+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Donnerstag, 12. Januar 2012, 17:05 Uhr

Klein Borstel: Investorenschutz versus Denkmalschutz

Regionalausschuss zur Wagner-Kate

8. Juni 2011: Symbolische Besetzung der Wagnerkate (Foto: E. Stubel)

8. Juni 2011: Symbolische Besetzung der Wagnerkate (Foto: E. Stubel)

Infoarchiv Norderstedt | Am 19. Dezember 2011 widmete der Regionalausschuss Fuhlsbüttel-Langenhorn (hier kurz RegioAusschuss genannt), der sich auch für das idyllische Klein Borstel zuständig weiß, dem weiteren Umgang mit der historischen Wagner-Kate in der Wellingsbütteler Landstraße. Da auch der Bauherr und die Denkmalschutzbehörde eingeladen waren, schien es spannend zu werden.

Doch ein Wort zur Vorgeschichte. Die Willi-Bredel-Gesellschaft besetzte im Juni 2011 kurzzeitig die Kate (siehe Foto links) und gab in einer Pressemitteilung folgende Stellungnahme ab: „Von allen Beteiligten [der Besetzung] wird es als Skandal empfunden, dass der Resthof von Bauer Wagner an der Wellingsbütteler Landstraße 59 immer weiter verfällt, obwohl er seit dem 10.6.2003 – also seit genau acht Jahren - unter Denkmalschutz steht. Im Gutachten heißt es: ‚An diesem wohlerhaltenen Ensemble ist besonders anschaulich die historische bäuerliche Wirtschaftsweise im Alstertal durch die im Abstand von über 100 Jahren entstandenen Baulichkeiten belegt’ (Denkmalliste Nr. 1382). Nach dem Abriss der Esso-Tankstelle sind in den letzten Jahren auf dem ehemaligen Hof ein Bürogebäude und 20 Reihenhäuser neu errichtet worden. Der letzte erkennbare bauliche Rest dörflichen Lebens in Klein Borstel ist die Reetdach-Kate aus dem 18. Jahrhundert [errichtet um 1740]. Sie wurde 2007 entkernt und ist seitdem dem Verfall preisgegeben. Trotz zahlreicher Aktivitäten von Anwohnern, dem Bürgerverein Fuhlsbüttel, der Willi-Bredel-Gesellschaft und Initiativen in den politischen Gremien der Bezirksverwaltung ist bis heute kein Handschlag für die denkmalgerechte Instandsetzung der Kate erfolgt. Auch das Denkmalschutzamt schaut seit acht Jahren weg…“ Noch vor der Sitzung des RegioAusschusses gab sich der Unterausschuss Bau mit der baulichen Lösung zufrieden, die zwischen Behörden und Investor Michael Soufi (FCC GmbH) ausgehandelt worden war. Dieses Gremium gab sein einmütiges Ja. Wie mir später ein Abgeordneter erzählte, wäre diese Entscheidung im Bauausschuss nicht so harmonisch ausgefallen, wenn man gewusst hätte, was erst im RegioAusschuss bekannt wurde. Er meinte vor allem die späte Erkenntnis, dass Herrn Soufi einst 200.000 Euro zugesichert worden waren. Nun tut sich die Frage auf: Erfuhren die Abgeordneten am 19.12. wichtige Kenntnisse fast beiläufig, was der zuständige Fachausschuss nicht wissen konnte?

Zurück zum RegioAusschuss. Nach Aufruf des Tagesordnungspunktes Wagner-Kate stellte ein Behördenmitarbeiter mit Grundrisszeichnungen und Modellgrafiken das Bauvorhaben an der Wagner-Kate vor, Investor Michael Soufi und Christoph Schwarzkopf von der Hamburger Denkmalschutzbehörde ergriffen das Wort. Alle drei sangen das Loblied auf die gefundene Lösung.bSo soll die Kate in eine exotische Hülle für zwei Wohnungen mit modernsten Komfort umgewandelt und dafür der historische Heuboden geopfert werden. War seit der Entkernung vor vier Jahren eh nicht viel an Bausubstanz verblieben, wird nach der Sanierung nur noch ein (erneuertes) Reetdach und das historische Umgebinde verbleiben. Von denkmalgerechter Rekonstruktion kann nicht die Rede sein.


An die sportplatzzugewandte Seite des Hauses (Foto links) wird der neue Wohnturm angefügt, der mehrere Etagen in die Tiefe geht. Was dort ab 2012 letztlich entstehen wird, ist ein Wohnturm von Feinsten mit nostalgischem Vorbau. Mit Denkmalpflege hat das nichts zu tun. Der beigewählte Bürger der Linksfraktion Franz-Josef Peine sagte Herrn Soufi in der Debatte auf den Kopf zu, dass der es von Anfang an darauf abgesehen habe, die Kate Wind und Wetter auszusetzen, um sie nach ihrem Einsturz abreißen zu lassen und an ihre Stelle profitable Wohnbauten zu setzen. Der Vorsitzende der Willi-Bredel-Gesellschaft Hans Matthaei warf der Denkmalschutzbehörde vor, seit der Verleihung des Denkmalschutzsiegels vor acht Jahren völlig untätig geblieben zu sein. Ein ca. 40jähriger Anwohner berichtete, er sei mit der Aussicht in den Wohnpark gelockt worden, auf einem historischen Bauernhof mit ländlichem Ambiente sesshaft zu werden. Tatsächlich hatte der Investor vor acht Jahren nur deshalb den Zuschlag zum Wohnungsbau bekommen, weil er versprach, die Kate denkmalgerecht zu erhalten. Dazu gehörte die Pflege des historischen Hofpflasters und der alten Linden (vgl. das nachstehende Foto) längsseits der Kate, die unter Naturschutz stehen (unmittelbar vor dem RegioAusschuss hatte Soufi vollendete Tatsachen geschaffen und für die Baufreiheit am geplanten Wohnturm drei der Linden fällen lassen).

