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Donnerstag, 15. September 2005, 2:00 Uhr
"... haben ein ausgeglicheneres Verhältnis von Fördern und Fordern verankert"
Monika Heinold (46), Bündnis 90 / Die Grünen
Info Archiv Norderstedt | Monika Heinold wurde im Dezember 1958 in Gütersloh geboren und wuchs mit ihren zwei Geschwistern in Hamburg und Schleswig-Holstein auf. Heute wohnt sie im kleinen Örtchen Hardebek und hat zwei 16- und 18jährige Söhne. Mit ihrem 16. Lebensjahr begann sie eine Lehre als Erzieherin und arbeitete anschließend in einer KiTa, einem Jugendzentrum und einer Mädchenwohngruppe. 1983 und 1984 bereiste sie verschiedene Kontinente und wurde vor allem in Neuseeland ökologisch Politisiert: "Dort hatte ich erlebt, wie sich Menschen für ihre Umwelt einsetzten, das Land wurde mein Vorbild."
Monika Heinold trat 1984 mit 26 Jahren in die Grüne Partei ein und wurde 1990 Mitglied im Segeberger Kreistag. 1992 bis 1994 als Kreisrätin und 1994 bis 1996 als bürgerliches Mitglied im Finanz- und Jugendhilfeausschuss sammelte sie weitere kommunalpolitische Erfahrung, bis sie 1996 grüne Landtagsabgeordnete wurde. Monika Heinold ist heute Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Kieler Landtag. Unsere Fragen beantwortete sie wie folgt:
Info Archiv: Bekanntermaßen gibt es nach den Wahlen in der Regel nur SiegerInnen. In welcher Situation würden Sie sich am 19. September subjektiv als Wahlsiegerin bezeichnen, unter welchen Umständen persönlich eine Wahlniederlage zugestehen?
Monika Heinold: ERFOLG: mehr Prozente als bei der letzten Bundestagswahl-Wahl und/oder an der Regierung bleiben. mit einem dritten Mandat für SH in den BT einziehen NIEDERLAGE: unter sieben Prozent fallen
Info Archiv: Was sind Ihre drei wichtigsten Themen im Wahlkampf, wofür steht Monika Heinold persönlich?
Monika Heinold: Soziale Gerechtigkeit, Förderung von Kindern und Familien, Arbeit für Alle
Info Archiv: Die "Segeberger Zeitung" berichtete am 6. September davon, dass das "Leistungszentrum Segeberg" gerade hunderte EmpfängerInnen des Arbeitslosengeldes II auffordert, sich günstigere Wohnungen zu suchen. Ihre Partei hat die politischen Grundlagen für diesen Vorgang beschlossen, was empfinden Sie angesichts dieser Meldung?
Monika Heinold: Die Meldung schockiert. Man muss aber die genauen Umstände kennen, um ein Urteil fällen zu können. Aus meiner Sicht ist es grundsätzlich nicht gerecht, aus Steuergeldern einer Einzelperson, die staatliche Transferleistungen erhält, eine hochpreisige Wohnung mit mehr als 100 qm. voll zu bezahlen. In vergleichbaren Fällen halte ich einen Umzug durchaus für gerechtfertigt. Allerdings müssen die individuellen Lebensumstände (Alter, Behinderung, Gesundheit, Familiensituation) immer sorgfältig geprüft werden, ebenso der reale regionale Wohnungsmark; und die anfallenden Umzugskosten müssen einkalkuliert werden, denn diese hat die Behörde zu erstatten. Nach sorgfältiger Abwägung muss eine solche Entscheidung immer in einem zumutbarer Rahmen stehen: Der Zeitraum für die Suche einer neuen Wohnung/ Untermietern muss ausreichend lang sein, also mindestens sechs Monate.
