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Donnerstag, 8. September 2011, 20:54 Uhr

"Keiner schiebt uns weg!"

800 Autoliv-Beschäftigte blockieren Werkstore

Betriebsrätin Birgit Jeksties mit Kollegen vor dem Werkstor

Betriebsrätin Birgit Jeksties mit Kollegen vor dem Werkstor (Foto: Peter Bisping)

Von Olaf Harning | Die Empörung der NORMA-Belegschaft nach der angekündigten Schließung der Produktionsstandorte Norderstedt und Rellingen ist groß: Am Montag legten sämtliche 150 Beschäftigte die Arbeit nieder und sprengten eine Betriebsversammlung in der Zentrale von Konzernmutter Autoliv in Elmshorn. Die dort versammelten, rund 800 Autoliv-MitarbeiterInnen erklärten sich solidarisch und blockierten symbolisch die Unternehmenszentrale.

Vater-Tochter-Protest

Vater-Tochter-Protest (Foto: Peter Bisping)

Wenig später gab die IG Metall Unterelbe einen ersten Erfolg der Warnstreikaktionen bekannt: Nachdem sich der Arbeitgeberverband der Textilindustrie geweigert hatte, mit der Gewerkschaft über einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln, will die Autoliv Inc. durch Haustarifverhandlungen einen Arbeitskampf vermeiden. Die Tarifverhandlungen beginnen nach Angaben der IG Metall bereits am Freitag in Pinneberg. Birgit Jeksties, Betriebsratsvorsitzende der Norderstedter NORMA GmbH, schreibt das vor allem der Solidarität und Spontaneität ihrer Belegschaft zu: „Die Kolleginnen und Kollegen sind sauer und haben Angst um ihre Zukunft. Darum sind wir geschlossen dem Warnstreikaufruf unserer Gewerkschaft IG Metall gefolgt.

Gewerkschaft kämpferisch

 

"Wir haben heute gezeigt, dass wir einen Arbeitskampf führen können, auch mit Unterstützungsstreiks im Autoliv-Konzern. Nun liegt es am Autoliv-Management, in den am Freitag beginnenden Tarifverhandlungen für eine Vernunftlösung zu sorgen, die Arbeitskämpfe in der Boomphase der Automobilindustrie verhindert"

 

Uwe Zabel, Verhandlungsführer IG Metall

Jeksties weiter: „Wir können nicht nur gut arbeiten, sondern auch gut kämpfen. Keiner schiebt uns weg – auch ein großer Konzern wie Autoliv nicht. Wir kämpfen eben auch wie David gegen Goliath“. Der Unterstützung durch die Autoliv-Beschäftigten können sich Jeksties und KollegInnen dabei sicher sein: „Der Gesamtbetriebsrat Autoliv solidarisiert sich mit der Belegschaft von NORMA", stellte der Vorsitzende des Gremiums, Frank Petrus, am Montag klar. Gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Marion Senkbeil überbrachte er den Protestierenden die solidarischen Grüße der Autoliv-Beschäftigten in Deutschland und protestierte "auf das Schärfste gegen die unternehmerische Entscheidung, NORMA zu schließen und die Produktion in Billiglohnländer wie Estland und die Türkei zu verlagern".

Autoliv-Beschäftigte vor der Unternehmenszentrale in Elmshorn

Autoliv-Beschäftigte vor der Unternehmenszentrale in Elmshorn (Foto: Peter Bisping)

Auch Klaus Brüggemann, Ortsvorstandsmitglied der IG Metall Unterelbe und Betriebsratsvorsitzender von Autoliv Elmshorn, wünschte den Streikenden Erfolg. Er habe die Erfahrung, so Brüggemann, "dass Solidarität notwendig ist und vieles möglicht macht". Kein Wunder also, dass sich seine Belegschaft an der Aktion der NORMA-Beschäftigten vor der Unternehmenszentrale in Elmshorn beteiligte: Nachdem die 150 Streikenden eine Betriebsversammlung "aufgemischt" hatten, verließen die Autoliv-Mitarbeiter fast geschlossen den Saal und blockierten gemeinsam mit den Betroffenen Zufahrt und Haupteingang des Unternehmens. Und: Sollte die IG Metall sie aufrufen, sind die Autoliv-MitarbeiterInnen offenbar auch zu Unterstützungsstreiks des Hauptarbeitskampfes bei NORMA bereit. Brüggemann: "Wir müssen im Konzern einheitliche Standards für Sozialtarifverträge (...) verteidigen und gegen Billiglösungen antreten. Das Mindeste, was passieren muss (...) ist, dass die Entlassungen (...) bis Ende 2013 hinausgeschoben werden.

Uwe Zabel mit Demonstrierenden

"Gut organisierte Spontaneität": Uwe Zabel mit Demonstrierenden (Foto: Peter Bisping)

Vor dem Hintergrund der kollektiven Aktionen äußerte sich IG Metall-Streikleiter und Verhandlungsführer Uwe Zabel überaus zufrieden mit der Entschlossenheit der Beschäftigten. Die Schließungspläne machen ihn bis heute zornig: „Der Autoliv-Konzern macht hohe Profite und hat daher eine soziale Verantwortung für die Beschäftigten von NORMA. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer boomen und jetzt will Autoliv zur Profitmaximierung 150 Menschen und ihre Familien in die Massenarbeitslosigkeit schicken. Das nehmen wir nicht kampflos hin!" Zwar verhandelt die IG Metall zunächst einen Sozialtarifvertrag, um die Betroffenen zumindest ein Stück weit abzusichern, Hauptforderung der Gewerkschaft bleibt aber der Erhalt der Arbeitsplätze. Erst wenn dieser Kampf gescheitert ist, strebt Zabel eine "TransferPlus-Lösung", also Abfindungen plus Transvergesellschaft, für die NORMA-Beschäftigten an. Bis dahin aber verlässt er sich auf die Kampfkraft der Belegschaft(en) - und auf Rosa Luxemburg: „Nichts ist schwieriger als gut organisierte Spontaneität“ nahm Zabel auf der Elmshorner Kundgebung eine verbale Anleihe bei der Ikone der Arbeiterbewegung.

 

 

Nachtrag: Mitte September konnte die IG Metall ein umfassendes Verhandlungsergebnis über den Abschluss eines Sozialtarifvertrages präsentieren.