Hatte Soufi die Immobilie einmal erworben, dachte er gar nicht daran, sich an die alten Abmachungen zu halten. Fuhr er mit dem Wohnhof schon höchste Rendite ein, wollte er die Kate nicht nur als teure Visitenkarte und Blickfang präsentieren, sondern sie ebenfalls in ein rentables Objekt verwandeln. In seiner Entgegnung auf die Kritiker wurde Herr Soufi dann auch leidenschaftlich: „Sind sie vielleicht durch den Ort gegangen und haben Geld für den Erhalt der Kate gesammelt? Das einzige, was sie seit acht Jahren tun ist, Forderungen zu stellen. Ich hingegen habe Geld in die Hand genommen, und nicht wenig!“ Diese wenig sachliche Vorhaltung ging selbst dem Vorsitzenden zu weit: „Machen Sie ihre Meinungsverschiedenheiten bitte an einem anderen Ort ab!“ mahnte Herr Lewin, als ob es hier um private Differenzen ginge! Denkmalpfleger Schwarzkopf verwahrte sich gegen den Vorwurf der Untätigkeit seiner Senatsbehörde. Man könne in ja die Korrespondenz einsehen, bot er an.

Außerdem habe die Stadt Hamburg bei dem Bauvorhaben 200.000 Euro gespart. Denn ursprünglich habe die Stadt dem Investor diesen Betrag als Zuschuss zur Denkmalerhaltung zugesagt, später aber davon Abstand genommen. Wenn Soufi nach dem Rückzieher dennoch an dem Erhalt der Kate festhielt, so sei das ein Gewinn für Klein Borstel. Wie auf Bestellung sprang dann die Abgeordnete Martina Lütjens (CDU) auf und begrüßte namens des Heimatvereins Klein Borstel die gefundene Lösung. Spätestens hier muss den zahlreichen Bürgern, die (auch in anderen Angelegenheiten) der Sitzung beiwohnten, aufgegangen sein, was hier gespielt wurde. Ein abgekartetes Spiel, eine Inszenierung, eine Farce. Es musste der Eindruck entstehen, dass die Entscheidungen in Sachen Wagner-Kate lange vor der Sitzung gefallen waren. Heute ging es nur noch um die demokratische Legitimation des Unvermeidlichen. Ich hatte die Debatte um die Wagner-Kate mit einer Digicam aufgezeichnet. Da ich jedoch erst einige Minuten nach Sitzungsbeginn eingetroffen war, war es nicht möglich, das Gremium um Erlaubnis zu bitten. Naja, dann wären einige Akteure auch viel vorsichtiger aufgetreten. Als ich nun nachträglich um Erlaubnis bat, die Versammlung aufzuzeichnen, wurde das nicht nur abgelehnt, sondern man verlangte von mir, die Videodatei zu löschen. Dabei hatte die Bezirksversammlung Nord die Digicam für die Bredelgesellschaft finanziert, damit der Verein seine Aktivitäten auch dokumentieren könne... In der anschließenden Pause drohte mir Herr Soufi auf dem Flur: „Wenn ich mitbekomme, dass auch nur eine Passage des Videos in die Öffentlichkeit gelangt, verklage ich Sie.“ Einige Tage nach dieser denkwürdigen Sitzung erschien eine ca. 35jährige Bewohnerin des Wohnparks und fragte naiv, ob man Herrn Soufi den Bau des Wohnturms nicht ausreden könne. „Wenn da keiner einzieht, was will er dann mit dem Turm?“ Auch diese Dame war mit der Aussicht auf Wohnen in bäuerlich-ländlichem Ambiente und Alsterblick auf den Hof gelockt worden, und dies verbunden mit modernsten Wohnkomfort und Anschluss an den Nahverkehr, mit dem man ohne Umzusteigen in 20 Minuten am Hauptbahnhof sei.

Die Sitzung am 19. Dezember 2011 war ein bitteres Lehrstück in Sachen Investorenschutz versus Denkmalschutz in Hamburg. Sehen wir uns beispielsweise die letzten drei Kilometer der Langenhorner Chaussee vor der Landesgrenze nach Schleswig-Holstein an. In den zurückliegenden Jahren sind dort zwei reetgedeckte Katen und das „Langenhorner Schlösschen“, der Bärenhof, abgerissen worden. Eine der Katen verwandelte sich in lukrative Wohnbauten, die andere (der Gasthof „Heimbuche“) in eine Burger-King-Filiale. Der Bärenhof wich dem Autohaus Wichert. Es scheint in Hamburg ein Naturgesetz zu geben: Sobald ein Investor auf der Matte steht, muss der Denkmalschutz kleine Brötchen backen. Und tragen die historischen Baulichkeiten – wie in den genannten drei Fällen – nicht das Gütesiegel der Denkmalpfleger, dann eben das Schicksalssiegel... nko

Die hier wiedergebenen Fotos von E. Stubel (3) und R. Senenko (3) sind zwischen 2005 und 2011 entstanden.