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Freitag, 14. November 2003, 1:00 Uhr

CDU: "JuKuCa abreißen !"

"Gespräch" als Einschüchterungsversuch gegen Kürzungs-KritikerInnen

Olaf Harning | Günther Nicolai gab sich selbstsicher. Acht Mann hoch erwartete er mit einer christdemokratische Altherren-Riege die eingeladenen "2-3 Jugendlichen" zum Gespräch. Nur gut, dass die JuKuCa-NutzerInnen nicht auf den Kopf gefallen sind: Auch sie erschienen zu acht im Rathaus und mussten schnell feststellen, dass es eigentlich nichts zu sprechen gibt.
Absolut kompromisslos bemühten sich die ChristdemokratInnen lediglich darum, einen möglichst harten Eindruck bei den Jugendlichen zu hinterlassen. Die Aufrechterhaltung der Offenen Jugendarbeit stand dabei von vornherein gar nicht zur Debatte. Ein Gesprächsteilnehmer: "Soziale Arbeit wird von der CDU nur unter ökonomischen Aspekten betrachtet. Man spricht dabei von ´Zwängen´."
Weniger deutlich wurden die CDU-Herren hingegen immer dann, wenn die Sprache auf andere Einsparungspotentiale kam, beispielsweise das desaströse Schuldenmonster "wilhelm.tel". Hier war man plötzlich "nicht zuständig" und aus dem "falschen Ressort". Wenig später waren es wiederum die Christdemokraten, die die sonderliche Unterhaltung mit den Worten beendeten: "Unsere Frauen warten zuhause". Ein Jugendlicher: "Mir fällt absolut nichts dazu ein ! Das ist doch keine Art !".
Während sich die JuKuCa-NutzerInnen noch heute mit einem jungen FDP-Ausschussmitglied treffen wollen, sind weitere Protestaktionen bereits in Vorbereitung. Für kommenden Mittwoch, den 19. November mobilisieren beispielsweise wieder zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen ins Rathaus. An diesem Tag soll dort die Entscheidung im Ausschuss für (gegen) Junge Menschen fallen, insgesamt 451.000 Euro nicht mehr für Jugendarbeit in der Stadt auszugeben.

Dokumentation:
Mit folgendem Anschreiben richteten sich die JuKuCa-NutzerInnen zuvor an die Ausschussmitglieder:

