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Freitag, 14. September 2012, 15:47 Uhr

Fall von Kindeswohlgefährdung in Bad Segeberg

Diskussionen um verwahrloste Kinder

Infoarchiv Norderstedt | Ein Dreijähriger, der bereits Mitte Juni von Polizeibeamten in einem verwahrlosten Wohnumfeld in Bad Segeberg aufgefunden worden war, sorgt nordeutschlandweit für Diskussionen. Hat das Jugendamt Warnsignale ignoriert?

Portrait der Landrätin Jutta Hartwieg

Jutta Hartwieg (Foto: Kreis Segeberg)

"Nein", sagt dazu Landrätin Jutta Hartwieg (SPD), die sich erst gestern wieder im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema äußerte. In den Vorjahren waren bereits drei der insgesamt sechs Kinder aus der betroffenen Familie genommen- und bei Pflegeeltern untergebracht worden, außerdem besuchten zwei sozialpädagogische Fachkräfte eines vom Jugendamt beauftragten freien Trägers die Wohnung im Bussardweg mehrmals pro Woche, ohne Auffälligkeiten festzustellen. Allerdings gaben sich die BetreuerInnen offenbar damit zufrieden, jeweils nur in den Wohnbereich geführt zu werden - das berichtet jedenfalls die Norderstedter Zeitung.

Über die Umstände, unter denen die Beamten Mitte Juni den dreijährigen Jungen vorfanden, wird derweil sehr unterschiedlich, teils auch widersprüchlich berichtet. So wurde der Junge mal in einem verschlossenen Kellerraum, mal im Souterrain einer Wohnung, mal in einem Einfamilienhaus entdeckt. Und die Polizei erschien entweder "wegen eines Streits" oder weil ein Handwerker Kinderstimmen in einem Kellerraum gehört hat. Klar scheint lediglich, dass in der Behausung insgesamt drei Kinder im Alter von ein-, drei und elf Jahren mit ihren Eltern lebten - unter zumindest teilweise katastrophalen Umständen. So soll es in der Wohnung nach Kot und Urin gerochen haben, die Kinder waren zeitweise in verdreckten Zimmern eingesperrt. Während diese Lebenssituation vermutlich schwere seelische Schäden verursacht hat, waren die Kinder nach bisherigen Erkenntnissen körperlich unversehrt. Mittlerweile sind alle sechs Geschwister - jeweils zu zweit - in Heimen untergebracht.

Bleibt - wie immer in solchen Fällen - die Frage, ob die zuständigen Behörden früher hätten einschreiten können - oder müssen. Neben Jutta Hartwieg verneint das auch Georg Hoffmann, Leiter des Kreisjugendamtes: "Wir wurden betrogen", zitiert ihn die Norderstedter Zeitung, "uns wurde etwas vorgemacht". Insgesamt achtzehnmal sei die Familie alleine von Anfang Mai bis zum 17. Juni aufgesucht worden, wobei alle Besuche angekündigt wurden. Das ist laut Hoffmann gängige Praxis, um ein Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen herzustellen. Zwar hätte ein unangekündigter Besuch in diesem Fall möglicherweise zu einer früheren "Evakuierung" der Kinder führen können, bei den meisten Familien wären Kontakt und Hilfe durch überfallartiges Erscheinen wohl erschwert worden. Dennoch will der Kreis auf den Vorfall reagieren. So ist bereits der Personalschlüssel angehoben worden, außerdem sollen im Jugendamt kleinere Teams zusammengestellt werden, die künftig enger mit den freien Trägern kooperieren.

Derweil warnte die Landrätin vor einem allzu beengen Blick auf den aktuellen Fall. Die Erziehungsaufgaben seien in den letzten Jahren nicht einfacher geworden, außerdem gebe es "Vernachlässigung auch auf sozial hohem Niveau".

Veröffentlicht in Soziales mit den Schlagworten Bad Segeberg, Georg Hoffmann, Jugendamt, Jutta Hartwieg