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Samstag, 2. Juli 2005, 2:00 Uhr
Ausländerbehörde ohne Grenzen
Serviceleistung Abschiebung: Segeberg deportiert jetzt direkt aus der Psychiatrie
Von Olaf Harning | Die Wellen nach der nächtlichen Abholung und gewaltsamen Abschiebung der Norderstedter Familie Özdemir haben sich noch nicht beruhigt, schon hat die Segeberger Ausländerbehörde wieder zugeschlagen: Bereits in der Nacht zum 28. Juni zerrte ein Greiftrupp des umstrittenen Amtes den akut selbstmordgefährdeten Kurden Murat Savas aus seinem Bett in der Ricklinger Psychiatrie und deportierte ihn am Donnerstag-Mittag in die Türkei.
Es muss ihn an seine schlimmsten Erlebnisse erinnert haben: Der von türkischen "Sicherheitskräften" schwer gefolterte Murat Savas, der nach ersten Informationen unter hohen Dosen Psychopharmaka stand, wird nachts unsanft geweckt und von mehreren Fremden gewaltsam abgeführt. Doch diesmal waren es nicht seine in der Türkei immer noch aktiven Folterknechte, die ihn verschleppten, es waren Beamte der Segeberger Ausländerbehörde. Unter Verantwortung der Behördenmitarbeiter Bonus und Matthießen (Abteilung Aufenthaltsbeendende Maßnahmen, "Servicebereich" Aufenthaltsbeendigung und Versagungen) wurde der akut suizidgefährdete Kurde noch am Mittag selbigen Tages von seiner Familie getrennt und entgegen der Schleswig-Holsteinischen Erlasslage in die Hände seiner früheren Folterer deportiert. Offenbar wurden dabei Gesundheit und womöglich Leben des Mannes mehr oder weniger bewusst aufs Spiel gesetzt: Erst am 20. Juni war der Versuch, Murat Savas in Abschiebehaft zu nehmen, jäh gescheitert - sowohl der Haftrichter, als auch ein hinzugezogener Amtsarzt beurteilten den schwer kranken Mann als haftunfähig. Direkt im Anschluss begab Savas sich in die Ricklinger Psychiatrie und dort in intensive Behandlung.
Bereits im Falle der Familie Özdemir behauptete die Ausländerbehörde, auch in der Türkei gebe es Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten für die durchaus unstrittige, schwere Erkrankung von Bezime Özdemir. Nach Recherchen in der Türkei nennt Fanny Dethloff - Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche - diese Argumentation schlicht "Quatsch". Die psychiatrischen Einrichtungen, insbesondere in den kurdischen Gebieten, "sind auf dem Stand von vor 100 Jahren, Frau Özdemir selbst war nach ihrer Abschiebung 12 Tage ohne Medikamente und stand kurz vor einer schizoiden Situation." Einzig aufgrund ihres wohl lebensgefährlichen Zustandes wurde sie schließlich notdürftig in einer hoffnungslos überfüllten Einrichtung in Istanbul behandelt. Die dortigen Ärzte mussten feststellen, dass die Abschiebung bei Besime Özdemir nachweislich zu einer sogenannten "Retraumatisierung" der Frau geführt hatte. Das war bereits von Segeberger Amtsärzten prognostiziert- und gegen eine Abschiebung ins Feld geführt worden, doch der zuständige Mitarbeiter der Segeberger Ausländerbehörde - Bonus - ignorierte die ihm vorliegenden Atteste bewusst. Murat Savas lebte schon seit 1990 in Deutschland, seine Ehefrau Nurten folgte vor ca. 6 Jahren, seine Kinder Nurullah und Rojhat sind hier geboren. Savas Asylgesuche waren abgelehnt worden. Die später offenbar gewordene und fachärztlich attestierte schwere posttraumatische Belastungsstörung hatte weder asylentscheidende Behörden und Gerichte noch die Härtefallkommission überzeugen und schon gar nicht die zuständige Ausländerbehörde erweichen können, ihren rechtlichen Spielraum für die Aufenthaltsverlängerung aus humanitären Gründen zu nutzen. Nach 15 Jahren Deutschland wurde Savas aus der Ricklinger Psychiatrie heraus in die Hände seiner früheren Folterer abgeschobenk.
Von Seiten der Klinik war am Samstag keine Stellungnahme zu erhalten. Die Therapie- und Heilgrundsätze in Rickling jedoch dürften vom Duo Bonus/Matthießen empfindlich gestört worden sein: "Unsere Arbeit basiert auf der Akzeptanz der Verschiedenheit von Menschen. Sie orientiert sich deshalb grundsätzlich am persönlichen Bedarf und an den Möglichkeiten des Einzelnen. Auf der Grundlage des Respekts vor der individuellen Lebensgeschichte bieten wir Behandlung und Hilfen an, die unsere PatientInnen dem Ziel möglichst weitgehender seelischer und körperlicher Gesundheit näher bringen.".