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Sonntag, 19. Februar 2012, 7:16 Uhr

Ulzburger Politik in Aufruhr

Thormählen vor der Amtsenthebung +++ sieben Austritte bei der WHU +++ Freie Fraktion nimmt Arbeit auf +++ Dahmen und Schäfer vor der Abwahl? +++

Verfremdeter Screenshot der WHU-Homepage

Olaf Harning | In Henstedt-Ulzburg herrscht nach der Untreue-Affäre um Bürgermeister Torsten Thormählen (parteilos) und der Spaltung der Wählergemeinschaft Henstedt-Ulzburg (WHU) politische Verwirrung. Während der Verwaltungschef erstmal (Zwangs-)Urlaub macht, wackelt nach Rück- und Austritt von sieben meist namhaften Mitgliedern bei der WHU auch der von ihr gestellte stellvertretende Bürgermeister Wilhelm Dahmen.

Foto von Bürgermeister Henstedt-Ulzburg

Torsten Thormählen

Wie berichtet wird gegen Thormählen wegen Untreue und Bestechlichkeit ermittelt, am 6. Februar durchsuchten Beamte des Landeskriminalamtes in deshalb seine (ehemaligen) Amtsräume in den Rathäusern von Henstedt-Ulzburg und Elleraus sowie sein Wohnhaus. Gemeinsam mit Klaus Lange, Leiter der Stabsstelle in der Ellerauer Gemeindeverwaltung, soll Ulzburgs Bürgermeister in seiner Eigenschaft als Vorstandschef der Kommunalbetriebe Ellerau (KBE) zwischen Sommer 2007 und Sommer 2011 fast 200.000 Euro öffentlicher Gelder veruntreut haben, indem er die KBE einen Beratervertrag mit Langes Privatfirma abschließen ließ, ohne dass es tatsächlich zu einer nachvollziehbaren Beratungsleistung gekommen wäre. Im Gegenzug dazu soll Lange seinem Chef dann monatlich etwa 1.500 Euro auf sein Privatkonto überwiesen haben. Während sich mittlerweile auch die Steuerfahndung für den Fall interessiert, hat sich der zuständige Hauptausschuss in Henstedt-Ulzburg erst einmal Zeit verschafft, um in Ruhe über die Personalie Thormählen entscheiden zu können: Drei Wochen "Urlaub" hat der Bürgermeister bekommen, in diesen drei Wochen soll er der Kommunalpolitik nun Erklärungen liefern, die gegen seine Amtsenthebung sprechen.

Aber auch der Stellvertreter Thormählens, der gerade erst ins Amt gehievte Wilhelm Dahmen, hat keinen sicheren Stand mehr. Zwar hatte der noch nicht einmal die Chance, sich in irgendeiner Form falsch zu verhalten, nach der Spaltung der WHU jedoch ist die Wählergemeinschaft nicht mehr stärkste Kraft in der Gemeindevertretung und hat damit auch ihren Anspruch auf Besetzung der Bürgermeister-Stellvertretung verloren. Den hat jetzt die CDU und deren Fraktionschef Folker Brocks macht auch keinen Hehl aus dem Interesse seiner Partei. Gegenüber den Ulzburger Nachrichten bekundete er am Donnerstag zwar, den nach seinem WHU-Austritt ebenfalls "wackeligen" Bürgervorsteher Carsten Schäfer "in Ruhe lassen" zu wollen, der Posten des stellvertretenden Bürgermeisters jedoch sei "ein heißes Thema". Die SPD sieht indes bei beiden Posten "keinen Handlungsbedarf", würde etwaige CDU-Anträge aber beraten.

Foto von Doris Dosdahl

Doris Dosdahl

Der Riss in der Wählergemeinschaft hatte sich bereits seit Wochen angedeutet. Schon lange vor der Mitgliederversammlung der WHU am 19. Januar war über eine Spaltung der stärksten politischen Kraft im Ort und über einen möglichen Übertritt einiger Fraktionsmitglieder zu den neu gegründeten Grünen spekuliert worden. Bis zum großen Knall hat es dann aber doch noch einen guten Monat gedauert: Nach ihrem Austritt am Donnerstag erwägen Doris Dosdahl, Bettina Klemm, Tile Abel, Bürgervorsteher Carsten Schäfer, Thomas Lendt und der bereits vor geraumer Zeit ausgetretene Martin Andernacht jetzt die Gründung einer eigenen Wählergemeinschaft. Neben dem "eigensinnigen" Führungsstil von Fraktionschefin Karin Honerlah kritisieren die "Rebellen", dass die WHU zu selten nach parteiübergreifenden Mehrheiten und entsprechenden Kompromissen sucht. Nach ihrem kollektiven Austritt praktizieren Dosdahl & Co nun vorerst unter dem Namen "Freie Fraktion" und müssen als solche schon zur Sitzung des Finanzausschusses am Montag ihre Arbeit aufnehmen. Wie in anderen Ausschüssen auch sitzen dort bis auf weiteres je zwei Mitglieder der WHU und zwei der Freien Fraktion - weil die ausgetretenen GemeindevertreterInnen allesamt ihr einst für die WHU errungenes Mandat mitnahmen. Ein Vorgang, der zumindest in den Fällen Dosdahl und Klemm bemerkenswert ist, weil die erst am 24. Januar - für die WHU - in den Gemeinderat nachgerückt waren - zu einem Zeitpunkt also, als sie sich sicher schon mit Austrittsgedanken befassten.

