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Dienstag, 29. August 2006, 2:00 Uhr
Eine Stadt für Besserverdienende?
Dr. Heinz Bischoff und die Hausbesetzer
Von Olaf Harning | Es war der 13. November 1992 als zunächst rund 30 Jugendliche ein seit Jahren leerstehendes Haus in der Alten Dorfstraße (Stadtteil Garstedt) besetzten, um ein selbstverwaltetes Politik- und Kulturzentrum durchzusetzen. Obwohl sich die Zahl der AktivistInnen binnen Tagen verdoppelte, blieben der Bönningstedter Immobilienmakler Harry Bartsch (Eigentümer des Hauses) und die Stadt Norderstedt hart und ließen das Gebäude nach sechs Tagen ebenso räumen wie abreißen.
Überbringer der schlechten Nachricht damals: Stadtrat und Jugenddezernent Dr. Heinz Bischoff (CDU) mit zwei Beamten vom "Amt für junge Menschen" und vom Ordnungsamt im Schlepptau. Sie überreichten einer Delegation von rund einem Dutzend BesetzerInnen die Räumungsverfügung und setzten eine zuvor mit der Polizei ausgehandelte Frist für freies Geleit. Das umstrittene Zitat soll dann in der nachfolgenden Diskussion gefallen sein als Bischoff inmitten einer hitzigen Debatte beinahe mit Bedauern festgestellt habe, Norderstedt sei "nun einmal eine Stadt für Besserverdienende", das angestrebte Projekt u.a. deshalb zum Scheitern verurteilt. Die BesetzerInnen gaben diesen Satz später an die Presse und verbreiteten ihn in Flugblättern und Artikeln.
Heute will Rechtsanwalt Bischoff von diesem Ausspruch nichts mehr wissen. In einem Schreiben an das Soziale Zentrum bezeichnet er das Zitat als "nachweislich falsch, diskriminierend und rufschädigend." Außerdem benennt er die anwesenden Beamten als Zeugen für seine Sicht der Dinge: Seltsam nur, dass sich gegenüber dem Info Archiv mindestens einer von beiden kaum mehr an das Gespräch erinnern kann, schon gar nicht an konkrete Details. Zwei der früheren BesetzerInnen bestätigen das Zitat hingegen indirekt: Man könne sich zwar nach vierzehn Jahren nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, habe aber seinerzeit Wortprotokoll geführt und anschließend aus diesem Protokoll Zitate veröffentlicht. Derweil ist auch Bischoffs heutige Widergabe des Gesprächsinhaltes dem angeblich falsch veröffentlichten Zitat erstaunlich ähnlich: Er habe den Besetzern die Geschichte der Stadt und ihre Entwicklung nahe gebracht, und schließlich "mit Bedauern festgestellt, dass es hier ? anders als in Hamburg ? nicht die günstige Mansarde für den Einzelnen gibt". Ehemalige Kriegsflüchtlinge als Siedler und später Häuslebauer hätten Norderstedt in seiner Stadtentwicklung geprägt.
Zu dem Gespräch mit den Besetzern, klagt der Notar, sei er damals entgegen dem Rat auch des damaligen Bürgermeisters Dr. Volker Schmidt (SPD) aus "Interesse an den Jugendlichen" erschienen. Er habe gerade verhindern wollen, dass gewaltsam geräumt- und erkennungsdienstlich behandelt wird. Anschließend, also nachdem der umstrittene Satz in den Medien erschienen war, habe ihm der Bürgermeister dann gesagt: "Herr Bischoff, Sie sind schön blöd, warum sind Sie nicht weggeblieben?" Undank ist der Welten Lohn, könnte man meinen.
Aber wenn Rechtsanwalt Bischoff so sehr an die Befindlichkeit von Jugendlichen denkt, wenn er sie 1992 gar vor dem Zugriff der anrückenden Polizeihundertschaften schützen wollte, warum jetzt die kompromisslose Härte gegen das Soziale Zentrum? Warum droht ein respektierter Jurist einigen jungen AktivistInnen mit Verleumdungsanzeigen und Schadensersatz, nur weil sie ein vierzehn Jahre zurück liegendes Gespräch nuanciert anders wiedergeben? Nun, er sei schließlich "Opfer einer Verleumdung", so Bischoff zum Info Archiv, sogar "Bekannte aus Süddeutschland" würden ihn auf das nämliche Zitat ansprechen, weil es im Zusammenhang mit seinem Namen im Internet zu finden sei.
Ähnlich muss es im Jahre 2001 dem Norderstedter Thomas Will von der gleichnamigen Agentur (ATW) gegangen sein: Er ließ damals im März das Info Archiv auffordern, einen Artikel über Nazi-Devotionalien auf einem von ihm betriebenen Flohmarkt vom Netz zu nehmen und nicht wieder zu verbreiten. Sein Anwalt im Verfahren gegen das Archiv: Dr. Heinz Bischoff. Der erwirkte zunächst eine Einstweilige Verfügung, die es dem Info Archiv bei angedrohtem Zwangsgeld verbot, den Artikel weiter im Netz zu behalten. Doch im anschließenden Verfahren vor dem Hamburger Landgericht dann der juristische "Offenbarungseid": Nachdem das Info Archiv unter anderem Fotos, einen Zeugen und zwei eidesstattliche Versicherungen für den geschilderten Sachverhalt vorlegen konnte, wurde das (nicht gerade billige) Verfahren zu Lasten des Klägers eingestellt. Der Artikel durfte nun wieder im Netz präsentiert werden.
Gegenüber dem Info Archiv will der ehemalige Stadtrat heute "keinerlei Zusammenhang" zwischen beiden Fällen erkennen, denn in einem Verfahren sei er schließlich direkt betroffen, im anderen "lediglich Anwalt" gewesen. Am Ende des Telefongesprächs fragt Rechtsanwalt Bischoff, ob es denn "wirklich nötig (ist), jetzt noch einmal einen Artikel über diesen Fall zu schreiben. Die Sache von damals interessiert doch heute keinen mehr!"
Ach so.
Die NZ vor 14 Jahren: Von Dr. Bischoff bestrittenes Zitat