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Freitag, 9. Januar 2004, 1:00 Uhr

Neujahrsgrüsse an den Mähdreschermann

Anmerkungen zu den Neujahrswünschen des Bürgermeisters

Astrid Jodeit |  Ganz im Vertrauen, Herr Bürgermeister,voller Aufmerksamkeit habe ich Ihre Grüße zum neuen Jahr gelesen. "Natürlich war es turbulent, dieses Jahr 2003", schreiben sie da. "...Aber Leben ist keine gerade Straße. Leben heißt immer, Höhen und Tiefen zu verkraften (ein bisschen pastoral vielleicht, aber hübsch).
Leben bedeutet Veränderungen (Sie spielen da doch nicht auf die kommenden Neuwahlen an, Herr Bürgermeister ?). Wir verbessern nichts", schreiben Sie,"wenn wir in Agonie und Starre verharren. Niemand wird uns mehr hören wollen, wenn wir in ununterbrochenes Klagen verfallen..."

Und Recht haben Sie, Bürgermeister : Die NorderstedterInnen sollen nicht in ununterbrochenes Klagen verfallen. Es ist Zeit zum Handeln.. Vielleicht haben Sie, beim Schreiben der Zeilen, einen Blick zurück geworfen auf das vergangene Jahr. Vielleicht hatten Sie das erfolgreiche Bürgerbegehren gegen die Privatisierung der Stadtwerke vor Augen oder das Aufbegehren von Kindern und Eltern gegen die Personaleinsparungen in der Jugendarbeit auf dem Bauspielplatz Holzwurm in Norderstedt Mitte.
Sie sehen schon, Ihre Devise wurde bereits beherzigt. Es wird längst nicht nur geklagt. Es wird gehandelt. Und so sollte man Ihre Politik auch begreifen: Widerstandstraining für den Kampf um eine soziale Stadt. Eine solche Politik nämlich, die nicht hinzunehmen ist, weckt Abwehrkräfte. Sie wirken besser, Herr Grote, als kalt duschen, als der Biss in die Zitrone.

"Allen ist bekannt...", schreiben sie weiter und versinken dann in diesem "Das-Geld-ist-knapp-uns-steht-das-Wasser-bis-zur-Krawattennadel-Gejammer". Im Interesse der LeserInnen verzichte hier auf das Zitieren. Das kennen wir von Ihnen Herr Grote ( und da stellt sich der aufmerksamen LeserIn durchaus die Frage nach den autobiographischen Anteilen in Ihrer Neujahrsrede, wenn Sie vom ständigen Klagen sprechen.).
"Unabwendbar", schreiben Sie desweiteren, "kommen Einschränkungen auf uns zu, die unbequem und lästig sind." Das mit dem Geld und dem Gejammer und so ist ein bisschen peinlich, Herr Grote, wo doch Ende letzten Jahres aufflog, dass die Finanzlage plötzlich doch nicht so katastrophal daherkommt, wie gepredigt, und die Gewerbesteuereinnahmen eigentlich Grund zum Frohlocken sind.
Und wo doch jetzt alle wissen : Geld ist genug da, es wird nur falsch verteilt !

Natürlich wollten Sie in den Neujahrsgrüssen auch nicht ausschließlich über Engpässe referieren , sie wollen ja auch wiedergewählt werden, nicht wahr. Ganz optimistisch zählen Sie dann auch im weiteren Verlauf des Textes alle Sachen auf, die Ihrer Meinung nach prima geklappt haben im Jahr 2003.
Es folgt also eine Auflistung von städtebaulichen Maßnahmen und daneben (es soll ja nicht nur um Strassenbau gehen. Das macht sich nicht gut bei den BürgerInnen, das weiß jeder drittklassige Heizdeckenverkäufer) erinnern Sie an die Grundsteinlegung einer neuen Kindertagesstätte in Norderstedt Mitte. Ein Bau, der allerdings, wenn mir die Anmerkung erlaubt ist, mehr als überfällig ist.
Fehlten nicht im letzten Jahr mehrere hundert ! Kindergartenplätze in diesem Einzugsgebiet ?
Nichts, womit Sie sich schmücken könnten, Herr Bürgermeister.
Zudem ist es etwas zynisch, die Fertigstellung des städtischen Altersheims "Haus am Park" als Leistung aufzuzählen, wo Ihre Partei doch zeitgleich die Altenarbeit durch die Kürzung der Zuschüsse für die Altenkreise in Bedrängnis bringen.

