (Foto: Infoarchiv)
Olaf Harning | Heftiger Streit um den Knoten Ochsenzoll: Wenige Tage nach seiner Eröffnung werfen Radverkehrsverbände und Kommunalpolitiker den Planern fehlende Kompetenz in Sachen Radwegebau vor, der ADFC ruft die Radler zur "Kreisel-Versteher-Tour" auf die Fahrbahn. Thomas Bosse hat dafür wenig Verständnis: "Wer sich mit dem Rad in den Kreisverkehr am Ochsenzoll begibt", so der verantwortliche Baustadtrat, begehe eine Ordnungswidrigkeit.
"... ein deutliches Zeichen gegen den Radverkehr"
Der Hamburger Verkehrsplaner Stefan Warda hat den Knoten Ochsenzoll vergangene Woche unter die Lupe genommen und kommt zu einem verheerenden Ergebnis:
"Der Knoten Ochsenzoll hat nichts mit einer modernen Radverkehrsanlage des 21. Jahrhunderts gemein", so Warda, "und entspricht nicht den gültigen Regelwerken". Für Radfahrer gleiche die Suche nach der Verkehrsführung einer Schnitzeljagd. "Kleine Handzettelchen hier und da mit Hinweisen auf riesige Umwege und Schiebestrecken decken sich nicht mit der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsord- nung", so Warda. Radfahrer seien gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer und ihm sei nicht bekannt, dass es irgendwo in Norderstedt Schiebestrecken für Autofahrer gebe. Baudezernent Thomas Bosse täte daher gut daran, nicht weiter zu verbreiten, dass Radfahrer "nicht auf der Kreisfahrbahn fahren dürften". Dadurch gefährde er nur die ohnehin irritierten Radfahrer und provoziere aggressives Verhalten der Autofahrer. Warda: "Die Benutzungspflicht hat in der jetzigen Form bei einer Klage keinen Bestand."
Für Bosse ist nach wie vor klar: Der Kreisel entspricht nicht nur der Straßenverkehrsordnung, sondern hält auch ausreichend ausgebaute Radwege bereit. Die durch Verkehrszeichen angeordnete Radwegebenutzungspflicht gelte daher uneingeschränkt. Für Rolf Jungbluth nicht nur eine Kampfansage, sondern auch inhaltlich falsch. Um das nachzuweisen, bemühte sich der ADFC-Sprecher am Dienstag nachdrücklich um eine Selbstanzeige, wie er am Rande einer Anfrage in der Norderstedter Stadtvertretetung berichtete. Jedoch: "Die Polizei wollte die Anzeige noch nicht einmal annehmen", habe Jungbluth sogar in seiner rechtlichen Einschätzung bestärkt: "Man darf als Radler auf dem Kreisel fahren", müsse es unter Umständen sogar, weil es sonst eben keine zulässige Radwegeführung gebe.
Um das vor Ort zu erläutern, hat der Interessenverband der Radler für kommenden Samstag zu einer "Kreisel-Versteher-Tour" eingeladen, bei der Jungbluth sich vor allem über VertreterInnen aus Kommunalpolitik und Verwaltung freuen würde. Vor Ort will er die TeilnehmerInnen einerseits schiebend und auf den planerisch vorgesehenen Umwegen um den Verkehrsknoten herumführen, danach aber eben auch auf den Kreisel - zumindest diejenigen, die sich das zutrauen. "Bisher", so Jungbluth, "stehen RadfahrerInnen aus Norderstedt, genau wie aus Hamburg am Ochsenzoll-Kreisel wie der Ochs vorm Berg".
