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Samstag, 20. Dezember 2003, 1:00 Uhr

Kahlschlag bei Frauen und Opfern sexualisierter Gewalt

Notruf und Beratungsstellen in Existenz bedroht

Info Archiv | Der Kürzungswahn geht auch im Kreis Segeberg weiter. Mit der CDU drehte nun ausgerechnet die Partei den Beratungsstellen und Notrufen für Frauen und misshandelte Kinder den Hahn zu, die ansonsten stets die besondere Unterstützung der Opfer von Gewalttaten fordert.

Nach den aktuellen Kahlschlagsbeschlüssen des Segeberger Kreistags geht es für die Einrichtungen nun ans Eingemachte. Laut "Heimatspiegel" stehen sie nun vor der Frage: "Welche misshandelten Frauen, welche missbrauchten oder gefährdeten Kinder werden wir künftig vor der Tür stehenlassen müssen ?". Dabei ist es gar nicht so viel Geld, dass nun ausgerechnet bei den Bedürftigsten eingespart werden soll: Die kümmerlichen 45.000 Euro sollen schon ab dem 1. Januar 2004 helfen, den angeschlagenen Segeberger Haushalt zu sanieren. Die betroffenen Einrichtungen sind hingegen in ihrer Existenz bedroht. Betroffen sind also schon in wenigen Wochen das "Frauenzimmer" in Bad Segeberg, der "Frauentreffpunkt" in Kaltenkirchen, die "Frauenberatungsstelle und Notruf" in Norderstedt und die "Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt" des Kinderschutzbunds in Bad Segeberg mit Außenstellen in Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg und Norderstedt. Während die Frauenberatungsstellen künftig 19 % weniger Zuschüsse vom Kreis erhält, sollen ausgerechnet dem Kinderschutzbund satte 33 % weniger zur Verfügung gestellt werden. In einer ersten, geschockten Reaktion hatte der Kinderschutzbund schon nach der Vorentscheidung des Hauptausschusses im Oktober deutlich gemacht, wie hoch der reale Bedarf ist: nämlich mit 170 % sogar höher, als das bisherige Angebot. Als besonders zynisch weist die Organisation außerdem darauf hin, dass es der Kreis Segeberg selber war, der 1995 auf den Kinderschutzbund zugegangen war und darum gebeten hatte, Krisenhilfe, Beratung und Therapie für von sexueller Gewalt betroffene Kinder anzubieten. Im Kreis sind immer wieder schlimmste Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder aufgetreten. Auch im jüngsten Fall von Kinderpornographie im Internet, dem Fall "Marcy", wird gegen mutmaßliche Täter aus dem Kreis ermittelt. Doch auch Fälle von Kinderprostitution und anderer grausamer sexueller Gewalt und sexuelle Gewalt jugendlicher Täter gegen kindliche Opfer sind im Kreis Realität. "Wir sind zutiefst erschüttert, dass wir durch die Entscheidung des Hauptausschusses in Zukunft gezwungen sein werden, auf dieses Leid der Kinder nicht mehr ausreichend zu reagieren", erklärt Irene Johns, Vorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein. "Im vergangenen Jahr haben wir deutlich mehr Kindern Hilfe geboten, als unsere personelle Struktur vorsieht, wir hatten eine Auslastung von 170 Prozent. In diesem Jahr entwickeln sich die Hilfeanfragen von kindlichen Opfern sexueller Gewalt in einem vergleichbaren Ausmaß", stellt Michaela Langen, Leiterin der Fachberatungsstelle fest. "Durch unsere werktägliche Bereitschaft tragen wir bislang dafür Sorge, dass kindliche Opfer von sexueller Gewalt innerhalb von wenigen Tagen Hilfen bekommen", so Michaela Langen weiter. Die Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt bietet niedrigschwellige Hilfen für Kinder und Eltern in Not an. Sie hat vier Standorte, um den gesamten Kreis zu versorgen und der Regionalisierung von Hilfen zu entsprechen. Die Hauptstelle ist in Bad Segeberg angesiedelt, die drei Nebenstellen in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen. "Die finanziellen Kürzungen werden tiefgreifende Veränderungen zur Folge haben. Wir werden wesentlich weniger Hilfen anbieten können. Das ist ein furchtbarer Schlag für die Opfer und ihre Eltern", zeigt sich Michaela Langen bestürzt. "Als Träger sehen wir keine andere Alternative, als Nebenstellen zu schließen und die Hilfe für Kinder, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, stark einzuschränken. Es sei denn, wir können uns mit dem Kreis Segeberg und den betroffenen Kommunen auf eine andere Lösung einigen. Angesichts der besonders schlimmen Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder im Kreis Segeberg hoffen wir sehr, im Sinne der betroffenen Kinder eine Lösung zu finden", setzt Irene Johns auf einen konstruktiven Dialog mit den betroffenen Kommunen und dem Kreis.