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Dienstag, 6. März 2007, 1:00 Uhr
"Jede Woche eine neue Welt..."
Tchibos "Engagement" in Schwellen- und Entwicklungsländern. Ein Beitrag zum 8. März.
Matilda Nyman | Kürzlich äußerte sich Claudia Meyer, die Norderstedter Gleichstellungsbeauftragte, zum 8.März: Der internationale Frauentag, sagte sie, sei zwar über 90 Jahre alt, die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft, vor allem im Beruf, aber noch lange nicht hergestellt. Nicht nur die Statistiken hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Lohnzahlungen an Frauen geben der Gleichstellungsbeauftragten Recht, auch die Schlagzeilen der Printmedien berichteten in den letzten Wochen über die skandalöse Situation von Frauen im sogenannten Billiglohnsektor. In einem Hamburger Hotel, titelten unlängst Abendblatt, Morgenpost und Bild, schuftete eine junge Reinigungskraft für 2,46 Euro die Stunde. Längst kein Einzelfall.
Auch in Norderstedt gibt es ähnliche Arbeitsbedingungen für Frauen: Die Friseurkette C&M ist am Busbahnhof des Herold Centers ansässig und wirbt damit, jeden Haarschnitt für zehn Euro anzufertigen. Das freut die KundInnen, läuft aber auf Kosten des Personals: Die Arbeitsverträge der Firma sind eine bodenlose Frechheit. Wer nicht täglich einen Umsatz von 200 Euro macht - so berichtete das Hamburger Abendblatt - ist seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen und verdient gar nichts.
Und bei Tchibo?
Ich telefoniere mit einer Verkäuferin der Filiale am Schmuggelstieg. "Alles Schwindel", kommentiert sie die Vorwürfe internationaler Menschenrechtsorganisationen zu der Situation der Näherinnen. Und ihre eigenen Arbeitsbedingungen? Sie sei sehr zufrieden, versichert sie mir, könne sich aber nicht mit mir unterhalten, da sie wie gewöhnlich ganz allein im Laden wäre und kassieren, beraten und was-weiß-ich-noch-alles machen müsse. Prima Arbeitsbedingungen, denke ich mir. Zweifellos aber besser als die Situation der Frauen in Bangladesch...
Auf den Internetseiten des achtgrößten Textilliferanten Deutschlands gibt sich der Tchibokonzern gutväterlich: "Da wir in einer arbeitsteiligen, globalisierten Welt auch mit Zulieferern in Schwellen- und Entwicklungsländern kooperieren, tragen wir eine besondere Verantwortung dafür, unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen unsere Produkte entstehen", ist dort zu lesen.
Die Wahrheit sieht folgendermaßen aus:
Tchibo schert sich einen Dreck um seine Näherinnen. Zwar hat das Unternehmen auf Grund internationaler Proteste einen Verhaltenskodex festgeschrieben, dieser Kodex entspricht aber in keiner Weise den internationalen Vereinbarungen zu sozialen Mindesstandards. Es fehlt beispielsweise das Recht auf Versammlungsfreiheit und Tarifverhandlungen. Die Bezahlung eines existenzsichernden Lohns ist darin ebenso wenig zugesichert, wie menschenwürdige Arbeitszeiten.
Der 8. März als internationaler Frauentag lässt sich historisch zurückverfolgen auf das Jahr 1917, in dem in Petersburg der Streik von Textilarbeiterinnen die Februarrevolution in Gang brachte und den Sturz des Zaren, das Ende des Krieges, sowie die wirtschaftliche und politische Umwälzung in Russland einleiten sollte. 90 Jahre später ist die Situation von Näherinnen (nicht nur in Bangladesch) ähnlich prekär. Tchibo verspricht uns wöchentlich eine neue Welt.
Eine gerechtere Welt ist zwar ebenfalls möglich, aber nicht käuflich zu erwerben. Lediglich zu erkämpfen.
Hintergrundinformationen gibt es u.a. unter www.saubere-kleidung.de.