Norderstedt, den 8.11.2003

Vor der Beschlussfassung des Jugendausschusses am 19. November möchten wir hiermit noch einmal die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen die Situation des Jugendtreffs Kulturcafé aus Sicht der Besucher zu schildern und hoffen darauf, dass vielleicht gemeinschaftlich ein Weg zur Erhaltung dieses für die Jugendlichen Norderstedts so wichtigen Angebots gefunden werden kann.
Wir, die Autoren dieses Schreibens, sind im JuKuCa aufgewachsen und besuchen auch heute noch gerne diese in Norderstedt einmalige Jugendeinrichtung. Hier haben wir Freundschaften fürs Leben geknüpft, haben z.T. erste Gehversuche als Musiker gemacht und haben bei den Mitarbeitern immer ein offenes Ohr gefunden. Wir schreiben aber vor allen Dingen stellvertretend für die große Anzahl von betroffenen Kindern und Jugendlichen. Vielen von ihnen fehlt der Mut und das Selbstbewusstsein, selbst für ihre Belange einzutreten, bzw. sie glauben nicht an die Möglichkeit, in die Politik der Erwachsenen eingreifen zu können.
Seit der weitgehenden Schließung des offenen Bereichs des Kulturcafés stehen die ehemaligen Besucher buchstäblich vor verschlossenen Türen. Die Jugendlichen hängen auf dem Hof des JuKuCa ab, bewerfen umliegende Gebäude und Passanten mit Gegenständen. Eine Scheibe ging bereits zu Bruch, Beschwerden aus der Nachbarschaft gab es auch schon. Die Jugendlichen, die das Haus in Selbstverwaltung an nur 2 Tagen in der Woche geöffnet halten können, sind von dieser Situation überfordert.
Wir sind der Meinung, dass die offene Jugendarbeit wieder aufgenommen werden muss - mit professioneller pädagogischer Betreuung! Man sollte sich klar machen, das andere Jugendtreffs keinen adäquaten Ersatz bieten. Die Erfahrung hat gezeigt, das sich Jugendliche nicht so ohne weiteres "umtopfen" lassen. Es findet eine Identifikation mit dem Treff statt, und es besteht ein fester Freundeskreis, der sich jedoch immer offen für neue Besucher gezeigt hat. Aktuelle und ehemalige Gäste sind sich einig, das es im Jugendtreff Kulturcafé doch familiärer und harmonischer war und ist als in vergleichbaren Einrichtungen.
Ein Bereich, der hier in 28 Jahren Schaffenszeit gewachsen ist, und vor allem in der letzten Zeit noch erweitert wurde, ist das vielfältige Musikangebot. So wird, von den Betreuern selbst, Unterricht für Diverse Instrumente angeboten. Dies fördert erwiesenermaßen Eigenschaften wie Konzentrationsfähigkeit, Disziplin, Intelligenz und soziale Rücksichtnahme (Teamarbeit im Bandgefüge). Des Weiteren steht einer von in Norderstedt eher seltenen Proberäume für lokale Bands zur Verfügung. Seit einiger Zeit ist es sogar möglich, Aufnahmen mit professionellen Geräten in ausgezeichneter Qualität anzufertigen. Mit diesem Material steigt die Chance der Jugendlichen, in der Musik weiterzukommen, erheblich. In den zweiwöchig stattfindenden Jam-Sessions, improvisiertes Spiel mit wechselnden Musikern, können die erlernten Fähigkeiten schnell und "risikoarm" vor einem kleinen Publikum ausprobiert werden. Ein Austausch findet statt, Freundschaften werden geknüpft und das Selbstbewusstsein wird gefördert. Abgerundet wird das Angebot dann von Konzerten, bei denen gerne Jüngere Bands mit etwas Erfahreneren gemischt werden, was von den Gästen gut angenommen wird. Hier noch kurz zu erwähnen wären auch die Teeni-Partys, bei denen die jungen Besucher auch mal feiern können und dabei zwar überwacht werden, sich aber nicht kontrolliert fühlen. Unserer Meinung nach nicht ganz unwichtig in Zeiten steigendem Konsums der Jugendlichen von Alkohol und anderen Drogen.
Nun ist auch uns bewusst, das nicht mehr soviel Geld in den Kassen ist wie früher und das dann natürlich lieber Bereiche gefördert werden, in denen der Nutzen direkt, oder eben in Zahlen ersehen werden kann. Allerdings sind wir der Meinung, dass in dem oben geschilderten Angebot durchaus ein Potential zu einer teilweisen Selbstfinanzierung des Jugendtreffs Kulturcafé besteht. So könnten wir uns vorstellen, das Konzerte, Studioaufnahmen, Musikunterricht, Getränkeverkauf bei den Konzerten, Proberaumnutzung sowie verstärkte Vermietung der Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Feiern einen Teil der Kosten auffangen können. Darüber hinaus wäre auch ein Sponsoring durch private Träger, wie die in Norderstedt ansässigen Musikgerätehersteller Roland oder Casio, denkbar.
Zusammenfassend sind wir die Meinung, das ein Weg zurück in die offene Jugendarbeit im Jugendtreff Kulturcafé gefunden werden muss, das der Bedarf da ist und noch wachsen wird. Ein Wegfall dieses Treffs zerstört das einzige städtisch geförderte Zentrum für jugendliche Musikkultur in Norderstedt. Über ein persönliches Gespräch mit Ihnen würden wir uns freuen.

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten CDU, FDP, Norderstedt