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Freitag, 21. Mai 2004, 2:00 Uhr
Grote & Friends
Der Bürgermeister im Wahlkampf - seine Gegner auch
Von Olaf Harning | "Schmuggler des Jahres: H.J. Grote (Nochbürgermeister der Stadt Norderstedt)", so waren hunderte Flugblätter überschrieben, die zwei Aktivisten am 30. April anlässlich des Ochsenmarktes am Schmuggelstieg verteilten. Darauf wird dem amtierenden Bürgermeister zum wiederholten Mal vorgeworfen, drastische Kürzungen im sozialen Bereich vorzunehmen und gleichzeitig Millionen für Prestigeprojekte auszugeben.
Doch der Bürgermeister ist - wie kürzlich ein städtischer Beamter zu Bündnis-Aktivisten bemerkte - ein "würdiger Gegner". Tatsächlich agiert Hans Joachim Grote bislang mehr als geschickt: Anfang Mai meldet die "Norderstedter Zeitung" überraschend, dass der Kommunikations-Anbieter wilhelm.tel, bislang desaströses Millionengrab der Stadtwerke, nunmehr Gewinne einfahre. Überprüfen kann dies freilich niemand und nur Tage später widerspricht der ehemalige Stadtrat Jürgen Messfeldt heftig. Kurz zuvor berichtet dieselbe Zeitung, das Unternehmen "Albert Mühlenberg" müsse wohl die Stadt verlassen, weil keine passende Gewerbefläche für die nötige Expansion vorhanden sei. Tags darauf meldet sich der Bürgermeister zu Wort und betont, wie froh die Stadt deshalb über das (freilich massiv umstrittene) "Logistik und Distributions-Centrum (LDC)", bzw. seine Gewerbeflächen sein könne. Wieder einige Tage zuvor: Die Abendblatt-Beilage druckt einen Artikel, in dem die städtischen Bemühungen zur Verringerung von Lärmbelästigungen dokumentiert werden. Gleichzeitig werden in der ganzen Stadt Flugblätter an die Haushalte verteilt, in denen der Bürgermeister von der zweiten Seite lächelt und im Namen einer "AGENDA-Aktion" behauptet: "Norderstedt - Lebenswert leise". Und ebenfalls interessant: Mal berichtet die Norderstedter Zeitung, dass die Stadt 44 Millionen Euro Schulden plagen (freilich ein Bruchteil der tatsächlichen Verbindlichkeiten von wilhelm.tel und Stadtentwicklungsgesellschaft egno), mal gibt es laut Grote deutlich höhere Gewerbesteuereinnahmen in seiner Amtszeit, ergo: keine Probleme. Während die bis jetzt enttäuschende SPD-Kandidatin Elisabeth Kühl auf einen eher klassischen Wahlkampf mit Flugblatt-Verteilungen, Plakaten und Veranstaltungen angewiesen ist, lebt Kandidat Grote im Wesentlichen von einer genehmen Berichterstattung und allgegenwärtiger Präsenz in der Stadt.
Immerhin wird dabei deutlich, dass der Bürgermeister durchaus Respekt vor den öffentlichen Protesten des Bündnisses für eine soziale Stadt entwickelt hat. Anders ist nicht zu erklären, dass er es offenbar für notwendig hält, die wesentlichen Argumente der Kürzungs-GegnerInnen öffentlich widerlegen zu lassen. Zur Erinnerung: Mit insgesamt vier Kundgebungen auf dem Norderstedter Rathausmarkt (jeweils rund 150 TeilnehmerInnen) hatte ein Bündnis aus linken- und sozialen Gruppen der Stadt immer wieder darauf hingewiesen, dass Bürgermeister und Stadtvertretung massive Einschnitte in der Jugendarbeit, der Drogen- und Obdachlosenhilfe und im KiTa-Bereich vornehmen, um zeitgleich andererseits Prestigeprojekte mit weitaus mehr Geld zu fördern. Zu diesen Projekten zählte das Bündnis bislang auch den Kommunikations-Anbieter "wilhelm.tel", der bis 2003 jährlich deutliche Verluste ausweisen musste. Plötzlich ist aber nun offizielle Lesart, dass diese Zeiten vorbei sind, überraschend "schießt wilhelm.tel in die Gewinnzone". Das LDC erweist sich ebenso überraschend als dringend, fast quälend erforderlich und Kürzungen gibt es eigentlich gar nicht.
Nachdem das Bündnis mittlerweile das jetzt geschlossene Kulturcafé als Treffpunkt verloren hat und sich zwischenzeitlich in der Kindertagesstätte Tannenhofstraße einnistete, intervenierte der Bürgermeister Ende April höchstpersönlich und untersagte diese Form der "Raumnutzung" - indes ein deutliches Zeichen der Schwäche.
Nichtsdestotrotz: Hans-Joachim Grote gleitet derzeit souverän seiner Wiederwahl entgegen. Bislang hat er es überaus erfolgreich verstanden, aus dem Hintergrund die sozialen Strukturen der Stadt zu zerschlagen, mit den Folgen aber kaum verbunden zu werden. Ganz im Gegenteil: Nach offizieller Lesart gibt es gar keine Folgen ... und "Prestigeprojekte" schon gar nicht. Irgendwie erinnert dies alles fatal an die erste Wahl Grote´s 1998. Auch damals hatte er es mit einem äußerst schwachen Gegner (dem heutigen Sozialdezernenten Harald Freter) zu tun, der es nicht für nötig hielt, auch nur irgendeinen Inhalt in den Wahlkampf zu bringen. Und auch damals agierte der heutige Bürgermeister mit einer Vielzahl potenter "Freunde" im Hintergrund. Bis heute halten sich hartnäckig Gerüchte über eine angeblich illegale Finanzierung der damaligen Wahlkampagne des "Schmugglers", allerdings ohne jeden Beweis.
Nichts weniger als die herrschende Stimmungslage umzukehren hat sich das "Bündnis für eine soziale Stadt" auf die Fahnen geschrieben. Mit einer neuen Kampagne soll in wenigen Tagen damit begonnen werden, die Sozialkürzungen erschöpfend zu dokumentieren und die Umverteilung der öffentlichen Gelder darzustellen. Ob dies den Bürgermeister noch vor dem 13. Juni beschädigen kann, bleibt skeptisch abzuwarten.
Wo Freundschaft noch zählt: Helmut Münster (CDU, Bund der Selbstständigen) und Bürgermeister Hans Joachim Grote (CDU)