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Montag, 20. Juli 2015, 21:33 Uhr

Weiter Kritik an Vorratsdatenspeicherung

Infoarchiv Norderstedt | Auch der aktuelle Entwurf eines Vorratsdatenspeicherungsgesetzes ist verfassungswidrig. Zu dieser Einschätzung kommt das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) in einer ausführlichen Stellungnahme.

Etwa 45jährige Frau mit Brille, im Hintergrund eine Tafel mit ULD-Symbol

Folgte vor wenigen Tagen auf Thilo Weichert: Schleswig-Holsteins oberste Datenschützerin Marit Hansen (Foto ULd).

ULD-Leiter Thilo Weichert: "Die derzeitige Diskussion über Vorratsdatenspeicherung wird schwarz-weiß geführt und blendet die Praxis und die technische Entwicklung der Nutzung von Telekommunikation oftmals aus. Statt den vorliegenden Entwurf durchzuwinken und sicher vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern zu lassen, brauchen wir eine umfassende Diskussion, wie Bürgerrechts- und Sicherheitsbelange optimiert werden können. Dabei müssen auch Alternativen zur Vorratsdatenspeicherung auf den Tisch." Ein Durchzocken des aktuellen Gesetzentwurfs würde hingegen nicht nur dem Datenschutz schaden, sondern auch einer effektiven Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, so Weichert.

Derzeit erfolge eine weitgehende Nutzung von auf Vorrat gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten ohne ausreichende gesetzliche Grundlage. Angesichts dieser Situation plädiert das ULD dafür, die derzeit stattfindende Gesetzgebung so lange zurückzustellen, bis zu den grundlegenden verfassungsrechtlichen und ermittlungspraktischen Fragen valide Antworten vorliegen und nach einer gesellschaftlichen Diskussion ein möglichst weitgehender Konsens erreicht wurde.

Unter Vorratsdatenspeicherung versteht man die verdachtsunabhängige Speicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten für den Fall, dass sie später für die Aufklärung oder Verhinderung von Verbrechen benötigt werden. Während sich die Befürworter von der Datenschwemme entscheidende Fortschritte in der Bekämpfung organisierter Kriminalität und der Gefahrenabwehr versprechen, befürchten Kritiker einen Grundrechteabbau ohne jeden Nutzen, denn: Konkrete Fälle, bei denen die Daten bei der Verhinderung oder Aufklärung schwerer Straftaten hilfreich waren, sind bislang Mangelware.

Ganz im Gegenteil: Zwar sprachen sich nach dem tödlichen Überfall auf die französischen Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo zahlreiche christdemokratische Innenpolitiker für eine rasche Einführung der Vorratsdatenspeicherung aus, unter ihnen der Segeberger Bundestagsabgeordnete Axel Bernstein. Dabei übersahen sie jedoch, dass es in Frankreich eine solche Speicherung zum Zeitpunkt der Tat lange gab, die Täter zudem polizeibekannt waren und überwacht wurden.

Ein erstes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung war 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden, 2014 kippte der Europäische Gerichtshof die ihm zugrundeliegende EU-Richtlinie. Und auch dem aktuellen Gesetzesentwurf werden kaum Chancen eingeräumt, vor den Grundrechten zu bestehen.

Mehr zum Thema Vorratsdatenspeicherung gibt es hier.