Info Archiv: Ende Mai 2005 holte die Segeberger Ausländerbehörde die Familie Özdemir aus dem Schlaf und schob sie - in zwei Schüben - ab. Die psychisch kranke Frau Özdemir wurde später in lebensgefährlichem Zustand und ohne Medikamente in Istanbul aufgelesen, sie erlitt eine starke Retraumatisierung. Nur einen Monat später holte die Ausländerbehörde dann den akut suizidalen Kurden Murat Savas nachts aus der stationären Behandlung in der psychiatrischen Klinik Rickling und schob ihn ab. Savas ist seit seiner Landung in Istanbul verschollen. Wie bewerten Sie diese Vorgänge?
Monika HeinoldUnmenschlich und mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar.
Info Archiv: Im Kreis Segeberg sind mehr als 11.000 Menschen arbeitslos gemeldet, Tendenz steigend. Warum sollen diese Menschen am 18. September die Grünen wählen?
Monika Heinold: Weil nur wir GRÜNE für Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit stehen, für die Umwelt und für die Menschen. Wir haben, wollen und werden mit neuen umweltfreundlichen Technologien Arbeitsplätze schaffen und Deutschland auf dem Weltmarkt in die Spitzenposition bringen. Weil wir GRÜNE Eigeninitiative fördern, auch auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben mit den Arbeitsmarktreformen ein ausgeglicheneres Verhältnis von Fördern und Fordern verankert - es braucht Zeit bis diese Reformen wirken. Erste Erfolge zeichnen sich allmählich ab und werden die aufgetretenen Problem lösen, wenn der Wähler dies will. Weil wir die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest machen werden und beenden, dass gerade diejenigen sich der Solidarität entziehen, die am meisten Finanzkraft haben. Weil wir damit auch ein Senkung der Lohnnebenkosten erzielen werden, die den Faktor Arbeit entlastet und dadurch der Wirtschaft neuen Auftrieb geben wird.
Info Archiv: Frau Heinold, Sie haben sich in den 90er Jahren persönlich um die Probleme junger Frauen mit dem Sozialamt Henstedt-Ulzburg gekümmert, das für seinen repressiven Umgang berüchtigt ist. Heute stehen Sie als Bündnis-Grüne für die Hartz-Gesetze ein, die nach Ansicht von Feministinnen und Frauenverbänden die "Gleichstellung um Jahrzehnte zurückwerfen" und die Verdrängung von Frauen aus dem Arbeitsmarkt bewirken. Haben Sie die Seiten gewechselt oder verstehen die heutigen Feministinnen nicht, was gut für sie ist?
Monika Heinold: Nein, natürlich habe ich die Seiten nicht gewechselt! Ebenso wenig darf man den Frauen Unverständnis unterstellen. Hartz IV hat einige positive Aspekte für Frauen mit sich gebracht: Ehemalige Sozialhilfeempfängerinnen haben jetzt eine Leistungsanspruch gegenüber der Arbeitsagentur - das wird gerne vergessen. Aber in der Umsetzung hackt es vor Ort und es gibt auch wirkliche Schwachstellen in Hartz IV, das weiß ich sehr genau. Wer kein ALG II bezieht, der hat trotzdem Anspruch auf Beratung und Vermittlung. Hier wird leider vor Ort nicht gut informiert. Die Einkommensanrechung des (Ehe)Partners ist ein Problem, hier muss aus meiner Sicht unbedingt nachgebessert werden. Am gerechtesten wäre ein wirklicher individueller Anspruch - auch und gerade für Frauen - zumindest aber eine Veränderung der Anrechnungsmodalitäten für das Partnereinkommen. Damit wäre dann auch die Krankenversicherungsproblematik für nicht leistungsberechtige Frauen gelöst.
Info Archiv: Ihre Partei ist wohl vor allem dadurch stark geworden, sich kompromisslos für die Umwelt und die Gesundheit einzusetzen, auch durch die massiven Proteste der Grünen ist "Atomkraft" überhaupt zu einem Negativ-Begriff geworden. KritikerInnen werfen Ihnen vor, dass Sie mit dem sogenannten Atom-Kompromiss nicht zur Abschaffung der Atomkraft getan-, ihr dafür aber eine teilweise 30jährige Laufzeit garantiert haben. Ihr ehemaliger Parteikollege Thomas Ebermann spottet heute über die Grünen nach dem Atomkompromiss: "Nun hoffen alle, das die Reaktoren auch so lange durchhalten, wie ihnen Laufzeit gegeben wurde!". Was denken Sie über den Atomkompromiss?