Nach der zunächst umjubelten Eröffnung des Knotens am 2. November durch Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) hatten Radfahrer, aber auch Kommunalpolitiker von DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU teils harrsche Kritik an der dortigen Radverkehrsführung geübt - sofern überhaupt eine solche existiert. Zugunsten des (Auto)Verkehrsflusses hatten die Planer sowohl auf Nord-Süd-Querungen verzichtet, als auch zahlreiche Vorgaben der "ERA" außer Acht gelassen - eine gesetzesähnliche Sammlung von Bauempfehlungen aus dem Bundesverkehrsministerium. Diese Entscheidung verteidigte Bosse auch in seiner Stellungnahme in der Stadtvertretung, verwies außerdem auf entsprechende Genehmigungen des Landesbetriebs Verkehr. Der Kreisel, so Bosse, sei nun einmal ein Kompromiss.
Das südliche Ende der Fußgänger- und Radunterführung: Rechts Treppe, links Aufzug. Erst in den nächsten Jahren ist mit einer Rampe Richtung Langenhorner Chaussee zu rechnen. (Foto: Infoarchiv)
"Wo ist denn da der Kompromiss-Beitrag der Autofahrer?", entgegnete Grünen-Politiker Detlev Grube und auch LINKEN-Fraktionschef Miro Berbig stellte den Kreisel in seiner jetzigen Form in Frage. Er spricht sich inzwischen für die Durchführung eines "Sicherheits-Audits" aus. Bei einem solchen Verfahren würde der Knoten unter Berücksichtigung aller Verkehrsteilnehmer und ihrer Sicherheit im fließenden Verkehr noch einmal evaluiert. Schon nach etwa zwei Monaten könnte dann ein Ergebnis vorliegen - möglicherweise mit Empfehlungen zur Umgestaltung. Die Unions-Politiker Arne-Michael Berg und Gert Leiteritz erinnerten hingegen daran, dass frühzeitige Hinweise ihrer Fraktion auf fehlende Radverkehrsanlagen ignoriert worden seien. Schon dem Planfeststellungsbeschluss zum Kreisel habe die CDU deshalb ihre Zustimmung verweigert. Und als sie 2011 beantragte, zumindest nördlich des Kreisels eine Radfahrer-Querung zu errichten, hätten "die versammelten Verkehrsexperten aus SPD, GALiN, LINKE und FDP" das abgelehnt. "Auch Dr. Pranzas", wie die Christdemokraten mit Blick auf DIE LINKE hervorhoben. Der Stadtentwicklungspolitiker hatte kürzlich in einer Erklärung bezweifelt, dass Norderstedts Tiefbau-Planer über die nötige Kompetenz für den Radwegebau verfügen und im Ausschuss angefragt, wie die Stadtverwaltung künftig Planungsfehler, wie am Knoten Ochsenzoll vermeiden will.
Während LINKE und GRÜNE also prinzipiell den Umbau des Kreisels anstreben, sieht die CDU zumindest partiell Handlungsbedarf. So sollen fehlende Radwege "umgehend hergestellt" und die Zebrastreifen in Ost-West-Richtung "auch für Radfahrer freigegeben werden". Insgesamt aber sei man "mit dem Kreisel einverstanden", so Berg und Leiteritz übereinstimmend. Noch deutlich positiver fällt das Urteil von SPD und FDP aus, die allenfalls kleinere Nachbesserungen befürworten.
Die Kreisel-Versteher-Tour des ADFC beginnt am Samstag um 14.30 Uhr, die TeilnehmerInnen treffen sich direkt am Kreisel - vor dem ehemaligen "Moby Dick".
Lesetipps:
- "Unglaubliche Fehlplanung" - Eine Stellungnahme des ADFC
- "Bosse bleibt uneinsichtig" - Artikel von Stefan Warda
Ein Kommentar zu diesem Artikel
18.11.2013, 10:51 Uhr Anonymous: Sicherheits-Audit
Die Verwaltung hat´s versemmelt, die Politik irgendwie verpennt. Das Fraktionsgezanke ("Ich weiß was!" - "Ich wusste es shon immer!" - "Ich wusste es zuerst!") bringt jetzt ach nix mehr. Da macht ein neutrales, externes Sicherheits-Audit durchaus Sinn.