+ + + ARCHIVIERTER INHALT + + +

Diese Seite kommt aus unserem Archiv und enthält möglicherweise Informationen, die nicht mehr aktuell sind. Bitte beachten Sie das Veröffentlichungsdatum dieser Seite.

Samstag, 8. Mai 2004, 2:00 Uhr

Keine Wohlfahrt mehr bei der AWO

Die Organisation kündigt Tarifverträge und lagert Beschäftigte aus

Olaf Harning | "Solidarität und der Wille zu sozialer Veränderung", das waren einst die Gründungsmotive für die Mütter und Väter der AWO. Heute werden diese Ideale von Männern wie dem aktuellen Bundesvorsitzenden Manfred Ragati mit Füßen getreten. Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen ist Ragati derzeit schwer damit beschäftigt, die Solidarität unter den rund 170.000 hauptamtlichen AWO-Beschäftigten gewaltsam zu brechen und die sozialdemokratische Organisation von Gewerkschaftsrechten zu säubern: Zum 31. März hat die Organisation die Tarifverträge mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gekündigt.
Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Norderstedter AWO am 27. März im Festsaal am Falkenberg stellte der Ortsvorsitzende Dr. Volker Schmidt (Ex-Bürgermeister Norderstedt, SPD) nun diese "Strukturreform" auch den lokalen 465 (2002: 487) Mitgliedern vor. Demnach ist mittlerweile die Regionalgesellschaft AWO Unterelbe GmbH mit Sitz in Pinneberg für die Beschäftigten der Landkreise Dithmarschen, Steinburg, Pinneberg und Segeberg zuständig, der Kreisverband Segeberg ist Gründungsgesellschafter.
Während auf der Homepage der AWO unter "Grundwerte" immer noch zu lesen ist, dass "Gerechtigkeit (...) einen Ausgleich in der Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht" fordert und dass Menschen Recht auf soziale Sicherung haben, will Ragati die bislang tariflichen Löhne um 20 bis 30 Prozent senken und die Solidarität der AWOrianerInnen durch unterschiedliche Entlohnung, Urlaubsanspruch und Wochenarbeitszeit untergraben. In neuen Arbeitsverträgen sind u.a. unbezahlte Überstunden, eine generell erhöhte Wochenarbeitszeit und Koppelung des Weihnachtsgeldes an Krankheitstage vorgesehen.
In aller Stille und ohne großes Aufsehen ist die einstige Wohlfahrtsorganisation zu einem reaktionären, kapitalistischen Beratungs-Unternehmen geworden. Die Arbeit zehntausender SozialdemokratInnen, die einst den solidarischen Gedanken der AWO entwickelt und gelebt haben, wurde damit im Jahre 2003 - und damit 84 Jahre nach der Gründung der Organisation - von einer handvoll neoliberaler Karrieristen zerstört.

Zerstörer des AWO-Gedankens: Dr. Manfred Ragati, Träger des Bundesverdienstkreuzes

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten Norderstedt, SPD, ver.di