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Sonntag, 22. Dezember 2013, 11:19 Uhr

Hamburg: Krawalle und Polizeigewalt nach Sechzig-Sekunden-Demo

DemonstrantInnen, Transparent "Die Stadt gehört allen"

"Die Stadt gehört allen" - die Demospitze kurz vor ihrem ersten Zusammentreffen mit der Polizei (Foto: Infoarchiv)

Infoarchiv Norderstedt | Die Demonstration für den Erhalt der seit 1989 besetzten Roten Flora kam am Samstag keine hundert Meter weit, dann wurde sie von der Polizei gewaltsam gestoppt. Was folgte, war vorhersehbar: Einsatzkräfte und TeilnehmerInnen lieferten sich auf dem Hamburger Kiez stundenlange Auseinandersetzungen.

Es war genau 15.11 Uhr, als sich die Demo unter dem Motto "Die Stadt gehört Allen!" in Bewegung setzte. Fast 10.000 TeilnehmerInnen hatten sich da vor der Roten Flora im Schulterblatt versammelt, unter ihnen auch zahlreiche Menschen aus dem Kreis Segeberg und Hamburg-Nord. Doch schon nach knapp Hundert Metern war der Marsch auch schon wieder beendet: Obwohl die Demo für 15 Uhr angemeldet und genehmigt war, versperrten Polizeikräfte unter der S-Bahn-Brücke Richtung Max-Brauer-Allee die Straße, hinderten TeilnehmerInnen gewaltsam daran, die vorgesehene Route einzuschlagen (siehe Video). Begründung der Polizeiführung: Die Demo sei "zu früh" gestartet. Noch kurz vor dem offiziellen Beginn nämlich wurde die genehmigte Route von der Polizeieinsatzleitung untersagt, weil am Vorabend 300 Vermummte die Davidwache angegriffen hatten - nun sollte es um 15.15 Uhr in die engegengesetzte Richtung gehen. Das Problem: Das Versammlungsrecht kennt weder kurzfristige Änderungen genehmigter Routen, noch das Stoppen einer Demo, weil sie vier Minuten "zu früh" losläuft. Die Hamburger Polizei nutzte also offenbar die erstbeste Gelegenheit, um die ohnehin aufgeheizte Stimmung noch ein wenig zu forcieren.


Auch die vielfach vermummten Demo-TeilnehmerInnen reagierten nun nicht eben deeskalierend - schon kurz nach dem Zwangsstopp entwickelte sich auf dem Schulterblatt eine heftige Straßenschlacht. Als rund zehn Minuten später wieder etwas Ruhe eingekehrt war, die nächste Polizeiaktion, die Fragen aufwirft: Ohne in Bedrängnis zu sein, lief ein martialisch ausgerüsteter Trupp Beamter laut brüllend mitten in die versammelte Menge, prügelte scheinbar wahllos auf die ersten Reihen ein. Jetzt eskalierte die Lage völlig: Während der eigentliche Demonstrationszug trotz mehrerer Wasserwerfer-Einsätze weiter auf dem Schulterblatt wartete, lösten sich immer mehr Vermummte aus dem Zug heraus und bewarfen die Beamten mit Gegenständen. Als die Polizei die Menge schließlich nach einer halben Stunde eingekesselte, hatten sich bereits Tausende abgesetzt und begannen ein Katz- und Maus-Spiel mit den Beamten, das sich bis in die frühen Morgenstunden hinzog. Das Ende vom Lied waren über 600 Verletzte, darunter 120 PolizistInnen. Außerdem wurden zahlreiche Fensterscheiben eingeworfen, meist bei Hotels, Modeboutiquen und Banken.

Jugendliche bei der Schneeballschlacht, darüber: "Rote Flora verteidigen!"

"Rote Flora" verteidigen - so wurde für die Demo am Samstag mobilisiert, unter anderem auch vom Sozialen Zentrum in Norderstedt.

Die Demonstration für die Rote Flora richtete sich gegen die Stadtentwicklungspolitik des SPD-Senats, die Verdrängung ärmerer Gesellschaftsschichten aus ehemaligen Arbeiterstadtteilen und Bestrebungen von Rote-Flora-Besitzer Klausmartin Kretzschmer, das Gebäude räumen zu lassen. Kretschmer hatte die Flora 2001 unter der Vorgabe gekauft, das Haus so zu belassen, wie es ist. Mittlerweile jedoch soll der Kulturinvestor unter Geldsorgen leiden, plant auf dem Grundstück ein lukratives Immobilienprojekt und nutzt jede Gelegenheit, den Streit um die Flora zu eskalieren. Zuletzt stellte er den Besetzerinnen ein Ultimatum: Sie sollen das alte Musical-Theater bis zum 20. Dezember räumen, ansonsten würde er die Räumung beantragen. Weil sich in dieser Frage sogar Bürgermeister Olaf Scholz auf die Seite der Flora stellte, traf die Demo auch innerhalb der linken Szene nicht nur auf Zustimmung, galt als "taktisch unklug". Dieses Urteil dürfte sich nach dem geschilderten Ablauf nicht geändert haben.

Veröffentlicht in Alternative Zentren mit den Schlagworten Hamburg, Militanz, Polizei, Polizeigewalt, Rote Flora

2 Kommentare zu diesem Artikel

27.12.2013, 19:53 Uhr AnonymousLieber Tom, Ich finde

Lieber Tom,
Ich finde kritisches Zeitungslesen ja sehr wertvoll. Deine Einschätzung der Berichtserstattung als "Einseitig" halte ich allerdings für - gelinde gesagt - lächerlich. Ich bitte dich, die Youtube-Videos, die unter anderem hier verlinkt sind, mal mit den Berichten der allermeisten anderen Medien zu vergleichen, die davon reden die "Randalierer" (man beachte die entmenschlichende und inhaltsverdeckende Wortwahl) seien Steineschmeißend losgerannt. Der Polizeisprecher hat sehr oft (z.B. ZDF-Nachrichten) erzählt, die PolizistInnen hätten vorher unter Steinbewurf zu leiden gehabt. Hätten die dann nicht direkt vor dem ILLEGALEN stoppen der Demo schon längst Helme aufgehabt.
Was in Hamburg passiert ist, ist - unabhängig von dem eigentlichen Thema der Demo - ein massiver Angriff auf das Demonstrationsrecht (vermummung war ausdrücklich nicht verboten) und somit ein direkter Angriff auf die Demokratie!!!

26.12.2013, 12:36 Uhr TomEinseitig

Schön wie hier mal wieder sehr einseitig berichtet wird. Schuld haben der Senat und die Bullenschweine. Ich kann´s nicht mehr hören.

Es wird zeit, dass die schweigende Mehrheit endlich mal den Randalchaoten die rote Karte zeigt. Die teilweise von weit her kommen nur um zu prügeln und zu zerstören.