Monika Heinold: Ich hätte mir einen schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie gewünscht. Dennoch ist mir ein fest vereinbarter Ausstiegsplan lieber als eine Verlängerung der Laufzeiten oder eine Planung für neue Atomkraftwerke. Auch deshalb lohnt es sich, die GRÜNEN zu wählen, denn nur mit uns wird es einen Ausstieg aus der Atomkraft geben. Gewinnt rot-grün die Wahl, wird u.a. das AKW Brunsbüttel 2009 abgeschaltet - auch dafür kämpfe ich in diesem Wahlkampf!
Info Archiv: Ihre Partei ist im Kreis Segeberg beinahe nicht mehr wahrnehmbar. Nach Abspaltung der GALiN in Norderstedt als Reaktion auf den Afghanistan-Feldzug, dem Austritt vieler FunktionsträgerInnen ebendeshalb und nach Verabschiedung der Hartz-Gesetze und nun der Konkurrenz durch WASG und Linkspartei laufen Sie im Kreis auf dem Zahnfleisch. Wie wollen Sie die Grünen wieder fit machen in der Region?
Monika Heinold: Ich setze mich im Land, aber auch im Kreis für eine starke und wahrnehmbare Politik meiner Partei ein. Wenn sie die Regionalpresse verfolgen werden Sie feststellen, dass ich viel unterwegs bin um für GRÜNE Politik zu werben und um mit den Menschen vor Ort zu reden. Ich wünsche mir, dass zukünftig mehr Menschen in meinem Kreisverband aktiv sind, aber erzwingen kann ich das nicht. Deshalb freue ich mich über jeder Mitglied, welches sich verantwortungsvoll für meine Partei einsetzt und beklage mich nicht darüber, dass es zu wenige sind. Was zählt, ist das Engagement unsere Mitglieder, und unsere Ideen- und die sind gut.
Info Archiv: In Norderstedt kämpft das selbstverwaltete Soziale Zentrum um sein Überleben. Die Stadtverwaltung hat die Verträge gekündigt und betreibt die Räumung. Wie denken Sie als Vorsitzende des Vereins für Jugend- und Kulturarbeit über die Entwicklung in Norderstedt, unterstützen Sie die überwiegend jugendlichen NutzerInnen?
Monika Heinold: Dieses ist eine Entscheidungen der Kommunalpolitik vor Ort. Als Vorsitzende des Vereins ist es nicht meine Aufgabe, mich in kommunalpolitische Entscheidungen einzumischen. Wie Sie aber wissen, stehe ich als Politikerin dafür, dass es gerade für Kinder und Jugendliche attraktive Angebote zur Freizeitgestaltung gibt.
Info Archiv: Die Grünen haben in den letzten Jahren so ziemlich alle ehemaligen Grundsätze gebrochen: Sie vereinbarten teils mehrere Jahrzehnte Laufzeit zahlreicher Atomreaktoren, unterstützten deutsche Kriegseinsätze ohne Kriegserklärung und verabschiedeten die Hartz-Gesetze bei gleichzeitiger Senkung der Höchststeuersätze. Wo genau haben die Grünen Rückrat? Was kann man mit Monika Heinold im Bundestag nicht machen?
Monika Heinold: Ich habe feste Grundsätze: so möchte ich im Bundestag vor allem für Nachhaltigkeit streiten, um der zukünftigen Generation eine gesunde und lebenswerte Umwelt zu hinterlassen. Näheres können sie auf meiner homepage nachlesen: www.monika-heinold.de
Mit freundlichen Grüßen
Monika Heinold
Monika Heinold vor der Jugendarrestanstalt Neumünster-Moltsfelde: "Wie eine angemessene und differenzierte Reaktion auf jugendliches Fehlverhalten aussieht, erläuterte mir der Leiter Manfred Drechsler. Ich konnte mich davon überzeugen, dass die hier geleistete Erziehungsarbeit Jugendliche positiv beeinflusst."