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Mittwoch, 11. Mai 2011, 15:30 Uhr
Beratung und Beschluss zu Steuererhöhungen erneut vertagt
Politik tut sich schwer
Infoarchiv Norderstedt | Bereits zum zweiten Mal wurde die Befassung mit dem 2. Nachtrag zum Haushalt für das Jahr 2011 und eine entsprechende Beschlussfassung im Norderstedter Hauptausschuss vertagt. Grund sind die von der Verwaltung vorgeschlagenen Steuerhöhungen, um das vorhandene strukturelle Defizit auszugleichen.
CDU, SPD und FDP sprachen sich für eine Vertagung des Tagesordnungspunktes bis zur nächsten Sitzung der Stadtvertretung am 17.5.2011 aus. Maren Plaschnick von der GALiN enthielt sich und sprach sich gleichzeitig für eine öffentliche Diskussion und gegen die geplante Gesprächsrunde der Fraktionsführungen mit dem Oberbürgermeister hinter verschlossenen Türen aus. Miro Berbig, DIE LINKE, stimmte gegen eine Vertagung. Er sah sich und seine Fraktion durchaus in der Lage eindeutig Stellung zu beziehen und einen Beschluss herbei zu führen. Aber dazu kam es eben nicht. Am kommenden Dienstag muss der Sack in der Stadtvertretung dann allerdings zugemacht werden – oder besser gesagt: Die Katze erst einmal aus dem Sack gelassen werden.
Warum kommt es jetzt überhaupt zu Diskussionen, die Einnahmeseite der Stadt verbessern zu wollen? Im Grunde war der Haushalt nach den bisherigen Planungen bis 2014 ausgeglichen. Die vor kurzem vom Kreis beschlossene Erhöhung der Kreisumlage und die von allen Fraktionen als notwendig angesehenen zusätzlichen Aufwendungen für die Kinderbetreuung führten zu einem strukturellen Defizit von über 5 Millionen € pro Jahr. Und das vor dem Hintergrund weggebrochener Gewerbesteuereinnahmen. Nun mag man einwenden, dass die zu erwartenden Steigerungen bei den Kosten der Kinderbetreuung nicht über Nacht und völlig unerwartet über Norderstedt herein gebrochen sind, dass ein Rückgang der Einnahmen aus der Gewerbesteuer der seit längerem herrschenden Krise geschuldet sind und die Anhebung der Kreisumlage von den gleichen Parteien die sie im Kreis beschlossen haben in Norderstedt vehement abgelehnt wird. Aber die Situation ist nun einmal da und ein „weiter so, wird schon irgendwie gut gehen“ ist nicht mehr drin. Sollte der Haushalt nicht ausgeglichen werden, droht die Genehmigungspflicht durch die Kommunalaufsichtsbehörde (Innenministerium). Auch nicht so schön.
Zurück zum Verfahren. Bei der ersten Vorlage der Verwaltung wurde lediglich die Erhöhung der Grundsteuer B (Steuer auf das Eigentum an Grundstücken, wird auch auf die Miete umgelegt) vorgeschlagen. Nach Signalen von SPD und DIE LINKE, auf eine Erhöhung der Gewerbesteuer auf keinen Fall verzichten zu wollen, fand bereits ein nicht öffentliches Gespräch mit den Fraktionsspitzen und dem Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote statt. Die FDP wollte bei einer Erhöhung der Gewerbsteuer nicht mit machen, die CDU hielt sich bedeckt. Nun legte die Verwaltung auf der letzten Sitzung des Hauptausschusses eine aktualisierte Beschlussvorlage vor. Konkret wurde vorgeschlagen:
- Erhöhung der Grundsteuer A (für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) von 250 v.H. auf 300 v.H.
- Erhöhung der Grundsteuer B von 260 v.H. auf 410 v.H.
- Erhöhung der Gewerbesteuer von 390 v.H auf 420 v.H.
Das würde zu einem ausgeglichenen Ergebnisplan 2011 und einem finanziellen Handlungsspielraum für die Folgejahre führen. Die Grundsteuer A ist in ihrer Höhe eigentlich vollkommen zu vernachlässigen. Mit dieser Steuer werden für Norderstedt pro Jahr insgesamt lediglich 39.800 € eingenommen und sie wurde sicher nur mit aufgenommen, um für ein Mehr an Gerechrigkeit zu sorgen: Wenn schon, dann sollen alle zahlen. Bei der vorgeschlagenen Erhöhung der Grundsteuer B würden für ein durchschnittliches Einfamilienhaus rund 20 €, für eine durchschnittliche Wohnung in einem Mehrfamilienhaus rund 6,25 € im Monat mehr zu zahlen sein. Dabei ist zu beachten, dass der betreffende Steuersatz in den letzten 40 Jahren nur einmal, im Jahre 1997, um 10%-Punkte auf die derzeit gültige Höge angehoben wurde und derzeit viele Städte (ausgehend von einem schon jetzt wesentlich höherem Niveau) Erhöhungen planen. Die Erhöhung der Gewerbsteuer wäre für 82% der Norderstedter Betrieb überhaupt kein Thema: die zahlen auf Grund ihrer geringen Gewinne sowieso keine Gewerbesteuer. Die reflexartig herbeigeredete übermäßige Belastung der Betriebe (von der FDP vorgebracht) oder die daraus angeblich entstehenden Wettbewerbsnachteile für Norderstedt entpuppen sich schnell als Scheinargumente. Ein Betrieb mit einem Jahresgewinn von beispielsweise 100.000 € hätte durch die vorgeschlagene Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer mit einer Mehrbelastung von gerade einmal 795 € im Jahr zu rechnen. Dafür wird den Betrieben dann auch eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt, die ihnen wiederum Wettbewerbsvorteile verschaffen kann.
Unterm Strich ist nicht zu erkennen, warum sich die meisten Parteien vor einer abschließenden Aussprache und Beschlussfassung dermaßen scheuen. Aussitzen lässt sich das Problem nicht. Und auf andere Abwälzen auch nicht. Diese Möglichkeit haben nur Bund und Land. Und die haben davon reichlich Gebrauch gemacht, indem sie Zuschüsse gestrichen oder Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt haben. Weil sich das bei den herrschenden politischen Verhältnissen kaum ändern wird, sind kommunale Steuererhöhungen sicher keine zukunftsfähige Dauerlösung. Zu wirklich tragfähigen Konzepten kann es nur kommen, wenn die Gemeindefinanzierung auf komplett andere Grundlagen gestellt wird. Aber soweit sind wir eben noch nicht. Am nächsten Dienstag jedenfalls, müssen die StadftvertreterInnen Farbe bekennen und zu einem Beschluss kommen.
Ein Kommentar zu diesem Artikel
11.05.2011, 17:39 Uhr Anonymous: Naja ...
... erstens zahlen nicht nur Kleinunternehmen mit geringen Umsätzen keine Gewerbesteuer, sondern auch die Masse der Mittel- und Großunternehmen. Das unter anderem, weil Rot-Grün seinerzeit die Möglichkeiten stark vereinfacht hat, die Verluste einzelner Konzernteile den Gewinnen anderer Sparten gegenzurechnen. Zweitens hätte sich das "strukturelle Defizit" vermutlich schon mit der nächsten Steuerschätzung zur "strukturellen schwarzen Null" gewandelt.
Davon abgesehen könnte man ja auch durchaus mal überlegen, die Ausgabenseite der Stadt anzugucken, bevor man Steuern erhöht.