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Donnerstag, 12. Februar 2004, 1:00 Uhr
Den Schneeball ins Rollen bringen.....
BINo - Gründungsveranstaltung stößt auf große Resonanz
Astrid Jodeit | "Ich würde nicht soviel Kraft aufwenden, wenn es nur um den neuen Anstrich einer Schule ginge. Es geht mir um politische Veränderungen." Diese Aussage einer anwesenden Mutter dokumentiert sehr gut die dominierende Stimmung des Abends: Eine Initiative für Bildung macht nur dann Sinn, wenn es nicht nur darum geht, kosmetische Kaschierungen auf lokaler Ebene durchzukämpfen, z.B. Stundenausfälle oder Gebäudemängel zu kritisieren. Diese Mißstände zu beheben ist mehr als nötig, aber darüber hinaus muss die Ausrichtung umfassender sein, und muss neben der Symptombehandlung den Mut haben, das herrschende Bildungssystem in Frage zu stellen, welches, wie ein Vater äußerte, "nicht vornehmlich fördert, sondern selektiert."
Das es auch anders geht, beweist ein Blick nach Finnland. Dort besuchen die SchülerInnen bis zur neunten Klasse eine einheitliche Schule, Sonderschulen existieren nicht, denn individuelle Förderung lässt sich auf Grund des großzügigen Personalschlüssels in den allgemeinen Unterricht integrieren. "Sitzenbleiben", institutionelle Selektierung und Ausgrenzung kommt nicht vor. Die Schulen und Klassenverbünde in Finnland sind klein und erlauben eine intime Lernathmosphäre. Eine weitere Besonderheit in Finnland ist die Tatsache, dass sich der Staat verpflichtet hat, allen Kindern von MigrantInnen, die finnische Sprache vor Eintritt in die Schule zu vermitteln. Eine Basisleistung zur Integration und Chancengleichheit, der sich die Bundesrepublik noch immer verweigert. Auch wenn sich die finnische Schulsituation vielleicht nur schwer eins zu eins auf deutsche Verhältnisse übertragen lässt, so bietet der "Blick über den Tellerrand" sehr wohl Anregungen, und beweist, dass Bildung auch etwas anderes bedeuten kann, als, wie von einem Besucher der Veranstaltung geäußert: "Die Kinder ab der 3. Klasse in Gewinner und Verlierer aufzuteilen..." Deutlich wurde in den Diskussionen, dass eine wichtige Voraussetzung für eine Bildungsinitiative die gelungene und engagierte Vernetzung aller Kinder- und Jugendeinrichtungen auf lokaler und übergeordneter Ebene ist.
Mit der Einführung der garantierten Halbtagsgrundschule im letzten Jahr wurde sichtbar, dass ein solcher Zusammenschluß nicht existiert. Die Landesregierung installierte mit der garantierten Halbtagsgrundschule ein desolates neues Konzept, welches den SchülerInnen lediglich quantitativ mehr Stunden in der Schule aufhalst, wofür sie qualitativ weniger Unterrichtsstunden haben. Förderunterricht und Arbeitsgruppen mussten in vielen Bereichen ersatzlos gestrichen werden. Die Belastung der LeherInnen hat deutlich zugenommen. Ausflüge, Aktivitäten und Feste können nicht mehr organisiert werden, weil Lehrerstunden akut fehlen. In den Horten, die die Unterbringung der Kinder nach der Schule übernehmen, ist die Situation nicht weniger angespannt. Ein Hort in Glashütte kann mit seinem gegeizten Stellenschlüssel den Betrieb nur aufrecht erhalten, in dem jegliche Gruppenstrukturen aufgelöst wurden, und die Kinder in einem offenen Hortsystem betreut werden. Die garantierte Halbtagsgrundschule ist ebenso wie das Konzept des offenen Hortes keine schlechte Idee, aber nur dann, wenn die nötigen Mittel für eine verantwortliche Umsetzung bereitgestellt werden. Pseudoinnovative Konzepte dieser Art, die nicht einer pädagogischen Logik sondern lediglich ökonomischen Interessen entspringen, sind leider kein Einzelfall, wie es z.B. die Einführung der Kita-Card in Hamburg unlängst bewies. Auch dort regte sich der Widerstand erst spät, inzwischen ist aber die Unsinnigkeit und Sozialunverträglichkeit dieser Neuerung kein Geheimnis mehr. Der Protest in Norderstedt gegen die Installierung der garantierten Halbtagsgrundschule wurde zwar von vielen Eltern aus dem Grundschul- und Hortbereich getragen. Nicht beteiligt waren aber z.B. die Elternbeiräte der weiterführenden Schulen, an denen aber die Auswirkungen des neuen Konzeptes rigorose Auswirkungen haben. Denn um die garantierte Halbtagsgrundschule auch nur einigermaßen zum Laufen zu bringen wurden nämlich von den weiterführenden Schulen Lehrstunden abgezogen. Der Widerstand hätte viel breiter sein können und sein müssen, um etwas zu bewirken. Aber dafür fehlte zu diesem Zeitpunkt die Kommunikation der einzelnen Schulen und beteiligten Gruppen. Das soll mit der Gründung von BINo anders werden. BINo soll ein breites Forum werden, in dem Eltern, Schülervertretungen, LeherInnen, ErzieherInnen, GewerkschafterInnen und alle Interessierten ihren Protest einbringen können. "Der Druck muss nur groß genug sein", war die Meinung eines Vaters. Und eine andere Interessierte berichtete während der Veranstaltung: "Es gibt viele Eltern, die sich auch politisch engagieren wollen, viele wissen einfach nicht wie. Viele wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen." Neben der Vernetzung der einzelnen Schulformen, Kindereinrichtungen, Gruppen und Initiativen hat sich BINo noch eine Reihe anderer Aufgaben gestellt, die in einem gemeinsamen breiten Bündnis an Hand von Arbeitsgruppen erarbeitet werden sollen :
- Es könnte ein Leitfaden erstellt werden, nach dem Motto: "Wer ist im Bildungsbereich für was zuständig ? An wen muss ich mich bei welcher Frage wenden ?"
- Es müsste eine gemeinsame Bestandsaufnahme erhoben werden über die Auswirkungen der garantierten Halbtagsgrundschule auf die verschiedenen Einrichtungen (z.B. Wegfall von Förderunterricht, Stundenausfall usw.). Diese Bestandsaufnahme sollte aber auch die Horte und Kindertagesstätten betreffen.
- Gemeinsame Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit, die Einrichtung einer Internetseite und
die Organisation von Informationsveranstaltungen sind ebenfalls ein Ziel.
Um in diesen Arbeitsgruppen konkrete Schritte zu erörtern, wird am 25. Februar im Raum k 123 von 19.30 bis 22.00 Uhr die zweite Veranstaltung von BINo stattfinden. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Der Schneeball ist ins Rollen gebracht.