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Montag, 16. Mai 2005, 2:00 Uhr

Mit Sicherheit gefährlich

Über die Tätigkeit der Kaltenkirchener Pütz Security AG

Von Olaf Harning | Am 3. Mai berichtete die Norderstedter Zeitung (NZ) in ihrer Serie "Morgens um 10 Uhr bei ..." über das Kaltenkirchener Unternehmen Pütz Security und seine Arbeit. Doch von der NZ-Jubel-Darstellung a la "Der Chef beschützt auch die Klitschkos" ist andernorts nicht viel zu merken: Von Schikanen gegen Handball-Fans bis Übergriffe auf Obdachlose wird den Pützschen Kraftpaketen so ziemlich alles vorgeworfen, was man nach der Privatisierung von Polizeiaufgaben auch erwartet.

Thomas Pütz (39) ist nicht irgendwer. Der gebürtige Alvesloher kennt hunderte Show-, Politik- und Sport-Stars aus nächster Nähe, denn bei der Pütz Security AG "schützt", so sagt man ja gemeinhin, "der Chef persönlich". Darüber hinaus beschäftigt er mit seinen Brüdern Markus Pütz (37), Stephan Pütz (33) sowie Vater Wolfgang Pütz (69) mittlerweile fast 400 MitarbeiterInnen fest, noch einmal so viele auf freier Basis. Pütz-Security ist fraglos eines der seriösen Unternehmen der boomenden Sicherheitsbranche. Seine KundInnen sind neben zahllosen Stars auch Behörden der Länder, die Bundesrepublik Deutschland, Fernsehsender und große Unternehmen, wie die Deutsche BP AG oder Mercedes Benz.

Familie Pütz profitiert davon, dass sogenannte "schwarze Sherriffs" und "Security-Unternehmen" allenthalben die Aufgaben des Staates bzw. der Polizei übernehmen, dass die Privatisierung von "Sicherheit" im Trend liegt. Anfang Januar geriet beispielsweise die Hamburger Polizei in die Schlagzeilen, weil ein privates Sicherheitsunternehmen die Bewachung des Polizeipräsidiums Alsterdorf übernahm (!). Nicht nur, dass durch diesen Vorgang peinlich offenbar wurde, welch krankhafte Züge mittlerweile die Privatisierung klassisch polizeilicher Aufgaben trägt. Die Thüringer Security-Firma HS Dienstleistungs GmbH steht überdies in dem Ruf, Dumpinglöhne weit unter 8 Euro zu zahlen und zahlreiche Rechtsradikale zu beschäftigen. So berichteten im Januar geschockte Polizeibeamte der Hamburger Morgenpost, sie seien trotz angeblicher Sicherheitsüberprüfung der HS-Beschäftigten überwiegend auf "bomberjackentragende Glatzköpfe" gestoßen.

So plump indes geht es bei Pütz-Security "mit Sicherheit" nicht zu, allenthalben aber ist die geringe Intellektualität der Bewerber für Security-Tätigkeiten ein Problem. Nur die wenigsten TürsteherInnen, Wachleute oder OrdnerInnen kennen die engen Grenzen ihrer Befugnisse, die meisten übertreten sie regelmässig. Weder dürfen sie beispielsweise grundlos Hand an ihre "Kunden" legen, noch Verhaftungen oder Personalienkontrollen vornehmen. Insbesondere Letzteres gehört aber regelmässig zum "Repertoire" von "Sicherheitsleuten". Auch die Zahl der Übergriffe tumber Muskelpakete nimmt in der Branche zu. Zwar gehören schwere Körperverletzungen zu den Ausnahmen der Vorfälle, bleiben jedoch ein regelmäßiges Phänomen. Auch MitarbeiterInnen von Familie Pütz wurden schon mehrfach Übergriffe, Aggressionen und sonstige Fehlverhalten vorgeworfen, insbesondere bezüglich ihrer Tätigkeit auf dem Hamburger Wohnschiff Bibby Altona und in der Color Line Arena. So berichtet die Obdachlose Christine B., sie sei in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2002 von zwei Pütz-Wachleuten auf den Kopf geschlagen worden. Sie habe sich zuvor geweigert, in einem für sie bestellten Krankenwagen mitzufahren. Darauf sei die schwer lungenkranke Frau von den Wachleuten gepackt-, in eine Ecke gedrängt und geschlagen worden - ein Bekannter hatte damals ihre Schreie gehört, Pütz Security bestreitet den Vorfall. Nicht bestritten wird indes ein weiterer Übergriff, den auch das Straßenmagazin Hinz & Kunzt veröffentlichte: Nachdem ein Unbekannter auf den Flur der Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkunft uriniert hatte, weckten die Pütz-Leute alle obdachlosen BewohnerInnen dieses Flures um 1:15 Uhr, ließen sie "antreten" ... und den Flur putzen. Als sich vier Männer der Schikane widersetzten, wurden sie sofort gezwungen, das Schiff zu verlassen, noch nicht einmal ihre Sachen durften sie packen. Der Betreiber der Unterkunft, Pflegen und Wohnen verwarnte Pütz nach einem offenen Brief der Betroffenen. Laut eines Berichts des Straßenmagazins beschwerten sich bereits zahlreiche Obdachlose über den Wachdienst auf der Bibby Altona: Drei bis fünf der Wachleute hätten es förmlich auf Streit abgesehen, die dürfe man noch nicht einmal angucken.

