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Dienstag, 3. Dezember 2002, 1:00 Uhr

Jungheinrich-Vertrauenskörper protestiert gegen Hartz

Wer zu spät kommt, den bestraft das Arbeitsamt, wer zu alt ist, den bestraft das Arbeitsamt und wer ein Dienstmädchen beschäftigt, den belohnt die Regierung . . .

IG Metall-Vertrauenskörper-Leitung bei Jungheinrich | 1. Wer zu spät kommt, den bestraft das Arbeitsamt
Im Gesetzesentwurf wird durch § 37b SGB III "Frühzeitige Arbeitssuche" und § 140 SGB III "Minderung wegen verspäteter Meldung" festgelegt, das eine Meldung sofort nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsamt zu erfolgen hat, unabhängig ob gegen die Kündigung geklagt wird oder nicht. Jeder Tag der verspäteten Meldung wird mit Geldbuße bestraft von 7 Euro bei 400 Euro Arbeitslosengeld und bis zu 50 Euro bei 700 Euro Arbeitslosengeld. Entsprechend werden auch Überbrückungsgelder gekürzt.

2. Wer zu alt ist, den bestraft das Arbeitsamt
Im zukünftigen §14 Abs.3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge ist es möglich, ein Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund zu befristen, wenn jemand älter als 50 Jahre ist. Bislang war es nur möglich, wenn man älter als 58 Jahre war. Gleichzeitig wird Erwerbslosen, die älter als 55 Jahre sind, angeboten maximal bis zu ihrem 60 Lebensjahr 50% ihres Arbeitslosengeldes zu beziehen und sich nicht mehr vermitteln zu lassen. Mit 60 Jahren müssen sie dann in Rente gehen, mit den entsprechenden Abzügen.
Stellen Firmen Erwerbslose ein, die älter als 55 Jahre sind, so müssen sie keine Sozialabgaben zahlen, sondern diese werden von der Arbeitslosenversicherung gezahlt. Ebenso bezahlt die Arbeitslosenversicherung 50% der Differenz des letzten Arbeitslosengeldes zum neuen Nettoverdienst an den vormals Erwerbslosen. Damit bezahlen sich die in ein neues Beschäftigungsverhältnis Gekommenen zum Teil selbst, durch ihre angesparten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

3. Wer ein Dienstmädchen einstellt, den belohnt die Regierung
Im SGB IV wird der §8a eingefügt, der die geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten regelt. In Zukunft ist die Obergrenze für diese Art der Beschäftigung nicht mehr 325 Euro sondern 500 Euro, galt bislang aber die Begrenzung der Arbeit auf 15 Stunden pro Woche fällt diese in Zukunft völlig weg, damit sind Arbeitszeiten von 48 Stunden pro Woche möglich und der Arbeitslohn halbiert sich auf zwischen 2 und 3 Euro.

4. Leiharbeit lohnt sich, aber nicht für Leiharbeiter und Festbeschäftigte
Kernpunkt der neuen Gesetze ist die Ausweitung der Leiharbeit. Hierzu schließt das Arbeitsamt Verträge mit bestehenden Verleihfirmen zur Einrichtung von "Personal-Service-Agenturen" (PSA) und finanziert sie oder beteiligt sich an Leiharbeitsunternehmen und finanziert sie (in beiden Fällen mit den Beiträgen, die wir in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben). Sollten sich wieder Erwarten keine Leihfirmen finden (aber wer läßt sich schon solche Geldgeschenke entgehen) kann das Arbeitamt eigene PSA gründen. Die PSA sollen die Erwerbslosen verleihen.
Die gute Nachricht scheint zu sein, daß die Leiharbeitnehmer bei Lohn und Arbeitszeit mit den Festangestellten gleichgestellt werden müssen. Allerdings nur dann, wenn die Verleihfirma keinen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Hat die Verleihfirma einen Tarifvertag abgeschlossen, ist durch tarifvertragliche Regelungen folgendes möglich:
- keine Gleichstellung bei Lohn und Arbeitszeit
- Leiharbeiter können unbefristet in einem Unternehmen bleiben
Auch ohne Tarifvertrag soll zukünftig gelten:
- Leiharbeiter können für nur einen Auftrag eingestellt werden
- Festangestellte können rausgeschmissen werden und als Leiharbeiter wieder eingestellt werden
Wenn ein Verleiher keinen Tarifvertrag abschließt, braucht er seine Leiharbeiter trotzdem nicht mit den Festangestellten gleichzustellen, sofern er sie nicht länger als 6 Wochen verleiht.
Dazu folgendes Zitat:
»Die Gewerkschaften werden Tarifverträgen für Zeitarbeiter zustimmen,
die 20 Prozent unter den Löhnen der Stammbelegschaft liegen«.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am 27.11.02 auf einem
Symposium der Schweizer Firma Adecco (Zeiarbeitsfirma) in Berlin

Forster, Vorstandsvorsitzender bei Opel will, wenn die Gesetze beschlossen sind, circa 10% des Arbeitskräftebedarfs mit Leiharbeitern decken, aber die Stammbelegschaft entsprechend reduzieren. Die Leihkräfte werden aber nur für ein halbes Jahr benötigt.
Zitiert nach Stern 47/2002 S.64

5. Ausbildung lohnt sich - für den Ausbildungsbetrieb
Wenn es nach Hartz, geht wird das Lehrgeld wiedereingeführt, noch ist es nicht Gesetz, aber die Regierung hat vor und nach der Wahl damit gedroht, Hartz 1:1 um zu setzten. Bei Hartz nennt sich das Lehrgeld vornehm AusbildungsZeit-Wertpapier. Das heißt konkret, die Eltern und Verwandten kaufen dem Kind eine Ausbildung in Form dieses Papiers. Seinen Wert entfaltet es dadurch, daß bei Betrieben, die keine Ausbildungsvergütung zahlen, es zum Unterhalt des Auszubildenden dient oder das die Ausbildungskosten dem Ausbildenden Betrieb bezahlt werden. Also: wenn Papi zahlen kann, wird aus dem Kind was.

Es geht bei den Hartz-Gesetzen darum die Arbeitslosen billiger zu machen und die bislang Festbeschäftigten genauso. Wenn es die Tarifverträge für die Leiharbeiter gibt, werden alle Tarifverträge unter Druck kommen. Lohn und Gehalt, Arbeitszeit, sowie alle erkämpften Schutzrechte werden angegriffen.

Dagegen müssen wir uns wehren!

Veröffentlicht in Arbeit & Kapital mit den Schlagworten Gewerkschaften, SPD