Natürlich gibt es noch andere Ergebnisse ihrer letztjährigen Regierungsarbeit, die Sie in den Neujahrsgrüssen aufzuzählen versäumten: Nehmen wir zum Beispiel Ihre total aus den Fugen geratenen Kürzungsmaßnahmen in der Sozial- und Jugendarbeit.
Aber zu diesen Einsparungen sagen Sie in ihren Neujahrsgrüssen smart :
"... Es ist nicht mit dem Rasenmäher über diese Bereiche hinweggegangen worden."
Und da, Herr Grote, muss ich Ihnen mal beipflichten. Nicht mit dem Rasenmäher, Herr Bürgermeister, der Vergleich stimmt in der Tat nicht. Nicht mit dem Rasenmäher ist über diese Bereiche hinweggegangen worden, sprechen wir lieber von einem Mähdrescher.

Konsequent sind Sie, Grote, da hilft nichts. Für einen Mann, der in einem Interview sagt : "...vornehmliches Ziel muss es sein, Norderstedt für Unternehmer attraktiv zu machen", und der gerne von der "Marke Norderstedt" spricht, die es zu vermarkten gilt (lange schon spricht man nicht mehr von der "grünen Stadt" oder von der einwohner- und familienfreundlichen Stadt).
Ein solcher Mann, der in einem Gespräch mit Norderstedt Marketing plaudert, wie er seinen Job versteht ("Eigenverantwortung und gemeinschaftliches Engagement müssen heute dem Ruf nach immer mehr Staat, in diesem Falle Stadt, weichen..."), hält natürlich fest an seinen Vorsätzen.
Und da ist es nur schlüssig, Autobahnzubringer durch kinderreiche Wohngegenden zu planen, oder Krisenbetten für Jugendliche die Zuschüsse zu kürzen. Dann ist es auch schlüssig, die Bücherei in Garstedt zu schließen und natürlich das Jugendkulturcafe am Aurikelstieg, und es ist schlüssig und konsequent die Beiträge für die Kindertagesstätten indirekt zu erhöhen. Ganze Arbeit, Mähdreschermann.

"Für die voraussehbare Zukunft", schreiben Sie weiter, Herr Bürgermeister, "brauchen wir nicht die Ideologie der Ansprüche, der Leistungsverweigerung ( welche Leistungsverweigerung Sie da wohl meinen ? Die Verweigerung Ihrerseits, den wohnungslosen Menschen ihre Anlaufstelle am Herold Center zu nehmen, eine Anlaufstelle,die zudem zum Größten Teil von ehrenamtlichen HelferInnen
organisiert wurde ?).
"Wir brauchen", schreiben Sie, "keine Extravaganzen ( Recht haben Sie. Aber welche Extravaganzen meinen Sie konkret. Wilhelm Tel. ? Weitere Autobahnzubringer ? Man könnte noch weiter fantasieren. Sie müssen sich präziser ausdrücken, Mähdreschermann.). Wir brauchen keine Ideologie des Eigennutzes, sondern Bescheidenheit, Leistungsbereitschaft und Gemeinnutz..."
Und Sie sagen : "Gestalten Sie also unsere Zukunft mit !"

Und das werden wir, Bürgermeister Grote, oder soll ich Sie ganz im Vertrauen den Mähdreschermann nennen ? Das werden wir, verlassen Sie sich drauf. Und am 27. Januar sind wir wieder auf dem Rathausmarkt um zu demonstrieren.

Und wir kommen wieder. Das ist ein Versprechen.

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Norderstedt, Stadtwerke, Wahlen