In der "Norderstedter Zeitung" konnte man am 3. Mai derweil einen Jubel-Bericht lesen. Andreas Rese (38) etwa hob bezüglich seiner Tätigkeit auf der Bibby hervor, dass er "täglich Menschen aus 30 Nationen" begegne. "Der ehemalige Fallschirmspringer der Bundeswehr", so der Artikel, "ist zuständig für Sicherheit und Ordnung auf dem Wohnschiff (...)." "Manchmal" berichtet Rese dann weiter, "ist auch körperlicher Einsatz gefragt" und liegt damit wohl nicht allzuweit von seinem tatsächlichen Arbeitsalltag entfernt. Auch zahlreiche BesucherInnen der Hamburger Color Line Arena berichten von Übergriffen, Schikanen und Arroganz des Ordnungsdienstes, der sich hier aber nicht eindeutig zuordnen läßt, da zeitweise bis zu drei Sicherheitsfirmen parallel tätig sind. Womöglich auch interessant für BesucherInnen der Arena: "Wir haben dort 60 Spezialkameras installiert. Damit können wir auf jeden einzelnen Zuschauer so nah zoomen, dass wir sogar lesen, was der auf seinen Zettel schreibt" (Thomas Pütz in der Tageszeitung "Die Welt").

Neben kraftsportbewehrtem Dienst für die "Sicherheit" ihrer Auftraggeber ist die Pütz Security AG auch in Sachen Arbeitsrecht unterwegs. So sind auch Arbeitgeber, die "vermuten, dass Arbeitnehmer die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall missbrauchen" mit den Kaltenkirchenern gut beraten. Pütz bietet auch für diesen Fall Hilfe an, wohlwissend, dass ein Großteil solcher "Ermittlungsdienste" gegen das Persönlichkeitsrecht der überwachten Arbeiter verstößt. Vor rund 20 Jahren begann Pütz seine Karriere im Dienst der "Sicherheit" als Türsteheer einer Diskothek, heute ist er Vorstandsvorsitzender eines Unternehmens mit 20 Millionen Euro Jahresumsatz und bis zu 800 Beschäftigten. Eine Bilderbuchkarriere die stellvertretend für viele Erfolge im Geschäft mit der Sicherheit steht. Überall dort, wo sich die Polizei zurückzieht oder die wachsende Schere des Wohlstands bemerkbar macht, werden private Sicherheitsunternehmen mit fragwürdigem sowie meist unterbezahltem Personal tätig. Wenn etwa der Wachdienst im Norderstedter Herold-Center Streife geht, tut er dies für nur knapp 6 Euro Stundenlohn. Lange nicht alle Unternehmen der Sicherheitsbranche zahlen die zur Zeit rund 8,20 Euro Tariflohn pro Stunde, entsprechend ist das Personal motiviert und qualitativ aufgestellt. Solche Entwicklungen führen jedoch keinesfalls dazu, dass der Privatisierungswahn wenigstens an dieser Stelle unterbrochen- oder der Tätigkeitsspielraum der zwielichtigen Branche eingeengt wird. Selbst die Forschungsstelle Sicherheitsgewerbe an der Hamburger Universität - vom Klang her eine Institution zur kritischen Betrachtung der Entwicklung - entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ebenso niveau- wie kostenlose Werbeeinrichtung für das Gewerbe. Ganz offen und unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung wird hier universitär an der Beseitigung der restlichen rechtlichen Schranken und demokratischen Kontrollmöglichkeiten privatisierter Sicherheit gearbeitet. ReferentInnen und AutorInnen diskutieren beispielsweise in "Professorengesprächen" oder dem "Hamburger Sicherheitsgewerberechtstag" neue Aufgabenfelder der Branche, etwa "internationale Gefahrenabwehr", "Kriminalprävention" oder gar die "vollständige Privatisierung des Strafrechts". Die Veranstaltungen haben dabei eines immer gemein: Sie sind gesellschaftlich sinnlos wie ein Sack Flöhe, aber immens gefährlich: Einen wirklichen Nutzen entfalten sie ausschließlich für die prosperierenden Security-Unternehmen selbst. Völlig zutreffend analysierte Thomas Pütz daher jüngst gegenüber der "Welt": "Das Geschäft mit der Sicherheit ist noch eine der wenigen Branchen mit großem Wachstum."