Foto vom neuen WHU-Vorstand

Der aktuelle Vorstand der WHU steht vor schweren Aufgaben (v.l.): Wilhelm Dahmen, Andreas Lemke, Erika Zarbock, Verena Grützbach, Uwe Köhlmann-Thater, Monika Röper, Christiane Schwarz

Die gescholtene Fraktionschefin der WHU - Karin Honerlah - sieht die Erosion ihrer Vereinigung dennoch gelassen. Nach lange schwelendem Konflikt könnten die Austritte auch eine "Bereinigung" der Situation darstellen. In einer Presseerklärung der WHU wirft sie Dosdahl & Co aber auch indirekt vor, sich undemokratisch zu verhalten. So habe die Mitgliederversammlung am 19. Januar mit großer Mehrheit beschlossen, "in wichtigen kommunalpolitischen Fragen nach Diskussion und demokratischer Abstimmung einheitlich" aufzutreten, damit "die Linie der WHU" klar erkennbar bleibe. "An dieses Votum der WHU-Mitglieder", so Honerlah weiter, "können und wollen sich die nun ausgetretenen Mitglieder der Fraktion offensichtlich nicht binden". Die WHU sei weiterhin eine Wählergemeinschaft mit klaren Zielen und Grundsätzen, die "auch verwaltungskritisch" auf die Dinge sehe. "Wie sich immer wieder zeigt", endet die Erklärung mit einer Andeutung in Richtung Thormählen, "nicht ganz unberechtigt."

 

Nachtrag: Die Verschlagwortung wurde am 29.2.2012 geändert, mittlerweile hat sich die als "Freie Fraktion" gestartete WHU-Abspaltung in "Bürger für Bürger" umbenannt.

Ein Kommentar zu diesem Artikel

19.02.2012, 14:21 Uhr AnonymousUlzburger Politik in Aufruhr

Die Ereignisse der letzten Wochen haben Henstedt-Ulzburg, Bürger, Politiker und Angestellte der Gemeindeverwaltung, verunsichert,verärgert und teils auch tief erschüttert. Hoffen und bangen einige darum, dass die Vorwürfe gegen den Bürgermeister tatsächlich durch ihn entkräftet werden können, nutzen andere die Situation, um sich auf die Zeit nach ihm vorzubereiten und hier und da schon mal einen Pflock einzuschlagen. Wie es zum Schluss ausgehen wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt wohl nur einer sagen. Allerdings fühlen sich viele andere schon berufen zu beurteilen und zu verurteilen.
Für die aus der WHU ausgeschiedenen Mitglieder dürfte es zumindest gegenüber dem Normalbürger recht schwierig werden, die eigene Legitimation als Vertreter der Wählerschaft zu erklären. Die individuellen Gründe für den Austritt aus der Wählergemeinschaft sind hierbei zunächst einmal zweitrangig zu betrachten.
Die stets eloquente Fraktionschefin beklagt, dass die Abtrünnigen unter anderem die verwaltungskritische Linie der Fraktion und Partei nicht mittragen wollten oder konnten. Es ist sicherlich eine nicht unwichtige Aufgabe der Politik die Arbeit der Verwaltung zu beobachten und auch diese zu kontrollieren. Um Kritik üben zu können und der Verwaltung Fehler aufzeigen zu können, bedarf es der Sachkenntnis des Kritisierenden. Sachkenntnis in Verwaltungsangelegenheiten und zumindest elementarer theoretischer Grundkenntnisse auf dem kritisierten Fachgebiet. Schnippisch-hysterische Äußerungen in Sitzungen oder gegenüber der Presse bringen niemanden weiter als bis in die selbst verursachte Lächerlichkeit. Eloquenz alleine reicht also nicht aus. Auch nicht der Versuch die Arbeit einer Verwaltung oder einzelner Bereiche oder Angestellter pauschal zu diskreditieren. In der derzeitigen Situation mit einem Seitenverweis auf die Vorgänge um Herrn Thormählen die Erfordernis und Berechtigung einer verwaltungskritischen Haltung gegenüber der Henstedt-Ulzburger Verwaltung zu begründen, ist vorsichtig ausgedrückt, unanständig. Bleibt abzuwarten wie es nun in der Großgemeinde weitergeht. Die neue Konstellation in der politischen Landschaft, lässt ja noch einiges erwarten.